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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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blick über den glänzenden Zustand der Staatseinnahmen im laufenden Jahre.
Dieser Zustand ist nicht etwa der französischen Kriegsentschädigung zu ver¬
danken, sondern lediglich dem Wachsthum der innern Einnahmequellen. Aller¬
dings aber muß man als Hauptförderungsmittel dieses Wachsthums die Er¬
gebnisse des Krieges von 1870--71 in Anschlag bringen: Das allgemeine
Vertrauen, wenn nicht auf den Frieden, doch auf die Kraft Deutschlands,
nöthigenfalls auch große Kriege ohne Störung seiner inneren Entwickelung
zu führen; ferner das Vertrauen auf eine glückliche Entwickelung der innern
Zustände Deutschlands, welche durch die Institution des deutschen Reiches
verbürgt erscheint. So weist denn die Verwaltung des Handelsministeriums,
welche die Bergwerks- und Eisenbahnverwaltung in sich begreift, in den drei
ersten Vierteljahren des laufenden Jahres gegen das Vorjahr eine Mehrein¬
nahme von über 10^ Millionen Thaler aus. Ferner hat die Stempelsteuer
in Folge der Periode der Häuserspeculation und der Spekulation mit Grund¬
stücken, sowie in Folge der Gründungsperiode ein ungewöhnlich hohes Er¬
trägnis? geliefert, dessen Ursachen wir freilich keine Fortdauer wünschen können.
Auch der Ertrag der directen wie der indirecten Steuern hat für das nächste
Jahr überall höher veranschlagt werden können, als im Vorjahr. Im Jahre
1873 werden ferner -- und dies ist die einzige Folge der französischen Kriegs¬
entschädigung im preußischen Staatshaushalt für 1873 -- die Matrikularbei-
träge für das Reich um 6 Millionen Thaler sich ermäßigen. Bei diesem
günstigen Zustand der Staatseinnahmen hat die Regierung in dem Haushalt
für 1873 eine Million Thaler zur Deckung der außerordentlichen Kosten aus¬
geworfen, welche die Einführung der neuen Kreisordnung erheischen wird.
Als eine neue dauernde Ausgabe erscheint die Vertheilung von 4^/z Millionen
Thaler jährlich zur Verfügung für die Provinzialzwecke an die ständischen
Organe derjenigen Provinzen, welche nicht wie Hannover und Hessen-Nassau
mit sogenannten Provinzialfonds ausgestattet sind. Außerdem sollen Schulden
im Betrag von 7 bis 8 Millionen Thaler getilgt werden. Die Civilbeamten ^
sollen erhöhte Gehaltszuschüsse zur Bestreitung ihrer Wohnungsausgaben er¬
halten im Betrage von über 2 Millionen Thaler. Ungefähr ebensoviel soll
für die bessere Versorgung der Anstalten für Kunst und Unterricht ausge¬
worfen werden.

Soviel zur vorläufigen Uebersicht. Bei einer Einnahme von über 206
Millionen betragen die dauernden Ausgaben des nächsten Jahres nach dem
vorgelegten Entwurf 183 Millionen, die außerordentlichen Ausgaben über
72/2 Million, wonach noch immer ein beträchtlicher Ueberschuß bleibt. Die
einzelnen Theile des Haushaltes werden uns noch beschäftigen, wenn wir
über die Berathung derselben durch den Landtag berichten. Dann werden
wir auch erst zu sprechen kommen auf die neue Aufstellung der Ausgabeposten,


blick über den glänzenden Zustand der Staatseinnahmen im laufenden Jahre.
Dieser Zustand ist nicht etwa der französischen Kriegsentschädigung zu ver¬
danken, sondern lediglich dem Wachsthum der innern Einnahmequellen. Aller¬
dings aber muß man als Hauptförderungsmittel dieses Wachsthums die Er¬
gebnisse des Krieges von 1870—71 in Anschlag bringen: Das allgemeine
Vertrauen, wenn nicht auf den Frieden, doch auf die Kraft Deutschlands,
nöthigenfalls auch große Kriege ohne Störung seiner inneren Entwickelung
zu führen; ferner das Vertrauen auf eine glückliche Entwickelung der innern
Zustände Deutschlands, welche durch die Institution des deutschen Reiches
verbürgt erscheint. So weist denn die Verwaltung des Handelsministeriums,
welche die Bergwerks- und Eisenbahnverwaltung in sich begreift, in den drei
ersten Vierteljahren des laufenden Jahres gegen das Vorjahr eine Mehrein¬
nahme von über 10^ Millionen Thaler aus. Ferner hat die Stempelsteuer
in Folge der Periode der Häuserspeculation und der Spekulation mit Grund¬
stücken, sowie in Folge der Gründungsperiode ein ungewöhnlich hohes Er¬
trägnis? geliefert, dessen Ursachen wir freilich keine Fortdauer wünschen können.
Auch der Ertrag der directen wie der indirecten Steuern hat für das nächste
Jahr überall höher veranschlagt werden können, als im Vorjahr. Im Jahre
1873 werden ferner — und dies ist die einzige Folge der französischen Kriegs¬
entschädigung im preußischen Staatshaushalt für 1873 — die Matrikularbei-
träge für das Reich um 6 Millionen Thaler sich ermäßigen. Bei diesem
günstigen Zustand der Staatseinnahmen hat die Regierung in dem Haushalt
für 1873 eine Million Thaler zur Deckung der außerordentlichen Kosten aus¬
geworfen, welche die Einführung der neuen Kreisordnung erheischen wird.
Als eine neue dauernde Ausgabe erscheint die Vertheilung von 4^/z Millionen
Thaler jährlich zur Verfügung für die Provinzialzwecke an die ständischen
Organe derjenigen Provinzen, welche nicht wie Hannover und Hessen-Nassau
mit sogenannten Provinzialfonds ausgestattet sind. Außerdem sollen Schulden
im Betrag von 7 bis 8 Millionen Thaler getilgt werden. Die Civilbeamten ^
sollen erhöhte Gehaltszuschüsse zur Bestreitung ihrer Wohnungsausgaben er¬
halten im Betrage von über 2 Millionen Thaler. Ungefähr ebensoviel soll
für die bessere Versorgung der Anstalten für Kunst und Unterricht ausge¬
worfen werden.

Soviel zur vorläufigen Uebersicht. Bei einer Einnahme von über 206
Millionen betragen die dauernden Ausgaben des nächsten Jahres nach dem
vorgelegten Entwurf 183 Millionen, die außerordentlichen Ausgaben über
72/2 Million, wonach noch immer ein beträchtlicher Ueberschuß bleibt. Die
einzelnen Theile des Haushaltes werden uns noch beschäftigen, wenn wir
über die Berathung derselben durch den Landtag berichten. Dann werden
wir auch erst zu sprechen kommen auf die neue Aufstellung der Ausgabeposten,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/242>, abgerufen am 22.07.2024.