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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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und schmutzige Sommerwollstoffe, Drucke, Calicos, kurz allerlei im Hinter¬
grund. Oder Fluren, dicht bedeckt mit Elephantenzähnen, oder dunkle Winkel
in denen rohe Baumwolle aufgestapelt liegt, Borräthe von Eisenwaaren,
Nägeln, Geräthschaften. Das Alles im Banianenquartier. Dann wieder
Straßen mit üblem Geruch, ja stinkend, mit Schweiß gebadeten gelben und
braunen Körpern, auf denen wollhaarige Köpfe sitzen, hingelungert vor die
Thüren elender Hütten, keifend, lachend, schandernd, dazu der untermischte Ge¬
ruch von Häuten, Theer, vegetabilischen Abfällen, Excrementen -- das ist das
Negerquartier. Dann wieder Straßen mit hohen, solid ausschauenden Häusern,
flachdachig, mit großen geheizten Thorwegen, Bronzeklopfern, mit Portiers, die
mit untergeschlagenen Beinen dasitzen und am Thore die Besucher empfangen;
ich sehe eine schmale, seichte Seezunge ins Land treten, darauf Dhaus (arabische
Fahrzeuge), Canoes, Boote, ein oder zwei im Schlamm der Ebbe liegende
altmodische Schleppdampfer; wieder taucht vor mir auf "Nasimoja", "Ein
Cokosbaum", wohin allabendlich die Europäer mit langsamem Schritte wan¬
deln um die frische Luft zu schöpfen, welche über die See herstreicht, während
der Tag vergeht und die rothe Sonne im Westen sinkt; oder ich sehe die
Gräber einiger Matrosen, welche ihre Ankunft in diesem gefährlichen Klima
mit dem Tode bezahlten; oder ich erblicke das große Haus, in dem Dr. Tozer
lebt, der Missionsbischof von Centralafrika, und worin die Schule für kleine
Afrikaner ist. Und noch viele andre Dinge sehe ich."

Stanley ging sofort an die Organisirung seiner Expedition ins Innere.
Von all seinen Arbeiten und Unternehmungen giebt er einen vorzüglichen,
ins Einzelne gehenden Bericht, wobei auch manche persönliche Gehässigkeiten
gegen den englischen Consul in Sansibar, Dr. Kirk, mit unterlaufen, die
wir hier übergehen können. Es lag Stanley daran, den Zweck seiner Expe¬
dition völlig geheim zu halten und so täuschte er die Europäer in Sansibar
über dieselbe; nur so ganz nebenbei fragte er nach Livingstone, über den er
natürlich Zuverlässiges nicht erfuhr. Mit großer Energie wurden die Vor¬
bereitungen rasch betrieben und dabei nur ein Fehler begangen. Stanley
engagirte als Gehülfen zwei englische Matrosen, Farquhar und Shaw, ein
paar trunkene, nichtsnutzige, herabgekommene Subjecte, welche ihm im Innern
viel Aerger verursachten, dort aber auch beide starben. Mit den Eingeborenen
dagegen war er glücklicher, da er mehrere der ehemaligen Begleiter des
Reisenden Speke engagiren konnte. Nach einem Monat angestrengter Arbeit
hatte Stanley seine Tauschmittel, seine Garde, seine Esel und Pferde bei¬
sammen, die in vier arabischen Dhaus nach dem Festlande, nach dem Kara-
vanenausgangspunkt Bagamojo übergesetzt wurden. Genau wird berichtet von
den "Askari" oder bewaffneten Dienern, von den "Pagasi" oder Trägern, von
den "Doll", den Zeugballen, von den "Fundo" oder Perlen, von den Kupfer-


und schmutzige Sommerwollstoffe, Drucke, Calicos, kurz allerlei im Hinter¬
grund. Oder Fluren, dicht bedeckt mit Elephantenzähnen, oder dunkle Winkel
in denen rohe Baumwolle aufgestapelt liegt, Borräthe von Eisenwaaren,
Nägeln, Geräthschaften. Das Alles im Banianenquartier. Dann wieder
Straßen mit üblem Geruch, ja stinkend, mit Schweiß gebadeten gelben und
braunen Körpern, auf denen wollhaarige Köpfe sitzen, hingelungert vor die
Thüren elender Hütten, keifend, lachend, schandernd, dazu der untermischte Ge¬
ruch von Häuten, Theer, vegetabilischen Abfällen, Excrementen — das ist das
Negerquartier. Dann wieder Straßen mit hohen, solid ausschauenden Häusern,
flachdachig, mit großen geheizten Thorwegen, Bronzeklopfern, mit Portiers, die
mit untergeschlagenen Beinen dasitzen und am Thore die Besucher empfangen;
ich sehe eine schmale, seichte Seezunge ins Land treten, darauf Dhaus (arabische
Fahrzeuge), Canoes, Boote, ein oder zwei im Schlamm der Ebbe liegende
altmodische Schleppdampfer; wieder taucht vor mir auf „Nasimoja", „Ein
Cokosbaum", wohin allabendlich die Europäer mit langsamem Schritte wan¬
deln um die frische Luft zu schöpfen, welche über die See herstreicht, während
der Tag vergeht und die rothe Sonne im Westen sinkt; oder ich sehe die
Gräber einiger Matrosen, welche ihre Ankunft in diesem gefährlichen Klima
mit dem Tode bezahlten; oder ich erblicke das große Haus, in dem Dr. Tozer
lebt, der Missionsbischof von Centralafrika, und worin die Schule für kleine
Afrikaner ist. Und noch viele andre Dinge sehe ich."

