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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Post-Spar- und Vorschußvereinen, welche bereits bedeutende wirthschaftliche
Productivassociationen der Postbeamten geworden sind, sowie mit den Ein¬
richtungen für die Lebensversicherung der letzteren unter staatlicher Vermitte¬
lung, mithin als ein Glied in der Reihe wichtiger socialer Fortschritte unter
der Postbeamtenwelt betrachtet werden. Welcher Segen durch solche Ma߬
regeln geschaffen werden kann, bedarf nicht erst der Hervorhebung. Unver¬
schüttete Noth kann beseitigt, schwere Bedrängniß gemildert, das unter dem
Drucke der Verhältnisse schmachtende, nach Befreiung sonst vergeblich ringende
Talent aus den Banden der Aermlichkeit, jener ärgsten Feindin geistigen
Schaffens, erlöst, und der vollen Entfaltung reicher Kräfte, die vielleicht der
Verwaltung das entlehnte Pfund einst mit reichen Zinsen erstatten können,
freie Bahn geöffnet werden. Allein auch vom Standpunkte der politischen
Oekonomie verdienen diese Stephan'schen Einrichtungen größte Beachtung.
Denn sie lösen jene Aufgabe des Staats: welche in der Unterstützung
der öffentlichen Wohlfahrtsbestrebungen, in der Hinwegräumung von Hinder¬
nissen für die freie Entwickelung der Nationalkraft besteht, für ihren Kreis
in mustergültiger Weise; sie geben der Staatsverwaltung bedeutsame Finger¬
zeige, wie die Wohlfahrt eines wichtigen Bruchtheils der Staatsangehörigen,
deren Integrität gegenüber der ungeheuren Steigerung der Preisverhältnisse
einen harten Kampf zu bestehen hat, auf rationelle Weise zu heben ist. Denn
man täusche sich nur nicht über den Werth der in neuerer Zeit den Beamten
gewährten Gehaltsverbesserungen; dieselben waren fast überall das Signal für
Anwendung der beliebten Tactik der Hauswirthe, den Miethswerth ihrer
Häuser proteusartig zu heben. Dem Beamten wurde dadurch nicht blos die
soeben erlangte Zulage wieder genommen, sondern auch der Begriff der Hei¬
math, des süßen "g.t tome," schlimmer als jemals durch die Nothwendigkeit
vagirenden Nomadenlebens in Miethskasernen vergällt. Dabei blieb denn
wenig für Ausgleichung der sonstigen Preissteigerungen übrig, durch welche
der Kaufmann die Last des Geschäfts dem Consumenten aufzubürden pflegt.
Wenn der Staat von seinem umfassenden Standpunkte aus in der Weise,
wie es die Stephan'schen Organisationen zeigen, an der Lösung der
socialen Frage für die Beamten sich betheiligt, so wird damit nicht bloß das
düstere Gespenst des Pauperismus aus diesen Sphären verscheucht, son¬
dern es wird auch ein frischerer Geist in den Beamtenkreisen erweckt werden,
der für die Belebung des Interesses an dem Gedeihen der Staatswohlfahrt
von hoher Wichtigkeit ist, jenem Grundsatze edler Geistesanschauung gemäß,
welcher in dem: xro rsxudliea est, aum luäsrs viäemur gipfelt.


