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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Esel und die Treiber waren mehr als einmal daran in den angeschwollenen
Sümpfen und Flüssen zu ertrinken. Die nächste Hauptstation war Ugogo
(U bedeutet Land, Wa das Volk, also Wagogo die Leute aus Ugogo , dessen
Häuptling oder Sultan ganz bedeutende Zölle von Stanley erpreßte; das Land
war aber vortrefflich bebaut, das Volk unabhängig und kühn. Als Stanley's
Begleiter Shaw, der damals noch lebte, die Lust ankam, die Wagogo ein wenig
zu prügeln, stellten sie ihn würdevoll zur Rede: "Dürfen wir gleich Sklaven
von den Masungu (Weißen) geprügelt werden? Wir sind freie Leute." Immer
weiter ins Innere, grade nach Westen hin geht der Zug und nichts vermag
Stanley aufzuhalten: hier sinkt ein Träger in Folge der Pocken todt nieder,
ein Esel steht um, die Leute mentem, werden zur Ruhe gebracht und singen
am nächsten Tage dem "großen Meister" Stanley ein Loblied; heute campirt
er im Walde, morgen in einer Wüste, am dritten Tage an einem reißenden
Flusse. All das wird vortrefflich erzählt und endlich werden wir durch ein
herrliches Wiesen- und Weideland geführt, auf dem das Brüllen zahlreicher
Rinderheerden, das Meckern der Ziegen und Schafe erklingt. Dann rücken
wir, am 23. Juni 1871, neunzig Tage nach dem Abmärsche aus Bagamojo,
mit Stanley in dem großen Handelsemporium Unjanjembe (Spekes Käses)
ein. Die Sterne und Streifen der amerikanischen Flagge flattern im Winde,
die Leibwache, mit neuem Tarbusch geschmückt, feuert ihre Flinten ab, die
Pagasi haben ihre besten Lendenschürzen hervorgeholt. Es ist für Jnnerafrika
ein pompöser Aufzug.

Die arabischen Händler in Unjansembe empfingen Stanley in sehr gast¬
freier Weise und seine Schilderung des großen Karavcmenplatzes, der uns schon
durch Burton und Speke bekannt wurde, ist unterhaltend und belehrend zu¬
gleich. Die Neuigkeiten, die man hier indessen erfuhr, waren sehr ernster
Natur, denn ein Häuptling Namens Mirambo von Ujoweh hatte die nach
Udschidschi führende Straße -- welche Stanley ziehen mußte -- versperrt, und
erklärt, daß keine Karavane mehr dieselbe ziehen dürfe; es sei denn über
seinen todten Körper. Damit war aber der arabische Handel zwischen Küste
und Tcmganjikasee völlig brach gelegt und die Araber beschlossen, koste es
was es wolle, die Straße mit Waffengewalt zu eröffnen. Der Krieg sollte
so lange fortgesetzt werden, "bis Mirambo's Bart unter den Füßen der Araber
lag und bis diese wieder sicher, nur mit dem Spazierstöcke bewaffnet, durch
das Land ziehen könnten". Stanley lag natürlich auch daran, daß die Straße
bald frei werde und so beschloß er mit den Arabern gemeinsame Sache zu
machen; er wurde ihr Verbündeter und nun erleben wir das -- sicher noch
nicht dagewesene Schauspiel -- daß der reisende Correspondent eines großen
Blattes einem Negcrhäuptling Krieg erklärt und sich mit ihm herumpaukt.
Die Araber und ihre Leute zählten 2255 Mann, davon waren 1500 mit


Grenzboten 1872. IV. ^

Esel und die Treiber waren mehr als einmal daran in den angeschwollenen
Sümpfen und Flüssen zu ertrinken. Die nächste Hauptstation war Ugogo
(U bedeutet Land, Wa das Volk, also Wagogo die Leute aus Ugogo , dessen
Häuptling oder Sultan ganz bedeutende Zölle von Stanley erpreßte; das Land
war aber vortrefflich bebaut, das Volk unabhängig und kühn. Als Stanley's
Begleiter Shaw, der damals noch lebte, die Lust ankam, die Wagogo ein wenig
zu prügeln, stellten sie ihn würdevoll zur Rede: „Dürfen wir gleich Sklaven
von den Masungu (Weißen) geprügelt werden? Wir sind freie Leute." Immer
weiter ins Innere, grade nach Westen hin geht der Zug und nichts vermag
Stanley aufzuhalten: hier sinkt ein Träger in Folge der Pocken todt nieder,
ein Esel steht um, die Leute mentem, werden zur Ruhe gebracht und singen
am nächsten Tage dem „großen Meister" Stanley ein Loblied; heute campirt
er im Walde, morgen in einer Wüste, am dritten Tage an einem reißenden
Flusse. All das wird vortrefflich erzählt und endlich werden wir durch ein
herrliches Wiesen- und Weideland geführt, auf dem das Brüllen zahlreicher
Rinderheerden, das Meckern der Ziegen und Schafe erklingt. Dann rücken
wir, am 23. Juni 1871, neunzig Tage nach dem Abmärsche aus Bagamojo,
mit Stanley in dem großen Handelsemporium Unjanjembe (Spekes Käses)
ein. Die Sterne und Streifen der amerikanischen Flagge flattern im Winde,
die Leibwache, mit neuem Tarbusch geschmückt, feuert ihre Flinten ab, die
Pagasi haben ihre besten Lendenschürzen hervorgeholt. Es ist für Jnnerafrika
ein pompöser Aufzug.