Stanley ging sofort an die Organisirung seiner Expedition ins Innere.
Von all seinen Arbeiten und Unternehmungen giebt er einen vorzüglichen,
ins Einzelne gehenden Bericht, wobei auch manche persönliche Gehässigkeiten
gegen den englischen Consul in Sansibar, Dr. Kirk, mit unterlaufen, die
wir hier übergehen können. Es lag Stanley daran, den Zweck seiner Expe¬
dition völlig geheim zu halten und so täuschte er die Europäer in Sansibar
über dieselbe; nur so ganz nebenbei fragte er nach Livingstone, über den er
natürlich Zuverlässiges nicht erfuhr. Mit großer Energie wurden die Vor¬
bereitungen rasch betrieben und dabei nur ein Fehler begangen. Stanley
engagirte als Gehülfen zwei englische Matrosen, Farquhar und Shaw, ein
paar trunkene, nichtsnutzige, herabgekommene Subjecte, welche ihm im Innern
viel Aerger verursachten, dort aber auch beide starben. Mit den Eingeborenen
dagegen war er glücklicher, da er mehrere der ehemaligen Begleiter des
Reisenden Speke engagiren konnte. Nach einem Monat angestrengter Arbeit
hatte Stanley seine Tauschmittel, seine Garde, seine Esel und Pferde bei¬
sammen, die in vier arabischen Dhaus nach dem Festlande, nach dem Kara-
vanenausgangspunkt Bagamojo übergesetzt wurden. Genau wird berichtet von
den „Askari" oder bewaffneten Dienern, von den „Pagasi" oder Trägern, von
den „Doll", den Zeugballen, von den „Fundo" oder Perlen, von den Kupfer-


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[0471] und schmutzige Sommerwollstoffe, Drucke, Calicos, kurz allerlei im Hinter¬ grund. Oder Fluren, dicht bedeckt mit Elephantenzähnen, oder dunkle Winkel in denen rohe Baumwolle aufgestapelt liegt, Borräthe von Eisenwaaren, Nägeln, Geräthschaften. Das Alles im Banianenquartier. Dann wieder Straßen mit üblem Geruch, ja stinkend, mit Schweiß gebadeten gelben und braunen Körpern, auf denen wollhaarige Köpfe sitzen, hingelungert vor die Thüren elender Hütten, keifend, lachend, schandernd, dazu der untermischte Ge¬ ruch von Häuten, Theer, vegetabilischen Abfällen, Excrementen — das ist das Negerquartier. Dann wieder Straßen mit hohen, solid ausschauenden Häusern, flachdachig, mit großen geheizten Thorwegen, Bronzeklopfern, mit Portiers, die mit untergeschlagenen Beinen dasitzen und am Thore die Besucher empfangen; ich sehe eine schmale, seichte Seezunge ins Land treten, darauf Dhaus (arabische Fahrzeuge), Canoes, Boote, ein oder zwei im Schlamm der Ebbe liegende altmodische Schleppdampfer; wieder taucht vor mir auf „Nasimoja", „Ein Cokosbaum", wohin allabendlich die Europäer mit langsamem Schritte wan¬ deln um die frische Luft zu schöpfen, welche über die See herstreicht, während der Tag vergeht und die rothe Sonne im Westen sinkt; oder ich sehe die Gräber einiger Matrosen, welche ihre Ankunft in diesem gefährlichen Klima mit dem Tode bezahlten; oder ich erblicke das große Haus, in dem Dr. Tozer lebt, der Missionsbischof von Centralafrika, und worin die Schule für kleine Afrikaner ist. Und noch viele andre Dinge sehe ich." Stanley ging sofort an die Organisirung seiner Expedition ins Innere. Von all seinen Arbeiten und Unternehmungen giebt er einen vorzüglichen, ins Einzelne gehenden Bericht, wobei auch manche persönliche Gehässigkeiten gegen den englischen Consul in Sansibar, Dr. Kirk, mit unterlaufen, die wir hier übergehen können. Es lag Stanley daran, den Zweck seiner Expe¬ dition völlig geheim zu halten und so täuschte er die Europäer in Sansibar über dieselbe; nur so ganz nebenbei fragte er nach Livingstone, über den er natürlich Zuverlässiges nicht erfuhr. Mit großer Energie wurden die Vor¬ bereitungen rasch betrieben und dabei nur ein Fehler begangen. Stanley engagirte als Gehülfen zwei englische Matrosen, Farquhar und Shaw, ein paar trunkene, nichtsnutzige, herabgekommene Subjecte, welche ihm im Innern viel Aerger verursachten, dort aber auch beide starben. Mit den Eingeborenen dagegen war er glücklicher, da er mehrere der ehemaligen Begleiter des Reisenden Speke engagiren konnte. Nach einem Monat angestrengter Arbeit hatte Stanley seine Tauschmittel, seine Garde, seine Esel und Pferde bei¬ sammen, die in vier arabischen Dhaus nach dem Festlande, nach dem Kara- vanenausgangspunkt Bagamojo übergesetzt wurden. Genau wird berichtet von den „Askari" oder bewaffneten Dienern, von den „Pagasi" oder Trägern, von den „Doll", den Zeugballen, von den „Fundo" oder Perlen, von den Kupfer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/471>, abgerufen am 22.07.2024.