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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Der Landtag wurde am 6. November eröffnet. Der Statthalter Graf
Taafe legte schon in den ersten zwei Sitzungen die Gesetzentwürfe über
Schulaufsicht, Errichtung und Erhaltung der Volksschulen. über die Regelung
der Rechtsverhältnisse ihrer Lehrer, endlich über die theilweise Abänderung des
Statuts der Landesvertheidigung vor. Bei Beginn der zweiten Sitzung am
7. November wurde die Jnterpellation der Jesuiten verlesen. Der Statthalter
erwiderte darauf zunächst, daß Universitätsangelegenheiten nicht zur Competenz
des Landtags, sondern zu derjenigen der Regierung gehören. Er werde daher
rücksichtlich der Beantwortung des Schriftstückes die höhere Weisung abwarten.
Als aber sein Schützling, der jesuitenfreundliche Landeshauptmann Dr. C. Rapp
den Rektor bei Abnahme des Handgelöbnisses der neu eingetretenen Landtags¬
mitglieder überging, diese auch auf wiederholtes Ersuchen Ullmann's verweigerte,
hatte Graf Taafe nicht ein Wort der Einsprache gegen diese Mißachtung
des Gesetzes, erkannte damit vielmehr, in offenem Widerspruch mit seiner
früheren Erklärung, das Recht des Landtags an, über die Zulassung des
Rektors zu entscheiden.

Gegen dieses pflichtwidrige Vorgehen des Landeshauptmanns legten die
verfassungstreuen Abgeordneten und die drei weltlichen Fakultäten energisch
schriftliche Verwahrung ein. Gleich zu Anfang der Sitzung vom 9. wurden
zwei dieser Proteste verlesen. Als aber auch die übrigen verlesen werden
sollten, forderte verabredeter Maßen einer der leidenschaftlichsten Söldner der
Jesuiten, unter maßlosem Unglimpf über die Erzieher der künftigen Intelligenz
des Landes und unter schmählichen Denunziationen wider die Presse, zur Ge¬
nugthuung für den Landeshauptmann einfachen Uebergang zur Tagesordnung.
Die Entgegnungen Dr. Ullmann's und seines Amtsgenossen des Professor
Wildauer verhallten natürlich an tauben Ohren. Die Landtagsjesuiten setzten
ihren Willen durch.

Die Entscheidung stand nun beim Rathe der Krone, und zwar, da es
sich voraussichtlich auch um Schließung oder Auflösung des Landtags handelte,
in letzter Instanz beim Kaiser. Während die Jnterpellation die Regierung
ganz unverholen vor die Thüre setzte, glaubte diese nicht nachsichtig genug
vorgehen zu können. Man wollte den Landtag zunächst die fünf Wahlen zum
Reichstag vollziehen lassen, wenn man auch wußte, daß die Herren so wenig nach
Wien kommen würden, wie die bisherigen vier Abgeordneten. Dann wollte man
die Beantwortung der Jnterpellation ablehnen, den Landeshauptmann zur Ver-
eitung des Rektors auffordern, und bei fortgesetzter Widersetzlichkeit der Inter¬
pellanten den Landtag schließen. Diese weise Maßhaltung ist nur dadurch
erklärlich, daß für ein schärferes Vorgehen die allerhöchste Genehmigung nicht
zu erlangen gewesen sein dürfte.

Kaum hatte Graf Taafe diese ministeriellen Aufträge erhalten, so berief


Der Landtag wurde am 6. November eröffnet. Der Statthalter Graf
Taafe legte schon in den ersten zwei Sitzungen die Gesetzentwürfe über
Schulaufsicht, Errichtung und Erhaltung der Volksschulen. über die Regelung
der Rechtsverhältnisse ihrer Lehrer, endlich über die theilweise Abänderung des
Statuts der Landesvertheidigung vor. Bei Beginn der zweiten Sitzung am
7. November wurde die Jnterpellation der Jesuiten verlesen. Der Statthalter
erwiderte darauf zunächst, daß Universitätsangelegenheiten nicht zur Competenz
des Landtags, sondern zu derjenigen der Regierung gehören. Er werde daher
rücksichtlich der Beantwortung des Schriftstückes die höhere Weisung abwarten.
Als aber sein Schützling, der jesuitenfreundliche Landeshauptmann Dr. C. Rapp
den Rektor bei Abnahme des Handgelöbnisses der neu eingetretenen Landtags¬
mitglieder überging, diese auch auf wiederholtes Ersuchen Ullmann's verweigerte,
hatte Graf Taafe nicht ein Wort der Einsprache gegen diese Mißachtung
des Gesetzes, erkannte damit vielmehr, in offenem Widerspruch mit seiner
früheren Erklärung, das Recht des Landtags an, über die Zulassung des
Rektors zu entscheiden.

