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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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-- aber gewiß nicht die letzte! -- ist durch buddhistische Götzenbilder, Kohlen,
Eisen und chinesische Torturinstrumente auf der Ausstellung vertreten!

Die Ausstellung zeigt, daß Turkestan für Rußland ein höchst werthvoller
Besitz ist. Von den Eingebornen seines eignen Werthes und der dürren Um¬
gebung wegen ein in Sand gefaßter Edelstein genannt, wird Mittelasien
gewiß unter den Ländern des fernen Ostens eine große Rolle spielen. Die
europäische Civilisation beginnt dort den Sumpf der orientalischen-socialen
Verhältnisse auszutrocknen, die Errungenschaften unsres Jahrhunderts werden
von Rußland dorthin übertragen, dem der Reichthum des dortigen Bodens
nicht zu mißgönnen ist. Die größte Frage für Rußland bleibt aber immer
einen besseren Verkehr mit der neuen Provinz herzustellen, eine Arbeit die
mit unsäglichen Beschwerden verbunden ist.





Nachklänge zum akademischen Jubiläum.

Wie man auch über den Verlauf des Festes urtheilen mag, welches die
Münchner Hochschule am Schluße ihres Semesters beging, soviel ist doch für
alle Theile klar, daß dasselbe nicht eine Feier von localer, sondern von uni¬
verseller Bedeutung war. Ihre Wirkungen sind nicht abgeschlossen mit dem
Tage, an dem das Gepränge zu Ende ging und so kann es wohl gerechtfer¬
tigt erscheinen, daß auch nach demselben noch manches Wort fällt, welches
dieser Bedeutung gilt. Und eben darauf sind ja die folgenden Zeilen gerich¬
tet, nicht den vergänglichen Verlauf, sondern den bleibenden Gewinn jener
Tage sollen sie darstellen. Man kann indeß denselben nicht begreifen, wenn
man nicht die merkwürdige Geschichte der Stiftung ins Auge faßt.

Dieselbe liegt 400 volle Jahre von unserer Zeit entfernt, und ist be¬
kanntlich durch Ludwig den Reichen vollzogen worden. Daß die Macht des
klerikalen Elementes, welche damals alle Verhältnisse durchdrang, auch in
Dingen der Gelehrsamkeit ihren Einfluß übte, läßt sich nicht verkennen, aber
man würde unrichtig urtheilen, wenn man sie als das einzige Element be¬
trachten wollte. Es lag in der Zeit, die der Reformation und der Renaissance
vorher ging ein unbestrittener Zug nach wissenschaftlicher Erkenntniß, und eben
diesem Zuge verdanken die deutschen Hochschulen ihre Entstehung.

Herzog Ludwig der Reiche hatte für diese Bedürfnisse ein offenes Auge,
er hatte von dem Wittelsbachischen Blut gerade jene Eigenschaften in sich


— aber gewiß nicht die letzte! — ist durch buddhistische Götzenbilder, Kohlen,
Eisen und chinesische Torturinstrumente auf der Ausstellung vertreten!

Die Ausstellung zeigt, daß Turkestan für Rußland ein höchst werthvoller
Besitz ist. Von den Eingebornen seines eignen Werthes und der dürren Um¬
gebung wegen ein in Sand gefaßter Edelstein genannt, wird Mittelasien
gewiß unter den Ländern des fernen Ostens eine große Rolle spielen. Die
europäische Civilisation beginnt dort den Sumpf der orientalischen-socialen
Verhältnisse auszutrocknen, die Errungenschaften unsres Jahrhunderts werden
von Rußland dorthin übertragen, dem der Reichthum des dortigen Bodens
nicht zu mißgönnen ist. Die größte Frage für Rußland bleibt aber immer
einen besseren Verkehr mit der neuen Provinz herzustellen, eine Arbeit die
mit unsäglichen Beschwerden verbunden ist.





Nachklänge zum akademischen Jubiläum.

