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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Conscription von 1812 und ihre Vorläufer waren also ab-
sorbirt, wenigstens so weit, als sie gesetzlich disponibel waren.

Aber es gab noch andere Hilfsquellen. Jene 1700 Pra - Conseribirte
hatten zur Completirung der Kohorten gedient, und diese Institution, über
deren Entstehung wir früher (Heft 11 Seite 412) berichtet, sollte jetzt wichtig
werden. Zuweilen freiwillig, öfter provocirt, wurde in den Kohorten der
Wunsch laut, ins Feld zu ziehn. Nicht eine französische, sondern eine Kohorte
im äußersten Holland richtete zuerst diesen Wunsch an den Kaiser, der ihre
Adresse sogleich im Moniteur veröffentlichen ließ, und nun begann die Bewe¬
gung unter officiellen Einfluß allgemein zu werden. Am 11. Januar 1813
verordnete ein Senat-Consult: Die 100 Kohorten des ersten Baums
hören auf, ein Bestandtheil der Nationalgarde zu sein und
treten zur Armee über. Sachlich war das auch ganz angemessen; denn
die Mannschaft war zwischen 20 und 25 Jahren alt und etwa 10 Monat
lang exercirt worden; rechtlich war es bedenklich, da man den Kohorten bei
ihrer Aufstellung ausdrücklich zugesichert hatte, daß sie lediglich zur Terri¬
torialvertheidigung gebraucht werden sollten. Aber an dergleichen kehrte sich
Napoleon gar nicht. Eilboten überbrachten den Kohorten jenen Befehl und
vierundzwanzig Stunden später befanden sie sich bereits auf dem Marsch nach
allen Richtungen der Windrose. Die Kohorten (es waren übrigens nur 88)
wurden zu je vieren in 22 Linienregimenter formirt mit einer Gesammt-
Feldstärke von 78,000 Mann.")

Die Artillerie-Compagnien, welche immer nur nominell den
Kohorten attachirt gewesen, wurden nun definitiv von den neuen Regimentern
getrennt und zu 3 Artillerie-Regimentern a Suns der Armee vereinigt, welche
durchaus tüchtig und wol instruirt waren. -- Die so gebildete Streitmacht
stellte sofort 11 Regimenter unter dem General Lauriston als Obser-
vations-Corps der Elbe zur Unterstützung der Heerestrümmer, welche
Prinz Eugen vom Pregel an Elbe und Saale zurückführte, ferner 8 Regi¬
menter als Kern eines unter N e y's Befehl bei Mainz zu formirenden 1. Ob-
servations-Corps des Rheins und 3 Regimenter zu dem vom General
Bertrand gebildeten Observations corp s von Italien. Das Material
an Mannschaft, welche diese neuen Regimenter enthielten, war ohne Zweifel
gut und tüchtig, was ihnen aber in empfindlicher Weise abging, das waren
brauchbare Officiere. Verabschiedete, oft völlig verwahrloste Officiere hatten
die Ausbildung der Kohorten geleitet; aber wenn ihnen auch die Dressur gelungen



Jedes dieser Regimenter (Ur. 135 bis 156) bestand aus 4 Kriegsvataillonen zu je K
Compagnien von 15" Mann und einem Depotbataillon, das aus den 4 alten Dcpotcompag-
nien der Kohorten formirt ward.

Conscription von 1812 und ihre Vorläufer waren also ab-
sorbirt, wenigstens so weit, als sie gesetzlich disponibel waren.

Aber es gab noch andere Hilfsquellen. Jene 1700 Pra - Conseribirte
hatten zur Completirung der Kohorten gedient, und diese Institution, über
deren Entstehung wir früher (Heft 11 Seite 412) berichtet, sollte jetzt wichtig
werden. Zuweilen freiwillig, öfter provocirt, wurde in den Kohorten der
Wunsch laut, ins Feld zu ziehn. Nicht eine französische, sondern eine Kohorte
im äußersten Holland richtete zuerst diesen Wunsch an den Kaiser, der ihre
Adresse sogleich im Moniteur veröffentlichen ließ, und nun begann die Bewe¬
gung unter officiellen Einfluß allgemein zu werden. Am 11. Januar 1813
verordnete ein Senat-Consult: Die 100 Kohorten des ersten Baums
hören auf, ein Bestandtheil der Nationalgarde zu sein und
treten zur Armee über. Sachlich war das auch ganz angemessen; denn
die Mannschaft war zwischen 20 und 25 Jahren alt und etwa 10 Monat
lang exercirt worden; rechtlich war es bedenklich, da man den Kohorten bei
ihrer Aufstellung ausdrücklich zugesichert hatte, daß sie lediglich zur Terri¬
torialvertheidigung gebraucht werden sollten. Aber an dergleichen kehrte sich
Napoleon gar nicht. Eilboten überbrachten den Kohorten jenen Befehl und
vierundzwanzig Stunden später befanden sie sich bereits auf dem Marsch nach
allen Richtungen der Windrose. Die Kohorten (es waren übrigens nur 88)
wurden zu je vieren in 22 Linienregimenter formirt mit einer Gesammt-
Feldstärke von 78,000 Mann.")

Die Artillerie-Compagnien, welche immer nur nominell den
Kohorten attachirt gewesen, wurden nun definitiv von den neuen Regimentern
getrennt und zu 3 Artillerie-Regimentern a Suns der Armee vereinigt, welche
durchaus tüchtig und wol instruirt waren. — Die so gebildete Streitmacht
stellte sofort 11 Regimenter unter dem General Lauriston als Obser-
vations-Corps der Elbe zur Unterstützung der Heerestrümmer, welche
Prinz Eugen vom Pregel an Elbe und Saale zurückführte, ferner 8 Regi¬
menter als Kern eines unter N e y's Befehl bei Mainz zu formirenden 1. Ob-
servations-Corps des Rheins und 3 Regimenter zu dem vom General
Bertrand gebildeten Observations corp s von Italien. Das Material
an Mannschaft, welche diese neuen Regimenter enthielten, war ohne Zweifel
gut und tüchtig, was ihnen aber in empfindlicher Weise abging, das waren
brauchbare Officiere. Verabschiedete, oft völlig verwahrloste Officiere hatten
die Ausbildung der Kohorten geleitet; aber wenn ihnen auch die Dressur gelungen



Jedes dieser Regimenter (Ur. 135 bis 156) bestand aus 4 Kriegsvataillonen zu je K
Compagnien von 15» Mann und einem Depotbataillon, das aus den 4 alten Dcpotcompag-
nien der Kohorten formirt ward.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/327>, abgerufen am 22.07.2024.