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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Großartig und folgereich war die Heranziehung der Seeleute zum
Landdienste, welche aus allen französischen Häfen herangeführt wurden und
deren Oberbefehl in Paris der Admiral Saisset übernahm.

Nicht an Menschen, wohl aber an Officieren und Waffen, fehlte es bei der
gleichzeitig mit gesteigerter Energie in Angriff genommenen Organisirung der
Mobilgarde. Auch sie wurde in Regimenter formirt, deren Zahl am
3. September auf 53 gestiegen war. Die von Paris wurde aus dem Lager
von Chalons, wo sie sich jener wilden Excesse schuldig gemacht, wieder nach der
Hauptstadt zurück gesandt, und überhaupt ist in dieser Periode des Krieges
die Mobilgarde nur zur Besetzung von Städten und Festungen verwendet
worden. ,

Am 11. August forderte der Minister des Innern die Präfecten auf,
freiwillige Bürgerwehren oder Freischütze ncorps zu bilden, damit diese
gegen den Feind marschirten. Sie sollten Alles in Allem täglich 1 Frank und
verabschiedete Officiere zu Führern erhalten. Am Schluß heißt es: "Handeln
Sie, handeln Sie ohne Verzug; die Landesbewaffnung möge Ihre beständige
Sorge sein!" Waffen wurden den Freiwilligen verheißen, fürs Erste sollten sie
sich mit den Flinten der Feuerwehr im Schießen einüben.

Die wirklichen Leistungen waren um diese Zeit noch ganz ungenügend.
Zwar wurden an vielen Orten bedeutende Summen zur Ausrüstung von Frei¬
corps und zur Organisation des Widerstandes dargeboten; aber es war keine
Einheit und Folgerichtigkeit in diesen Bestrebungen. Der Impuls zu dem
später kräftiger auftretenden Parteigängerwesen, welches uns Deutschen oftmals
so unbequem, den Franzosen aber so verderblich geworden ist, stammt indeß
schon aus dieser Zeit. Sämmtliche größere Städte Frankreichs, wie Lilie,
Marseille, Nantes u. s. w. folgten Paris nach und errichteten Freicorps; ja
Marseille stellte sogar eine berittene Schaar, die den Namen Volontmres
cdeval erhielt. Bombonnel, der bekannte Pantherjäger, organisirte zu Dijon
eine Freischützencompagnie des Departements Cüte d'or,*) und fast alle Behörden
forderten in der leidenschaftlichsten Weise zum bewaffneten Widerstande auf.
Hieran aber knüpfte sich eine lange Reihe der allertraurigsten Erscheinungen.
Nicht das war schlimm, daß sich allenthalben aufgeputzte Bataillons clW vsn-
gours, tlos oui-8, des mei^xiäes und tgi. bildeten und in den Straßen
der Städte als Beduinen oder Hochschotten ausstaffirt, umherbummelten.
Höchst schädlich, und zumal für Frankreich selbst, jedoch war es, daß sich ein
nichtswürdiges Buschklepper- und Strauchdieb-Wesen durch jene Aufrufe zu
jeder Schandthat berechtigt hielt und unter der Maske des Patriotismus
den verbrecherischen Gelüsten und dem Blutdurst fröhnte, und sich all den



') C. Adami a. a. O.

Großartig und folgereich war die Heranziehung der Seeleute zum
Landdienste, welche aus allen französischen Häfen herangeführt wurden und
deren Oberbefehl in Paris der Admiral Saisset übernahm.

Nicht an Menschen, wohl aber an Officieren und Waffen, fehlte es bei der
gleichzeitig mit gesteigerter Energie in Angriff genommenen Organisirung der
Mobilgarde. Auch sie wurde in Regimenter formirt, deren Zahl am
3. September auf 53 gestiegen war. Die von Paris wurde aus dem Lager
von Chalons, wo sie sich jener wilden Excesse schuldig gemacht, wieder nach der
Hauptstadt zurück gesandt, und überhaupt ist in dieser Periode des Krieges
die Mobilgarde nur zur Besetzung von Städten und Festungen verwendet
worden. ,

Am 11. August forderte der Minister des Innern die Präfecten auf,
freiwillige Bürgerwehren oder Freischütze ncorps zu bilden, damit diese
gegen den Feind marschirten. Sie sollten Alles in Allem täglich 1 Frank und
verabschiedete Officiere zu Führern erhalten. Am Schluß heißt es: „Handeln
Sie, handeln Sie ohne Verzug; die Landesbewaffnung möge Ihre beständige
Sorge sein!" Waffen wurden den Freiwilligen verheißen, fürs Erste sollten sie
sich mit den Flinten der Feuerwehr im Schießen einüben.