K. 1.


Post-Spar- und Vorschußvereinen, welche bereits bedeutende wirthschaftliche
Productivassociationen der Postbeamten geworden sind, sowie mit den Ein¬
richtungen für die Lebensversicherung der letzteren unter staatlicher Vermitte¬
lung, mithin als ein Glied in der Reihe wichtiger socialer Fortschritte unter
der Postbeamtenwelt betrachtet werden. Welcher Segen durch solche Ma߬
regeln geschaffen werden kann, bedarf nicht erst der Hervorhebung. Unver¬
schüttete Noth kann beseitigt, schwere Bedrängniß gemildert, das unter dem
Drucke der Verhältnisse schmachtende, nach Befreiung sonst vergeblich ringende
Talent aus den Banden der Aermlichkeit, jener ärgsten Feindin geistigen
Schaffens, erlöst, und der vollen Entfaltung reicher Kräfte, die vielleicht der
Verwaltung das entlehnte Pfund einst mit reichen Zinsen erstatten können,
freie Bahn geöffnet werden. Allein auch vom Standpunkte der politischen
Oekonomie verdienen diese Stephan'schen Einrichtungen größte Beachtung.
Denn sie lösen jene Aufgabe des Staats: welche in der Unterstützung
der öffentlichen Wohlfahrtsbestrebungen, in der Hinwegräumung von Hinder¬
nissen für die freie Entwickelung der Nationalkraft besteht, für ihren Kreis
in mustergültiger Weise; sie geben der Staatsverwaltung bedeutsame Finger¬
zeige, wie die Wohlfahrt eines wichtigen Bruchtheils der Staatsangehörigen,
deren Integrität gegenüber der ungeheuren Steigerung der Preisverhältnisse
einen harten Kampf zu bestehen hat, auf rationelle Weise zu heben ist. Denn
man täusche sich nur nicht über den Werth der in neuerer Zeit den Beamten
gewährten Gehaltsverbesserungen; dieselben waren fast überall das Signal für
Anwendung der beliebten Tactik der Hauswirthe, den Miethswerth ihrer
Häuser proteusartig zu heben. Dem Beamten wurde dadurch nicht blos die
soeben erlangte Zulage wieder genommen, sondern auch der Begriff der Hei¬
math, des süßen „g.t tome," schlimmer als jemals durch die Nothwendigkeit
vagirenden Nomadenlebens in Miethskasernen vergällt. Dabei blieb denn
wenig für Ausgleichung der sonstigen Preissteigerungen übrig, durch welche
der Kaufmann die Last des Geschäfts dem Consumenten aufzubürden pflegt.
Wenn der Staat von seinem umfassenden Standpunkte aus in der Weise,
wie es die Stephan'schen Organisationen zeigen, an der Lösung der
socialen Frage für die Beamten sich betheiligt, so wird damit nicht bloß das
düstere Gespenst des Pauperismus aus diesen Sphären verscheucht, son¬
dern es wird auch ein frischerer Geist in den Beamtenkreisen erweckt werden,
der für die Belebung des Interesses an dem Gedeihen der Staatswohlfahrt
von hoher Wichtigkeit ist, jenem Grundsatze edler Geistesanschauung gemäß,
welcher in dem: xro rsxudliea est, aum luäsrs viäemur gipfelt.


K. 1.


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[0037] Post-Spar- und Vorschußvereinen, welche bereits bedeutende wirthschaftliche Productivassociationen der Postbeamten geworden sind, sowie mit den Ein¬ richtungen für die Lebensversicherung der letzteren unter staatlicher Vermitte¬ lung, mithin als ein Glied in der Reihe wichtiger socialer Fortschritte unter der Postbeamtenwelt betrachtet werden. Welcher Segen durch solche Ma߬ regeln geschaffen werden kann, bedarf nicht erst der Hervorhebung. Unver¬ schüttete Noth kann beseitigt, schwere Bedrängniß gemildert, das unter dem Drucke der Verhältnisse schmachtende, nach Befreiung sonst vergeblich ringende Talent aus den Banden der Aermlichkeit, jener ärgsten Feindin geistigen Schaffens, erlöst, und der vollen Entfaltung reicher Kräfte, die vielleicht der Verwaltung das entlehnte Pfund einst mit reichen Zinsen erstatten können, freie Bahn geöffnet werden. Allein auch vom Standpunkte der politischen Oekonomie verdienen diese Stephan'schen Einrichtungen größte Beachtung. Denn sie lösen jene Aufgabe des Staats: welche in der Unterstützung der öffentlichen Wohlfahrtsbestrebungen, in der Hinwegräumung von Hinder¬ nissen für die freie Entwickelung der Nationalkraft besteht, für ihren Kreis in mustergültiger Weise; sie geben der Staatsverwaltung bedeutsame Finger¬ zeige, wie die Wohlfahrt eines wichtigen Bruchtheils der Staatsangehörigen, deren Integrität gegenüber der ungeheuren Steigerung der Preisverhältnisse einen harten Kampf zu bestehen hat, auf rationelle Weise zu heben ist. Denn man täusche sich nur nicht über den Werth der in neuerer Zeit den Beamten gewährten Gehaltsverbesserungen; dieselben waren fast überall das Signal für Anwendung der beliebten Tactik der Hauswirthe, den Miethswerth ihrer Häuser proteusartig zu heben. Dem Beamten wurde dadurch nicht blos die soeben erlangte Zulage wieder genommen, sondern auch der Begriff der Hei¬ math, des süßen „g.t tome," schlimmer als jemals durch die Nothwendigkeit vagirenden Nomadenlebens in Miethskasernen vergällt. Dabei blieb denn wenig für Ausgleichung der sonstigen Preissteigerungen übrig, durch welche der Kaufmann die Last des Geschäfts dem Consumenten aufzubürden pflegt. Wenn der Staat von seinem umfassenden Standpunkte aus in der Weise, wie es die Stephan'schen Organisationen zeigen, an der Lösung der socialen Frage für die Beamten sich betheiligt, so wird damit nicht bloß das düstere Gespenst des Pauperismus aus diesen Sphären verscheucht, son¬ dern es wird auch ein frischerer Geist in den Beamtenkreisen erweckt werden, der für die Belebung des Interesses an dem Gedeihen der Staatswohlfahrt von hoher Wichtigkeit ist, jenem Grundsatze edler Geistesanschauung gemäß, welcher in dem: xro rsxudliea est, aum luäsrs viäemur gipfelt. K. 1.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/37>, abgerufen am 22.07.2024.