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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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von ihnen dargereichten Sacramente haben durchaus keine Kraft und Bedeu¬
tung. Die Skopzen besuchen daher die Kirchen, nehmen an dem Gottesdienste
und am heiligen Abendmahle Theil und lassen ihre Kinder von dem ortho¬
doxen Popen taufen, aber dieß alles geschieht nur, um den Nachbarn nicht
als zum Naskol gehörig verdächtig zu werden, und in der Ueberzeugung, daß
es gleichgültige Dinge sind, die dem Heil der Seele so wenig schaden, wie sie
ihm nutzen. Der wahre Gottesdienst ist allein der, welchen die Secte abhält,
die wahre Taufe die Bezeichnung mit dem Siegel des Lammes, die Feuertaufe,
die Befreiung vom Geschlechtstrieb, die Entmannung.

Indeß findet vielleicht in allen, jedenfalls in manchen Skopzengemeinden
auch eine Wassertaufe der Neophyten statt, bei der es folgendermaßen zugeht.
Der Betreffende wird in ein großes Zimmer geführt, welches von Kerzen er¬
leuchtet wird (aller Gottesdienst der Secte wird bei Nacht abgehalten) und
in welchem sich ein Taufbecken von solcher Tiefe befindet, daß ein Mensch
darin untertauchen kann. Die in dem Saale Versammelten rufen ihm bei
seinem Eintritt zu: "O Bruder, der du kommst, dich in Christi Namen selbst
zu taufen, ziehe den Herrn Christus an!" Der Täufling taucht nunmehr
mit den Worten: "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen
Geistes. Amen!" in das Wasser und sagt, nachdem er wieder aufgestanden:
"O Herr, erbarme Dich meiner Seele! Nimm sie auf in die Schaar der
Gerechten und trage sie ein in das Buch des siebenten Himmels." Der
Vorsteher der Gemeinde sagt dann dem Getauften das Glaubensbekenntniß
zum nachsprechen vor, und hierauf legt der letztere das Gelübde ewigen
Schweigens ab, indem er spricht: "Nun, o Herr, nachdem ich Dein Gesetz
empfangen habe, will ich nimmermehr davon reden, weder zu meinem
Vater noch zu meiner Mutter, noch zu den Nachbarn, noch zu den Leuten,
die über die finstere Welt gebieten (die Obrigkeit). Lasse ich darüber nur ein
Wort laut werden, o Herr, so vergieb das nie, so erbarme dich meiner
nicht. Dann schlage mich das Kreuz nieder, Du, der am Kreuze starb. Amen!"
Nach diesem Gelübde singt die Versammlung einen Lobgesang auf die
Mutter Gottes. Dann sagt der Leiter des Gottesdienstes: "Erbarme Dich
mein, o Fürst Gottes" -- worauf er den Namen eines der Heiligen der
Skopzen nennt, eine Formel, die ihm der Getaufte nachspricht, und die so
oft von Beiden, immer mit einem anderen Namen, wiederholt wird, als die
Secte Heilige hat.

Ueber die Aufnahmeceremonien bei den Selbstverstümmlern in Jassy wird
berichtet, daß das Gemach, in welches die Aufzunehmenden geführt werden,
beim Eintritt derselben finster ist. Sind sie eingeführt, so zünden die zu
ihrem Empfang Versammelten Kerzen an, die sie in der Hand tragen, und
von denen jeder Neophyt auch eine erhält. Dann müssen die letzteren vor ein


von ihnen dargereichten Sacramente haben durchaus keine Kraft und Bedeu¬
tung. Die Skopzen besuchen daher die Kirchen, nehmen an dem Gottesdienste
und am heiligen Abendmahle Theil und lassen ihre Kinder von dem ortho¬
doxen Popen taufen, aber dieß alles geschieht nur, um den Nachbarn nicht
als zum Naskol gehörig verdächtig zu werden, und in der Ueberzeugung, daß
es gleichgültige Dinge sind, die dem Heil der Seele so wenig schaden, wie sie
ihm nutzen. Der wahre Gottesdienst ist allein der, welchen die Secte abhält,
die wahre Taufe die Bezeichnung mit dem Siegel des Lammes, die Feuertaufe,
die Befreiung vom Geschlechtstrieb, die Entmannung.

