Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.den harten steinigen Boden, Toga genannt, welcher nur einmal geankert wird. Neben dem turkestanischen Rohproducte braucht aber die heimische In¬ ") Nach dem Jahrbuch des Finanzministeriums beschäftigen sich im russischen Reiche mit °er Baumwollspinnerei, Weberei und Zitzfabrikation zusammen 1873 Fabriken mit 132,354 Arbeitern und einer Production im Werthe von 116,775,635 Rubel. Grenzboten III. 1872. 40
den harten steinigen Boden, Toga genannt, welcher nur einmal geankert wird. Neben dem turkestanischen Rohproducte braucht aber die heimische In¬ ") Nach dem Jahrbuch des Finanzministeriums beschäftigen sich im russischen Reiche mit °er Baumwollspinnerei, Weberei und Zitzfabrikation zusammen 1873 Fabriken mit 132,354 Arbeitern und einer Production im Werthe von 116,775,635 Rubel. Grenzboten III. 1872. 40
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0313" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128241"/> <p xml:id="ID_1057" prev="#ID_1056"> den harten steinigen Boden, Toga genannt, welcher nur einmal geankert wird.<lb/> Ueberhaupt kann ganz Centralasien bei dem jetzigen Stande der Cultur mehr<lb/> als drei Millionen Pud Baumwolle produciren und zwar folgendermaßen auf<lb/> die einzelnen Charade vertheilt: Bochara 2 Mill., China und die unabhängigen<lb/> Gebiete am Ann je '/s Mill., Chokand 300,000 Pud, Serjawschan 160,000<lb/> Pud. Rußland, als Besitzerin eines Baumwollenlandes ersten Ranges, hat<lb/> die Pflicht, die Baumwollenindustrie auch zu ermuntern; dazukommt, daß von<lb/> den 70 Mill. Menschen, die Mußland bewohnen, etwa 50 Mill. sich der<lb/> Baumwolle als vorzugsweisen Bekleidungsstoffes bedienen. Der Bauer trägt<lb/> Winter und Sommer sein buntes Baumwollenhemd, und Leinenwäsche kennen<lb/> nur die Frauen, die Männer nicht. Besäße Rußland nicht seine große Baum¬<lb/> wollenindustrie, es wäre in einem der Hauptbedürfnisse seines Volks der ab¬<lb/> hängigste Staat von der Welt und befände sich dadurch in einer so ausnahms¬<lb/> weise» Lage, daß schon diese Rücksichten die Existenz seiner großen und aus¬<lb/> gedehnten Baumwollenindustrie gewissermaßen rechtfertigen.*) Man behalte<lb/> nur dieses Resultat im Auge: Rußland ist durch den Besitz Turkestans von<lb/> allen fremden Baumwollenmärkten unabhängig geworden und sein innerasia¬<lb/> tischer Besitz wird ihm mit der Zeit das werden. was Indien und der Süden<lb/> der Vereinigten Staaten für die Fabriken Lancasters sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1058" next="#ID_1059"> Neben dem turkestanischen Rohproducte braucht aber die heimische In¬<lb/> dustrie sich keineswegs ganz zu verstecken. Das Papier von Chokand, die<lb/> Gewebe von Bochara oder Schegrisebs mit ihren leuchtenden Farben könnten<lb/> in allen Schaufenstern unsrer großen Städte mit Ehren bestehen; die halb¬<lb/> seidenen Stoffe, die Foulards, Atlasse, obgleich mit höchst primitiven Maschinen<lb/> hergestellt, zeichnen sich durch Güte, schöne orientalische Muster und Farben¬<lb/> gebung, sowie Dauerhaftigkeit aus. Schon im ersten Jahrhunderte unserer<lb/> Zeitrechnung war die Seidenzucht aus China nach Turkestan verpflegt worden<lb/> und einheimische Seidenstoffe kannte man in Bochara bereits in der vorisla¬<lb/> mitischen Zeit. Samarkand Mergolan, Namengan, Taschkand, Chodschend,<lb/> liefern die meiste Rohseide, welche bei weitem die persische übertrifft. Das<lb/> Färben ist fast ausschließlich in den Händen der Juden, das Weben besorgen<lb/> die Tadschik. Früher, zur Zeit der arabischen Occupation, waren die Seiden¬<lb/> stoffe Mittelasiens im ganzen Osten hochberühmt, doch als die geschickteren<lb/> Meister von den Erobereren nach Damaskus und Bagdad übersiedelt wurden,<lb/> verschwand allmählich die alte Kunst, welche trotz aller Bemühungen Timurs<lb/> sie aus Transoxanien zurückzuverpflanzen, dahin war, und erst unter russischer</p><lb/> <note xml:id="FID_68" place="foot"> ") Nach dem Jahrbuch des Finanzministeriums beschäftigen sich im russischen Reiche mit<lb/> °er Baumwollspinnerei, Weberei und Zitzfabrikation zusammen 1873 Fabriken mit 132,354<lb/> Arbeitern und einer Production im Werthe von 116,775,635 Rubel.</note><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1872. 40</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0313]
den harten steinigen Boden, Toga genannt, welcher nur einmal geankert wird.