Die arabischen Händler in Unjansembe empfingen Stanley in sehr gast¬
freier Weise und seine Schilderung des großen Karavcmenplatzes, der uns schon
durch Burton und Speke bekannt wurde, ist unterhaltend und belehrend zu¬
gleich. Die Neuigkeiten, die man hier indessen erfuhr, waren sehr ernster
Natur, denn ein Häuptling Namens Mirambo von Ujoweh hatte die nach
Udschidschi führende Straße — welche Stanley ziehen mußte — versperrt, und
erklärt, daß keine Karavane mehr dieselbe ziehen dürfe; es sei denn über
seinen todten Körper. Damit war aber der arabische Handel zwischen Küste
und Tcmganjikasee völlig brach gelegt und die Araber beschlossen, koste es
was es wolle, die Straße mit Waffengewalt zu eröffnen. Der Krieg sollte
so lange fortgesetzt werden, „bis Mirambo's Bart unter den Füßen der Araber
lag und bis diese wieder sicher, nur mit dem Spazierstöcke bewaffnet, durch
das Land ziehen könnten". Stanley lag natürlich auch daran, daß die Straße
bald frei werde und so beschloß er mit den Arabern gemeinsame Sache zu
machen; er wurde ihr Verbündeter und nun erleben wir das — sicher noch
nicht dagewesene Schauspiel — daß der reisende Correspondent eines großen
Blattes einem Negcrhäuptling Krieg erklärt und sich mit ihm herumpaukt.
Die Araber und ihre Leute zählten 2255 Mann, davon waren 1500 mit


Grenzboten 1872. IV. ^
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[0505] Esel und die Treiber waren mehr als einmal daran in den angeschwollenen Sümpfen und Flüssen zu ertrinken. Die nächste Hauptstation war Ugogo (U bedeutet Land, Wa das Volk, also Wagogo die Leute aus Ugogo , dessen Häuptling oder Sultan ganz bedeutende Zölle von Stanley erpreßte; das Land war aber vortrefflich bebaut, das Volk unabhängig und kühn. Als Stanley's Begleiter Shaw, der damals noch lebte, die Lust ankam, die Wagogo ein wenig zu prügeln, stellten sie ihn würdevoll zur Rede: „Dürfen wir gleich Sklaven von den Masungu (Weißen) geprügelt werden? Wir sind freie Leute." Immer weiter ins Innere, grade nach Westen hin geht der Zug und nichts vermag Stanley aufzuhalten: hier sinkt ein Träger in Folge der Pocken todt nieder, ein Esel steht um, die Leute mentem, werden zur Ruhe gebracht und singen am nächsten Tage dem „großen Meister" Stanley ein Loblied; heute campirt er im Walde, morgen in einer Wüste, am dritten Tage an einem reißenden Flusse. All das wird vortrefflich erzählt und endlich werden wir durch ein herrliches Wiesen- und Weideland geführt, auf dem das Brüllen zahlreicher Rinderheerden, das Meckern der Ziegen und Schafe erklingt. Dann rücken wir, am 23. Juni 1871, neunzig Tage nach dem Abmärsche aus Bagamojo, mit Stanley in dem großen Handelsemporium Unjanjembe (Spekes Käses) ein. Die Sterne und Streifen der amerikanischen Flagge flattern im Winde, die Leibwache, mit neuem Tarbusch geschmückt, feuert ihre Flinten ab, die Pagasi haben ihre besten Lendenschürzen hervorgeholt. Es ist für Jnnerafrika ein pompöser Aufzug. Die arabischen Händler in Unjansembe empfingen Stanley in sehr gast¬ freier Weise und seine Schilderung des großen Karavcmenplatzes, der uns schon durch Burton und Speke bekannt wurde, ist unterhaltend und belehrend zu¬ gleich. Die Neuigkeiten, die man hier indessen erfuhr, waren sehr ernster Natur, denn ein Häuptling Namens Mirambo von Ujoweh hatte die nach Udschidschi führende Straße — welche Stanley ziehen mußte — versperrt, und erklärt, daß keine Karavane mehr dieselbe ziehen dürfe; es sei denn über seinen todten Körper. Damit war aber der arabische Handel zwischen Küste und Tcmganjikasee völlig brach gelegt und die Araber beschlossen, koste es was es wolle, die Straße mit Waffengewalt zu eröffnen. Der Krieg sollte so lange fortgesetzt werden, „bis Mirambo's Bart unter den Füßen der Araber lag und bis diese wieder sicher, nur mit dem Spazierstöcke bewaffnet, durch das Land ziehen könnten". Stanley lag natürlich auch daran, daß die Straße bald frei werde und so beschloß er mit den Arabern gemeinsame Sache zu machen; er wurde ihr Verbündeter und nun erleben wir das — sicher noch nicht dagewesene Schauspiel — daß der reisende Correspondent eines großen Blattes einem Negcrhäuptling Krieg erklärt und sich mit ihm herumpaukt. Die Araber und ihre Leute zählten 2255 Mann, davon waren 1500 mit Grenzboten 1872. IV. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/505>, abgerufen am 04.07.2024.