Indeß findet vielleicht in allen, jedenfalls in manchen Skopzengemeinden
auch eine Wassertaufe der Neophyten statt, bei der es folgendermaßen zugeht.
Der Betreffende wird in ein großes Zimmer geführt, welches von Kerzen er¬
leuchtet wird (aller Gottesdienst der Secte wird bei Nacht abgehalten) und
in welchem sich ein Taufbecken von solcher Tiefe befindet, daß ein Mensch
darin untertauchen kann. Die in dem Saale Versammelten rufen ihm bei
seinem Eintritt zu: „O Bruder, der du kommst, dich in Christi Namen selbst
zu taufen, ziehe den Herrn Christus an!" Der Täufling taucht nunmehr
mit den Worten: „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen
Geistes. Amen!" in das Wasser und sagt, nachdem er wieder aufgestanden:
„O Herr, erbarme Dich meiner Seele! Nimm sie auf in die Schaar der
Gerechten und trage sie ein in das Buch des siebenten Himmels." Der
Vorsteher der Gemeinde sagt dann dem Getauften das Glaubensbekenntniß
zum nachsprechen vor, und hierauf legt der letztere das Gelübde ewigen
Schweigens ab, indem er spricht: „Nun, o Herr, nachdem ich Dein Gesetz
empfangen habe, will ich nimmermehr davon reden, weder zu meinem
Vater noch zu meiner Mutter, noch zu den Nachbarn, noch zu den Leuten,
die über die finstere Welt gebieten (die Obrigkeit). Lasse ich darüber nur ein
Wort laut werden, o Herr, so vergieb das nie, so erbarme dich meiner
nicht. Dann schlage mich das Kreuz nieder, Du, der am Kreuze starb. Amen!"
Nach diesem Gelübde singt die Versammlung einen Lobgesang auf die
Mutter Gottes. Dann sagt der Leiter des Gottesdienstes: „Erbarme Dich
mein, o Fürst Gottes" — worauf er den Namen eines der Heiligen der
Skopzen nennt, eine Formel, die ihm der Getaufte nachspricht, und die so
oft von Beiden, immer mit einem anderen Namen, wiederholt wird, als die
Secte Heilige hat.

Ueber die Aufnahmeceremonien bei den Selbstverstümmlern in Jassy wird
berichtet, daß das Gemach, in welches die Aufzunehmenden geführt werden,
beim Eintritt derselben finster ist. Sind sie eingeführt, so zünden die zu
ihrem Empfang Versammelten Kerzen an, die sie in der Hand tragen, und
von denen jeder Neophyt auch eine erhält. Dann müssen die letzteren vor ein


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[0500] von ihnen dargereichten Sacramente haben durchaus keine Kraft und Bedeu¬ tung. Die Skopzen besuchen daher die Kirchen, nehmen an dem Gottesdienste und am heiligen Abendmahle Theil und lassen ihre Kinder von dem ortho¬ doxen Popen taufen, aber dieß alles geschieht nur, um den Nachbarn nicht als zum Naskol gehörig verdächtig zu werden, und in der Ueberzeugung, daß es gleichgültige Dinge sind, die dem Heil der Seele so wenig schaden, wie sie ihm nutzen. Der wahre Gottesdienst ist allein der, welchen die Secte abhält, die wahre Taufe die Bezeichnung mit dem Siegel des Lammes, die Feuertaufe, die Befreiung vom Geschlechtstrieb, die Entmannung. Indeß findet vielleicht in allen, jedenfalls in manchen Skopzengemeinden auch eine Wassertaufe der Neophyten statt, bei der es folgendermaßen zugeht. Der Betreffende wird in ein großes Zimmer geführt, welches von Kerzen er¬ leuchtet wird (aller Gottesdienst der Secte wird bei Nacht abgehalten) und in welchem sich ein Taufbecken von solcher Tiefe befindet, daß ein Mensch darin untertauchen kann. Die in dem Saale Versammelten rufen ihm bei seinem Eintritt zu: „O Bruder, der du kommst, dich in Christi Namen selbst zu taufen, ziehe den Herrn Christus an!" Der Täufling taucht nunmehr mit den Worten: „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen!" in das Wasser und sagt, nachdem er wieder aufgestanden: „O Herr, erbarme Dich meiner Seele! Nimm sie auf in die Schaar der Gerechten und trage sie ein in das Buch des siebenten Himmels." Der Vorsteher der Gemeinde sagt dann dem Getauften das Glaubensbekenntniß zum nachsprechen vor, und hierauf legt der letztere das Gelübde ewigen Schweigens ab, indem er spricht: „Nun, o Herr, nachdem ich Dein Gesetz empfangen habe, will ich nimmermehr davon reden, weder zu meinem Vater noch zu meiner Mutter, noch zu den Nachbarn, noch zu den Leuten, die über die finstere Welt gebieten (die Obrigkeit). Lasse ich darüber nur ein Wort laut werden, o Herr, so vergieb das nie, so erbarme dich meiner nicht. Dann schlage mich das Kreuz nieder, Du, der am Kreuze starb. Amen!" Nach diesem Gelübde singt die Versammlung einen Lobgesang auf die Mutter Gottes. Dann sagt der Leiter des Gottesdienstes: „Erbarme Dich mein, o Fürst Gottes" — worauf er den Namen eines der Heiligen der Skopzen nennt, eine Formel, die ihm der Getaufte nachspricht, und die so oft von Beiden, immer mit einem anderen Namen, wiederholt wird, als die Secte Heilige hat. Ueber die Aufnahmeceremonien bei den Selbstverstümmlern in Jassy wird berichtet, daß das Gemach, in welches die Aufzunehmenden geführt werden, beim Eintritt derselben finster ist. Sind sie eingeführt, so zünden die zu ihrem Empfang Versammelten Kerzen an, die sie in der Hand tragen, und von denen jeder Neophyt auch eine erhält. Dann müssen die letzteren vor ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/500>, abgerufen am 22.07.2024.