Die wirklichen Leistungen waren um diese Zeit noch ganz ungenügend.
Zwar wurden an vielen Orten bedeutende Summen zur Ausrüstung von Frei¬
corps und zur Organisation des Widerstandes dargeboten; aber es war keine
Einheit und Folgerichtigkeit in diesen Bestrebungen. Der Impuls zu dem
später kräftiger auftretenden Parteigängerwesen, welches uns Deutschen oftmals
so unbequem, den Franzosen aber so verderblich geworden ist, stammt indeß
schon aus dieser Zeit. Sämmtliche größere Städte Frankreichs, wie Lilie,
Marseille, Nantes u. s. w. folgten Paris nach und errichteten Freicorps; ja
Marseille stellte sogar eine berittene Schaar, die den Namen Volontmres
cdeval erhielt. Bombonnel, der bekannte Pantherjäger, organisirte zu Dijon
eine Freischützencompagnie des Departements Cüte d'or,*) und fast alle Behörden
forderten in der leidenschaftlichsten Weise zum bewaffneten Widerstande auf.
Hieran aber knüpfte sich eine lange Reihe der allertraurigsten Erscheinungen.
Nicht das war schlimm, daß sich allenthalben aufgeputzte Bataillons clW vsn-
gours, tlos oui-8, des mei^xiäes und tgi. bildeten und in den Straßen
der Städte als Beduinen oder Hochschotten ausstaffirt, umherbummelten.
Höchst schädlich, und zumal für Frankreich selbst, jedoch war es, daß sich ein
nichtswürdiges Buschklepper- und Strauchdieb-Wesen durch jene Aufrufe zu
jeder Schandthat berechtigt hielt und unter der Maske des Patriotismus
den verbrecherischen Gelüsten und dem Blutdurst fröhnte, und sich all den



') C. Adami a. a. O.
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[0192] Großartig und folgereich war die Heranziehung der Seeleute zum Landdienste, welche aus allen französischen Häfen herangeführt wurden und deren Oberbefehl in Paris der Admiral Saisset übernahm. Nicht an Menschen, wohl aber an Officieren und Waffen, fehlte es bei der gleichzeitig mit gesteigerter Energie in Angriff genommenen Organisirung der Mobilgarde. Auch sie wurde in Regimenter formirt, deren Zahl am 3. September auf 53 gestiegen war. Die von Paris wurde aus dem Lager von Chalons, wo sie sich jener wilden Excesse schuldig gemacht, wieder nach der Hauptstadt zurück gesandt, und überhaupt ist in dieser Periode des Krieges die Mobilgarde nur zur Besetzung von Städten und Festungen verwendet worden. , Am 11. August forderte der Minister des Innern die Präfecten auf, freiwillige Bürgerwehren oder Freischütze ncorps zu bilden, damit diese gegen den Feind marschirten. Sie sollten Alles in Allem täglich 1 Frank und verabschiedete Officiere zu Führern erhalten. Am Schluß heißt es: „Handeln Sie, handeln Sie ohne Verzug; die Landesbewaffnung möge Ihre beständige Sorge sein!" Waffen wurden den Freiwilligen verheißen, fürs Erste sollten sie sich mit den Flinten der Feuerwehr im Schießen einüben. Die wirklichen Leistungen waren um diese Zeit noch ganz ungenügend. Zwar wurden an vielen Orten bedeutende Summen zur Ausrüstung von Frei¬ corps und zur Organisation des Widerstandes dargeboten; aber es war keine Einheit und Folgerichtigkeit in diesen Bestrebungen. Der Impuls zu dem später kräftiger auftretenden Parteigängerwesen, welches uns Deutschen oftmals so unbequem, den Franzosen aber so verderblich geworden ist, stammt indeß schon aus dieser Zeit. Sämmtliche größere Städte Frankreichs, wie Lilie, Marseille, Nantes u. s. w. folgten Paris nach und errichteten Freicorps; ja Marseille stellte sogar eine berittene Schaar, die den Namen Volontmres cdeval erhielt. Bombonnel, der bekannte Pantherjäger, organisirte zu Dijon eine Freischützencompagnie des Departements Cüte d'or,*) und fast alle Behörden forderten in der leidenschaftlichsten Weise zum bewaffneten Widerstande auf. Hieran aber knüpfte sich eine lange Reihe der allertraurigsten Erscheinungen. Nicht das war schlimm, daß sich allenthalben aufgeputzte Bataillons clW vsn- gours, tlos oui-8, des mei^xiäes und tgi. bildeten und in den Straßen der Städte als Beduinen oder Hochschotten ausstaffirt, umherbummelten. Höchst schädlich, und zumal für Frankreich selbst, jedoch war es, daß sich ein nichtswürdiges Buschklepper- und Strauchdieb-Wesen durch jene Aufrufe zu jeder Schandthat berechtigt hielt und unter der Maske des Patriotismus den verbrecherischen Gelüsten und dem Blutdurst fröhnte, und sich all den ') C. Adami a. a. O.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/192>, abgerufen am 22.07.2024.