Wie man auch über den Verlauf des Festes urtheilen mag, welches die
Münchner Hochschule am Schluße ihres Semesters beging, soviel ist doch für
alle Theile klar, daß dasselbe nicht eine Feier von localer, sondern von uni¬
verseller Bedeutung war. Ihre Wirkungen sind nicht abgeschlossen mit dem
Tage, an dem das Gepränge zu Ende ging und so kann es wohl gerechtfer¬
tigt erscheinen, daß auch nach demselben noch manches Wort fällt, welches
dieser Bedeutung gilt. Und eben darauf sind ja die folgenden Zeilen gerich¬
tet, nicht den vergänglichen Verlauf, sondern den bleibenden Gewinn jener
Tage sollen sie darstellen. Man kann indeß denselben nicht begreifen, wenn
man nicht die merkwürdige Geschichte der Stiftung ins Auge faßt.

Dieselbe liegt 400 volle Jahre von unserer Zeit entfernt, und ist be¬
kanntlich durch Ludwig den Reichen vollzogen worden. Daß die Macht des
klerikalen Elementes, welche damals alle Verhältnisse durchdrang, auch in
Dingen der Gelehrsamkeit ihren Einfluß übte, läßt sich nicht verkennen, aber
man würde unrichtig urtheilen, wenn man sie als das einzige Element be¬
trachten wollte. Es lag in der Zeit, die der Reformation und der Renaissance
vorher ging ein unbestrittener Zug nach wissenschaftlicher Erkenntniß, und eben
diesem Zuge verdanken die deutschen Hochschulen ihre Entstehung.

Herzog Ludwig der Reiche hatte für diese Bedürfnisse ein offenes Auge,
er hatte von dem Wittelsbachischen Blut gerade jene Eigenschaften in sich


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[0315] — aber gewiß nicht die letzte! — ist durch buddhistische Götzenbilder, Kohlen, Eisen und chinesische Torturinstrumente auf der Ausstellung vertreten! Die Ausstellung zeigt, daß Turkestan für Rußland ein höchst werthvoller Besitz ist. Von den Eingebornen seines eignen Werthes und der dürren Um¬ gebung wegen ein in Sand gefaßter Edelstein genannt, wird Mittelasien gewiß unter den Ländern des fernen Ostens eine große Rolle spielen. Die europäische Civilisation beginnt dort den Sumpf der orientalischen-socialen Verhältnisse auszutrocknen, die Errungenschaften unsres Jahrhunderts werden von Rußland dorthin übertragen, dem der Reichthum des dortigen Bodens nicht zu mißgönnen ist. Die größte Frage für Rußland bleibt aber immer einen besseren Verkehr mit der neuen Provinz herzustellen, eine Arbeit die mit unsäglichen Beschwerden verbunden ist. Nachklänge zum akademischen Jubiläum. Wie man auch über den Verlauf des Festes urtheilen mag, welches die Münchner Hochschule am Schluße ihres Semesters beging, soviel ist doch für alle Theile klar, daß dasselbe nicht eine Feier von localer, sondern von uni¬ verseller Bedeutung war. Ihre Wirkungen sind nicht abgeschlossen mit dem Tage, an dem das Gepränge zu Ende ging und so kann es wohl gerechtfer¬ tigt erscheinen, daß auch nach demselben noch manches Wort fällt, welches dieser Bedeutung gilt. Und eben darauf sind ja die folgenden Zeilen gerich¬ tet, nicht den vergänglichen Verlauf, sondern den bleibenden Gewinn jener Tage sollen sie darstellen. Man kann indeß denselben nicht begreifen, wenn man nicht die merkwürdige Geschichte der Stiftung ins Auge faßt. Dieselbe liegt 400 volle Jahre von unserer Zeit entfernt, und ist be¬ kanntlich durch Ludwig den Reichen vollzogen worden. Daß die Macht des klerikalen Elementes, welche damals alle Verhältnisse durchdrang, auch in Dingen der Gelehrsamkeit ihren Einfluß übte, läßt sich nicht verkennen, aber man würde unrichtig urtheilen, wenn man sie als das einzige Element be¬ trachten wollte. Es lag in der Zeit, die der Reformation und der Renaissance vorher ging ein unbestrittener Zug nach wissenschaftlicher Erkenntniß, und eben diesem Zuge verdanken die deutschen Hochschulen ihre Entstehung. Herzog Ludwig der Reiche hatte für diese Bedürfnisse ein offenes Auge, er hatte von dem Wittelsbachischen Blut gerade jene Eigenschaften in sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/315>, abgerufen am 22.07.2024.