Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.jetzigen Herzog von Ratibor, die bequemere Aufgabe bevorstand, das Als der Vater am 14. Januar 1841 starb, stand Clodwig am Ausgang Während Hohenlohe nämlich in Preußen ruhig am Actentisch arbeitete, jetzigen Herzog von Ratibor, die bequemere Aufgabe bevorstand, das Als der Vater am 14. Januar 1841 starb, stand Clodwig am Ausgang Während Hohenlohe nämlich in Preußen ruhig am Actentisch arbeitete, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0050" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127978"/> <p xml:id="ID_124" prev="#ID_123"> jetzigen Herzog von Ratibor, die bequemere Aufgabe bevorstand, das<lb/> Majoratserbe anzutreten.</p><lb/> <p xml:id="ID_125"> Als der Vater am 14. Januar 1841 starb, stand Clodwig am Ausgang<lb/> seiner in Götting'en, Heidelberg und Bonn getriebenen juristischen und historisch-<lb/> politischer Studien. Ein Jahr später trat er, nach ehrenvoll bestandenen<lb/> Examen, auf die unterste Staffel des bildungsreichen, harten, preußischen<lb/> Justiz- und Verwaltungsdienstes, als Auscultator am Justizamt zu Ehren-<lb/> breitenstein; er zeigte sich hier und in Potsdam, wohin er als Referendar bei<lb/> der Negierung bald darauf versetzt wurde, als ein sehr fleißiger, tüchtiger<lb/> Arbeiter. Und doch brachte auch ein Fürst Hohenlohe in vier Jahren in<lb/> Preußen sich nicht weiter, als bis zum Referendar. Er war trotzdem fest ent¬<lb/> schlossen, dort, im Staate seiner Wahl, sich den Weg nach oben in geduldiger<lb/> Ausdauer zu bahnen, als plötzlich unvorhergesehene Ereignisse ihm einen durch¬<lb/> aus andern Wirkungskreis zuwiesen.</p><lb/> <p xml:id="ID_126" next="#ID_127"> Während Hohenlohe nämlich in Preußen ruhig am Actentisch arbeitete,<lb/> war der Landgraf von Hessen-Rheinfels-Rothenburg gestorben und hatte die<lb/> fürstliche Familie Hohenlohe-Schillingsfürst als Erbin seines sehr bedeutenden<lb/> Vermögens, namentlich auch der Herrschaften Ratibor und Corvey, hinter¬<lb/> lassen. Durch die Zuströmung dieser ungewöhnlichen Reichthümer hatte sich<lb/> Clodwig in seinem Borsatz, zunächst preußischer Assessor zu werden, weiter nicht<lb/> stören lassen. Sein älterer Bruder übernahm die Herrschaften Ratibor und<lb/> Corvey, mit denen Friedrich Wilhelm IV. den Herzogstitel verknüpfte. Dem<lb/> jüngeren Bruder Philipp Ernst überließen die beiden älteren brüderlich die<lb/> Standesherrschaft Schillingsfürst im bayerischen Regierungsbezirk Mittelfranken,<lb/> und Clodwig — arbeitete weiter. Da starb im Jahre 1845 plötzlich der<lb/> Bruder Philipp Ernst, und nun allerdings war Clodwigs Pflicht, sich des<lb/> verwaisten großen Familiensitzes anzunehmen, der ihm durch Verzicht seines<lb/> älteren Bruders zugefallen war. Er verließ also den preußischen Staatsdienst<lb/> und nahm seinen Wohnsitz vom 12. Februar 1846 an dauernd in Bayern.<lb/> Er war damit zu einem der vornehmsten Standesherren der Krone Bayern<lb/> geworden, und noch im Jahr 1846 ward der siebenundzwanzigjährige Mann<lb/> als erbliches Mitglied in die Kammer der Reichsrathe des Königreichs Bayern<lb/> eingeführt. Die nur mittelgroße, äußerst feine, schlanke Gestalt, mit dem ehr¬<lb/> lichen, freien, prüfenden Auge, dem stillen, gewinnenden Lächeln, und —<lb/> seine reiche, sauer erworbene staatsmännische und juristische Vorbildung<lb/> und Praxis stach grell und sehr zu seinem Vortheil ab gegen die Durch¬<lb/> schnittsschablone dessen, was durch Blut, Amt oder Verfassung zum<lb/> bayerischen Reichsrath bestimmt war. Auch in seinem Auftreten in der Kam¬<lb/> mer, seiner entschieden freisinnigen, mit den großen Traditionen Steins<lb/> erfüllten Staatsanschauung stand er vereinsamt unter seinen erlauchten Star-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
jetzigen Herzog von Ratibor, die bequemere Aufgabe bevorstand, das
Majoratserbe anzutreten.
