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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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alte Höhe zu bringen, blieben unausführbar. -- Ende September waren, unter
Errechnung des Corps von Augereau. welches von Würzburg heranzog, 228,000
Mann unter dem directen Befehl Napoleon's vereinigt. In den vierzehntägi¬
ger Kämpfen, den beständigen ruhelosen Märschen der ersten Hälfte des October
verlor jedoch seine Armee durch die Waffen, die Krankheiten und die Desertion
mehr als 23,000 Mann. So wesentlich geschwächt schlug sie bei Leipzig.
Es waren das II. bis IX. Armee-Corps (Victor, Ney, Bertrand, Lauriston,
Marmont, Reynier, Poniatowski, Augereau), das XI. Corps (Macdonald),
die Garden unter Oudinot und Mortier und die fünf Reitercorps. Die
Trümmer des I. Corps und das XIV. Corps (Gouvion Se. Cyr) hielten
Dresden; das XII. Corps war zur Ergänzung der Lücken in den anderen,
stark gelichteten, aufgelöst worden; das X. und XIII. Corps (Rapp und Da-
voust) hielten Danzig und Hamburg. -- Es ist hier nicht der Ort, irgend wie
auf eine Schilderung der Schlacht einzugehen. Nur einen Punct hervor zu
heben, wollen wir nicht versäumen, weil er ein scharfes Licht auf die anti¬
nationale Natur auch nach der Großen Armee von 1813 wirft: Man mag
von dem Uebergang der sach fischen Truppen zu den Verbündeten vom
exclusiv militärischen Standpunct denken, wie man will: daß es ein nationaler
Naturproceß war, der sich in ihm vollzog, das wird Niemand läugnen wollen!

Dem gegenüber wolle man aber auch nicht vergessen, daß es zumeist ba¬
dische Infanterie war, welche bis zum letzten Augenblicke mit äußerster Hin¬
gebung die Stadt Leipzig vertheidigte und dem fliehenden Imperator den Rücken
deckte, als (die junge Garde ausgenommen) sonst alle französische Truppen
bereits in regelloser Flucht der Saale zueilten.

Napoleon's Verlust bei Leipzig berechnet sich auf 15,000 Todte, 15,000
Verwundete, 15,000 Gefangene, 23,000 in den Hospitälern zurückgelassene
Kranke -- aber diese große Einbuße wurde noch übertroffen von der, welche
er auf der Flucht erlitt. Noch etwa 80,000 Mann stark, langte die Armee
am Saalfluß an, kaum aber hatte sie das linke Ufer erreicht und fühlte sich
den unmittelbaren Schlägen des Feindes weniger ausgesetzt, als mit der Ge¬
fahr auch der letzte Rest von irgend welcher Ordnung schwand. Ungeheuere
Banden von Entlaufenen wälzten sich rechts und links der Straßen westwärts,
Banden, für welche die, die sich bei den Fahnen hielten, den neuen Namen
"?rieoteurs" (Fresser) in Aufnahme brachten. "II ins Kilt nich nommos et
non ass eiMnts. 0u n'sse Mg xlus brave: pu<z notrs jeunosse; mais, sens
horch, eile peuxls Iss nöpiwux, et weine, g, In, woincZrs ineeititucis, eetts
jsunWSö montrs le cara-etorö ac son II Amt ass Iiommes xour ü6-
kLvärs la Kranes." So schrieb Napoleon fünf Tage nach der Leipziger Schlacht
an den Kriegsminister. Aber wer hatte denn diese "Kinder" zu den Waffen
gerufen? Wer hatte denn die Blüthe der Männlichkeit auf allen Schlachtsel-


alte Höhe zu bringen, blieben unausführbar. — Ende September waren, unter
Errechnung des Corps von Augereau. welches von Würzburg heranzog, 228,000
Mann unter dem directen Befehl Napoleon's vereinigt. In den vierzehntägi¬
ger Kämpfen, den beständigen ruhelosen Märschen der ersten Hälfte des October
verlor jedoch seine Armee durch die Waffen, die Krankheiten und die Desertion
mehr als 23,000 Mann. So wesentlich geschwächt schlug sie bei Leipzig.
Es waren das II. bis IX. Armee-Corps (Victor, Ney, Bertrand, Lauriston,
Marmont, Reynier, Poniatowski, Augereau), das XI. Corps (Macdonald),
die Garden unter Oudinot und Mortier und die fünf Reitercorps. Die
Trümmer des I. Corps und das XIV. Corps (Gouvion Se. Cyr) hielten
Dresden; das XII. Corps war zur Ergänzung der Lücken in den anderen,
stark gelichteten, aufgelöst worden; das X. und XIII. Corps (Rapp und Da-
voust) hielten Danzig und Hamburg. — Es ist hier nicht der Ort, irgend wie
auf eine Schilderung der Schlacht einzugehen. Nur einen Punct hervor zu
heben, wollen wir nicht versäumen, weil er ein scharfes Licht auf die anti¬
nationale Natur auch nach der Großen Armee von 1813 wirft: Man mag
von dem Uebergang der sach fischen Truppen zu den Verbündeten vom
exclusiv militärischen Standpunct denken, wie man will: daß es ein nationaler
Naturproceß war, der sich in ihm vollzog, das wird Niemand läugnen wollen!

Dem gegenüber wolle man aber auch nicht vergessen, daß es zumeist ba¬
dische Infanterie war, welche bis zum letzten Augenblicke mit äußerster Hin¬
gebung die Stadt Leipzig vertheidigte und dem fliehenden Imperator den Rücken
deckte, als (die junge Garde ausgenommen) sonst alle französische Truppen
bereits in regelloser Flucht der Saale zueilten.

Napoleon's Verlust bei Leipzig berechnet sich auf 15,000 Todte, 15,000
Verwundete, 15,000 Gefangene, 23,000 in den Hospitälern zurückgelassene
Kranke — aber diese große Einbuße wurde noch übertroffen von der, welche
er auf der Flucht erlitt. Noch etwa 80,000 Mann stark, langte die Armee
am Saalfluß an, kaum aber hatte sie das linke Ufer erreicht und fühlte sich
den unmittelbaren Schlägen des Feindes weniger ausgesetzt, als mit der Ge¬
fahr auch der letzte Rest von irgend welcher Ordnung schwand. Ungeheuere
Banden von Entlaufenen wälzten sich rechts und links der Straßen westwärts,
Banden, für welche die, die sich bei den Fahnen hielten, den neuen Namen
„?rieoteurs" (Fresser) in Aufnahme brachten. „II ins Kilt nich nommos et
non ass eiMnts. 0u n'sse Mg xlus brave: pu<z notrs jeunosse; mais, sens
horch, eile peuxls Iss nöpiwux, et weine, g, In, woincZrs ineeititucis, eetts
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kLvärs la Kranes." So schrieb Napoleon fünf Tage nach der Leipziger Schlacht
an den Kriegsminister. Aber wer hatte denn diese „Kinder" zu den Waffen
gerufen? Wer hatte denn die Blüthe der Männlichkeit auf allen Schlachtsel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/341>, abgerufen am 22.07.2024.