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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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schen Verfassung kühle Zurückhaltung. Als die Commissäre sich den Präsi¬
denten Gagern nachkommen ließen, erlangte dieser zwar wiederholt, und
namentlich am 27. November eine mehrstündige Audienz beim König, mußte
indessen schon damals auf das Angebot der Deutschen Kaiserkrone aus des
Königs Munde Worte hören wie diese: "Das Haus Habsburg steht voran
und ich bin kein Friedrich I. oder Friedrich II." " Wenn Oesterreich aus¬
schiede, so würde Deutschland ein getheiltes oder gemindertes sein, und ich
mag nicht der erste Kaiser sein, der eine verstümmelte Krone trüge."

So niederschlagend solche Aeußerungen indessen fürs Erste wirken mochten,
allmählig richtete sich die Partei wieder auf an der Zuversicht, daß Preußen die
vollendete Thatsache der Kaiserwahl nicht werde von sich weisen können, ohne
mit allen nationalen Traditionen seiner Politik zu brechen. Unter Glocken¬
geläute und Kanonendonner wurde am 28. März 1849 König Friedrich Wil¬
helm zum Kaiser von Deutschland gewählt. An der Spitze der großen Kaiser¬
deputation, in welcher Arndt, Dahlmann, Mittermaier, Raumer, Biedermann,
Zachariä U.A. hervorragten, reiste Simson nach Berlin. Die Führung dieser
denkwürdigen Deputation fiel ihm zu, da er seit dem Eintritte Gagern's in
das Reichsministerium an Schmerling's Stelle, Mitte December zum ersten
Präsidenten der Nationalversammlung gewählt und seither von vier zu vier
Wochen wiedergewählt worden war. Die Aufnahme und das Schicksal der
Kaiserdeputation sind bekannt, weniger bekannt aber, daß die Deputation
selbst, eben so wie der Hof. sehr getheilter Ansicht darüber war. ob in der
königlichen Antwort eine Zurückweisung der Kaiserkrone liege oder nicht.
Als entschiedene Zurückweisung empfand die Antwort Simson. Er war noch
aufs tiefste erschüttert und erregt, als die Stunde der Königlichen Tafel
schlug, die im Schloß Bellevue eingenommen wurde. Simson saß zur Linken
des Königs. Auch der König war sehr aufgeregt, und gegen, einige Mitglie¬
der der Deputation, wie namentlich den Vertreter für Lauenburg, hart und
abstoßend. Zwischen dem König und Simson wurde die Discussion bei Tafel
so scharf und rasch, daß die Höflinge sich auf eine Katastrophe gefaßt machten.
Das versöhnlichste Gegenstück zu diesem peinlichen Diner bildete dagegen der
Abend desselben Tages, wo die Deputation zum Prinzen von Preußen, dem
jetzigen Kaiser, zu Thee geladen war. In den Kreisen des Prinzen wurde
die Antwort des Königs keineswegs als Ablehnung aufgefaßt. - Die Gela¬
denen speisten an kleinen Tischen, zu vier oder sechs Personen. Augusta, die
Prinzessin von Preußen, vertrat ihren Tischgenossen gegenüber lebhaft und
beredt die Ueberzeugung, daß die Antwort des Königs keine Ablehnung ent¬
halte. Bekümmert äußerten dagegen Simson und die übrigen Abgeordneten,
die mit der Prinzessin an einem Tische saßen, ihre gegentheilige Ueberzeugung.
Datrat der Prinz von Preußen lächelnd mit den Worten hinzu: "Ich glaube


schen Verfassung kühle Zurückhaltung. Als die Commissäre sich den Präsi¬
denten Gagern nachkommen ließen, erlangte dieser zwar wiederholt, und
namentlich am 27. November eine mehrstündige Audienz beim König, mußte
indessen schon damals auf das Angebot der Deutschen Kaiserkrone aus des
Königs Munde Worte hören wie diese: „Das Haus Habsburg steht voran
und ich bin kein Friedrich I. oder Friedrich II." „ Wenn Oesterreich aus¬
schiede, so würde Deutschland ein getheiltes oder gemindertes sein, und ich
mag nicht der erste Kaiser sein, der eine verstümmelte Krone trüge."

So niederschlagend solche Aeußerungen indessen fürs Erste wirken mochten,
allmählig richtete sich die Partei wieder auf an der Zuversicht, daß Preußen die
vollendete Thatsache der Kaiserwahl nicht werde von sich weisen können, ohne
mit allen nationalen Traditionen seiner Politik zu brechen. Unter Glocken¬
geläute und Kanonendonner wurde am 28. März 1849 König Friedrich Wil¬
helm zum Kaiser von Deutschland gewählt. An der Spitze der großen Kaiser¬
deputation, in welcher Arndt, Dahlmann, Mittermaier, Raumer, Biedermann,
Zachariä U.A. hervorragten, reiste Simson nach Berlin. Die Führung dieser
denkwürdigen Deputation fiel ihm zu, da er seit dem Eintritte Gagern's in
das Reichsministerium an Schmerling's Stelle, Mitte December zum ersten
Präsidenten der Nationalversammlung gewählt und seither von vier zu vier
Wochen wiedergewählt worden war. Die Aufnahme und das Schicksal der
Kaiserdeputation sind bekannt, weniger bekannt aber, daß die Deputation
selbst, eben so wie der Hof. sehr getheilter Ansicht darüber war. ob in der
königlichen Antwort eine Zurückweisung der Kaiserkrone liege oder nicht.
Als entschiedene Zurückweisung empfand die Antwort Simson. Er war noch
aufs tiefste erschüttert und erregt, als die Stunde der Königlichen Tafel
schlug, die im Schloß Bellevue eingenommen wurde. Simson saß zur Linken
des Königs. Auch der König war sehr aufgeregt, und gegen, einige Mitglie¬
der der Deputation, wie namentlich den Vertreter für Lauenburg, hart und
abstoßend. Zwischen dem König und Simson wurde die Discussion bei Tafel
so scharf und rasch, daß die Höflinge sich auf eine Katastrophe gefaßt machten.
Das versöhnlichste Gegenstück zu diesem peinlichen Diner bildete dagegen der
Abend desselben Tages, wo die Deputation zum Prinzen von Preußen, dem
jetzigen Kaiser, zu Thee geladen war. In den Kreisen des Prinzen wurde
die Antwort des Königs keineswegs als Ablehnung aufgefaßt. - Die Gela¬
denen speisten an kleinen Tischen, zu vier oder sechs Personen. Augusta, die
Prinzessin von Preußen, vertrat ihren Tischgenossen gegenüber lebhaft und
beredt die Ueberzeugung, daß die Antwort des Königs keine Ablehnung ent¬
halte. Bekümmert äußerten dagegen Simson und die übrigen Abgeordneten,
die mit der Prinzessin an einem Tische saßen, ihre gegentheilige Ueberzeugung.
Datrat der Prinz von Preußen lächelnd mit den Worten hinzu: „Ich glaube


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/18>, abgerufen am 22.07.2024.