Als der Vater am 14. Januar 1841 starb, stand Clodwig am Ausgang
seiner in Götting'en, Heidelberg und Bonn getriebenen juristischen und historisch-
politischer Studien. Ein Jahr später trat er, nach ehrenvoll bestandenen
Examen, auf die unterste Staffel des bildungsreichen, harten, preußischen
Justiz- und Verwaltungsdienstes, als Auscultator am Justizamt zu Ehren-
breitenstein; er zeigte sich hier und in Potsdam, wohin er als Referendar bei
der Negierung bald darauf versetzt wurde, als ein sehr fleißiger, tüchtiger
Arbeiter. Und doch brachte auch ein Fürst Hohenlohe in vier Jahren in
Preußen sich nicht weiter, als bis zum Referendar. Er war trotzdem fest ent¬
schlossen, dort, im Staate seiner Wahl, sich den Weg nach oben in geduldiger
Ausdauer zu bahnen, als plötzlich unvorhergesehene Ereignisse ihm einen durch¬
aus andern Wirkungskreis zuwiesen.
Während Hohenlohe nämlich in Preußen ruhig am Actentisch arbeitete,
war der Landgraf von Hessen-Rheinfels-Rothenburg gestorben und hatte die
fürstliche Familie Hohenlohe-Schillingsfürst als Erbin seines sehr bedeutenden
Vermögens, namentlich auch der Herrschaften Ratibor und Corvey, hinter¬
lassen. Durch die Zuströmung dieser ungewöhnlichen Reichthümer hatte sich
Clodwig in seinem Borsatz, zunächst preußischer Assessor zu werden, weiter nicht
stören lassen. Sein älterer Bruder übernahm die Herrschaften Ratibor und
Corvey, mit denen Friedrich Wilhelm IV. den Herzogstitel verknüpfte. Dem
jüngeren Bruder Philipp Ernst überließen die beiden älteren brüderlich die
Standesherrschaft Schillingsfürst im bayerischen Regierungsbezirk Mittelfranken,
und Clodwig — arbeitete weiter. Da starb im Jahre 1845 plötzlich der
Bruder Philipp Ernst, und nun allerdings war Clodwigs Pflicht, sich des
verwaisten großen Familiensitzes anzunehmen, der ihm durch Verzicht seines
älteren Bruders zugefallen war. Er verließ also den preußischen Staatsdienst
und nahm seinen Wohnsitz vom 12. Februar 1846 an dauernd in Bayern.
Er war damit zu einem der vornehmsten Standesherren der Krone Bayern
geworden, und noch im Jahr 1846 ward der siebenundzwanzigjährige Mann
als erbliches Mitglied in die Kammer der Reichsrathe des Königreichs Bayern
eingeführt. Die nur mittelgroße, äußerst feine, schlanke Gestalt, mit dem ehr¬
lichen, freien, prüfenden Auge, dem stillen, gewinnenden Lächeln, und —
seine reiche, sauer erworbene staatsmännische und juristische Vorbildung
und Praxis stach grell und sehr zu seinem Vortheil ab gegen die Durch¬
schnittsschablone dessen, was durch Blut, Amt oder Verfassung zum
bayerischen Reichsrath bestimmt war. Auch in seinem Auftreten in der Kam¬
mer, seiner entschieden freisinnigen, mit den großen Traditionen Steins
erfüllten Staatsanschauung stand er vereinsamt unter seinen erlauchten Star-
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