Ueberhaupt kann ganz Centralasien bei dem jetzigen Stande der Cultur mehr
als drei Millionen Pud Baumwolle produciren und zwar folgendermaßen auf
die einzelnen Charade vertheilt: Bochara 2 Mill., China und die unabhängigen
Gebiete am Ann je '/s Mill., Chokand 300,000 Pud, Serjawschan 160,000
Pud. Rußland, als Besitzerin eines Baumwollenlandes ersten Ranges, hat
die Pflicht, die Baumwollenindustrie auch zu ermuntern; dazukommt, daß von
den 70 Mill. Menschen, die Mußland bewohnen, etwa 50 Mill. sich der
Baumwolle als vorzugsweisen Bekleidungsstoffes bedienen. Der Bauer trägt
Winter und Sommer sein buntes Baumwollenhemd, und Leinenwäsche kennen
nur die Frauen, die Männer nicht. Besäße Rußland nicht seine große Baum¬
wollenindustrie, es wäre in einem der Hauptbedürfnisse seines Volks der ab¬
hängigste Staat von der Welt und befände sich dadurch in einer so ausnahms¬
weise» Lage, daß schon diese Rücksichten die Existenz seiner großen und aus¬
gedehnten Baumwollenindustrie gewissermaßen rechtfertigen.*) Man behalte
nur dieses Resultat im Auge: Rußland ist durch den Besitz Turkestans von
allen fremden Baumwollenmärkten unabhängig geworden und sein innerasia¬
tischer Besitz wird ihm mit der Zeit das werden. was Indien und der Süden
der Vereinigten Staaten für die Fabriken Lancasters sind.
Neben dem turkestanischen Rohproducte braucht aber die heimische In¬
dustrie sich keineswegs ganz zu verstecken. Das Papier von Chokand, die
Gewebe von Bochara oder Schegrisebs mit ihren leuchtenden Farben könnten
in allen Schaufenstern unsrer großen Städte mit Ehren bestehen; die halb¬
seidenen Stoffe, die Foulards, Atlasse, obgleich mit höchst primitiven Maschinen
hergestellt, zeichnen sich durch Güte, schöne orientalische Muster und Farben¬
gebung, sowie Dauerhaftigkeit aus. Schon im ersten Jahrhunderte unserer
Zeitrechnung war die Seidenzucht aus China nach Turkestan verpflegt worden
und einheimische Seidenstoffe kannte man in Bochara bereits in der vorisla¬
mitischen Zeit. Samarkand Mergolan, Namengan, Taschkand, Chodschend,
liefern die meiste Rohseide, welche bei weitem die persische übertrifft. Das
Färben ist fast ausschließlich in den Händen der Juden, das Weben besorgen
die Tadschik. Früher, zur Zeit der arabischen Occupation, waren die Seiden¬
stoffe Mittelasiens im ganzen Osten hochberühmt, doch als die geschickteren
Meister von den Erobereren nach Damaskus und Bagdad übersiedelt wurden,
verschwand allmählich die alte Kunst, welche trotz aller Bemühungen Timurs
sie aus Transoxanien zurückzuverpflanzen, dahin war, und erst unter russischer
") Nach dem Jahrbuch des Finanzministeriums beschäftigen sich im russischen Reiche mit
°er Baumwollspinnerei, Weberei und Zitzfabrikation zusammen 1873 Fabriken mit 132,354
Arbeitern und einer Production im Werthe von 116,775,635 Rubel.
Grenzboten III. 1872. 40
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