Gegen dieses pflichtwidrige Vorgehen des Landeshauptmanns legten die
verfassungstreuen Abgeordneten und die drei weltlichen Fakultäten energisch
schriftliche Verwahrung ein. Gleich zu Anfang der Sitzung vom 9. wurden
zwei dieser Proteste verlesen. Als aber auch die übrigen verlesen werden
sollten, forderte verabredeter Maßen einer der leidenschaftlichsten Söldner der
Jesuiten, unter maßlosem Unglimpf über die Erzieher der künftigen Intelligenz
des Landes und unter schmählichen Denunziationen wider die Presse, zur Ge¬
nugthuung für den Landeshauptmann einfachen Uebergang zur Tagesordnung.
Die Entgegnungen Dr. Ullmann's und seines Amtsgenossen des Professor
Wildauer verhallten natürlich an tauben Ohren. Die Landtagsjesuiten setzten
ihren Willen durch.

Die Entscheidung stand nun beim Rathe der Krone, und zwar, da es
sich voraussichtlich auch um Schließung oder Auflösung des Landtags handelte,
in letzter Instanz beim Kaiser. Während die Jnterpellation die Regierung
ganz unverholen vor die Thüre setzte, glaubte diese nicht nachsichtig genug
vorgehen zu können. Man wollte den Landtag zunächst die fünf Wahlen zum
Reichstag vollziehen lassen, wenn man auch wußte, daß die Herren so wenig nach
Wien kommen würden, wie die bisherigen vier Abgeordneten. Dann wollte man
die Beantwortung der Jnterpellation ablehnen, den Landeshauptmann zur Ver-
eitung des Rektors auffordern, und bei fortgesetzter Widersetzlichkeit der Inter¬
pellanten den Landtag schließen. Diese weise Maßhaltung ist nur dadurch
erklärlich, daß für ein schärferes Vorgehen die allerhöchste Genehmigung nicht
zu erlangen gewesen sein dürfte.

Kaum hatte Graf Taafe diese ministeriellen Aufträge erhalten, so berief


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[0477] Der Landtag wurde am 6. November eröffnet. Der Statthalter Graf Taafe legte schon in den ersten zwei Sitzungen die Gesetzentwürfe über Schulaufsicht, Errichtung und Erhaltung der Volksschulen. über die Regelung der Rechtsverhältnisse ihrer Lehrer, endlich über die theilweise Abänderung des Statuts der Landesvertheidigung vor. Bei Beginn der zweiten Sitzung am 7. November wurde die Jnterpellation der Jesuiten verlesen. Der Statthalter erwiderte darauf zunächst, daß Universitätsangelegenheiten nicht zur Competenz des Landtags, sondern zu derjenigen der Regierung gehören. Er werde daher rücksichtlich der Beantwortung des Schriftstückes die höhere Weisung abwarten. Als aber sein Schützling, der jesuitenfreundliche Landeshauptmann Dr. C. Rapp den Rektor bei Abnahme des Handgelöbnisses der neu eingetretenen Landtags¬ mitglieder überging, diese auch auf wiederholtes Ersuchen Ullmann's verweigerte, hatte Graf Taafe nicht ein Wort der Einsprache gegen diese Mißachtung des Gesetzes, erkannte damit vielmehr, in offenem Widerspruch mit seiner früheren Erklärung, das Recht des Landtags an, über die Zulassung des Rektors zu entscheiden. Gegen dieses pflichtwidrige Vorgehen des Landeshauptmanns legten die verfassungstreuen Abgeordneten und die drei weltlichen Fakultäten energisch schriftliche Verwahrung ein. Gleich zu Anfang der Sitzung vom 9. wurden zwei dieser Proteste verlesen. Als aber auch die übrigen verlesen werden sollten, forderte verabredeter Maßen einer der leidenschaftlichsten Söldner der Jesuiten, unter maßlosem Unglimpf über die Erzieher der künftigen Intelligenz des Landes und unter schmählichen Denunziationen wider die Presse, zur Ge¬ nugthuung für den Landeshauptmann einfachen Uebergang zur Tagesordnung. Die Entgegnungen Dr. Ullmann's und seines Amtsgenossen des Professor Wildauer verhallten natürlich an tauben Ohren. Die Landtagsjesuiten setzten ihren Willen durch. Die Entscheidung stand nun beim Rathe der Krone, und zwar, da es sich voraussichtlich auch um Schließung oder Auflösung des Landtags handelte, in letzter Instanz beim Kaiser. Während die Jnterpellation die Regierung ganz unverholen vor die Thüre setzte, glaubte diese nicht nachsichtig genug vorgehen zu können. Man wollte den Landtag zunächst die fünf Wahlen zum Reichstag vollziehen lassen, wenn man auch wußte, daß die Herren so wenig nach Wien kommen würden, wie die bisherigen vier Abgeordneten. Dann wollte man die Beantwortung der Jnterpellation ablehnen, den Landeshauptmann zur Ver- eitung des Rektors auffordern, und bei fortgesetzter Widersetzlichkeit der Inter¬ pellanten den Landtag schließen. Diese weise Maßhaltung ist nur dadurch erklärlich, daß für ein schärferes Vorgehen die allerhöchste Genehmigung nicht zu erlangen gewesen sein dürfte. Kaum hatte Graf Taafe diese ministeriellen Aufträge erhalten, so berief

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/477>, abgerufen am 22.07.2024.