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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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er nicht, denn Rochefort ist gefangen und gefallen, aber wahr ist er doch,
an Muth hat es Rochefort immer gefehlt, und es hilft ihm nicht viel, daß
er das mit Cicero gemein hat. Das Blatt von Victor Hugo I,s Raxxol
ist das einzige, welches sich Rochefort's annimmt. Man muß zugeben, daß
der Graf keine gute Erziehung genossen hat, aber als er die "I^uterus" schrieb
und die Tuilerien erzittern machte, waren seine jetzigen Richter seine Freunde,
und Undank ist immer eine schwarze That. Heinrich IV. hat dem Vergifter
seiner Mutter verziehen. Thiers wird Rochefort nicht verzeihen: der Abstand
zwischen den Beiden ist zu klein, um Großmuth zuzulassen. Der Redacteur
der "UarLeillaiss" hat eine zu schwache Gesundheit, unfein Unglück lange zu
ertragen. --

Herr E. de Girardin ist auch keine Zierde der Menschheit und keine
Ehre ldes Journalismus. Doch hat er sein ganzes Vermögen, welches sehr
ansehnlich ist, seiner Feder zu verdanken. Der Mann, der Armand Carrel
in seiner Jugend erschossen hat, schießt sich nicht immer, und hat seiner zweiten
Frau eine Rente von 20.000 Franken ausgesetzt, seitdem er zu der Ueberzeugung
gekommen ist, daß sein sechstes Kind mit ihr eben so wenig von ihm ist, als
das erste. Girardin hat zum Sturze von Cavaignac und zur Erhebung
Napoleons III. am meisten beigetragen. Er ist sogar ein Freund des Prinzen
Napoleon geblieben, aber das hat ihn nicht gehindert in Versailles bei Thiers
um eine lange Unterhaltung nachzusuchen, und sein Blatt I.a I^ibeM ist dem
gegenwärtigen Stande der Dinge nicht entgegen. Aus Rußland bekommt das
Blatt eine Correspondenz, die von einem nicht unbedenklichen Charakter in
Paris selbst verfertigt wird.

Paul de Cassagnac ficht mächtig für das Kaiserthum an der Spitze des
Pays. Man sagt, daß er an den ungeschickten Freund Lafontaine's erinnert,
indem er das Spiel des gefallenen Kaisers zu sehr an den Tag legt, aber
er ist der ebenbürtige Sohn seines Vaters, der sich im Dienste des Kaisers
meist auch durch Scandal hervorgethan hat.

I,a> RvMdlihue Kandis" ist das Blatt von Gambetta. Die Militärs
erklären offen, daß sie unter seiner Fahne nie fechten werden. Von vo^on
und Mwin, wie man jetzt die Helden jener Tage zu taufen beliebt, hat Frank¬
reich genug gehabt. Auch Raue genießt kein Zutrauen: man beschuldigt ihn, die
Commune an Thiers geradezu verkauft zu haben und Spüler, der Secretär
Gambettas, ein Elsaßer, war ein Freund von Ganesco noch ehe er Gambetta
gekannt hat.

Herr Tarde mit dem Saulvis bleibt dem Kaiser ergeben, beinahe eben so
treu wie Duvernoy mit dem l/0rare. Herr Peru dagegen mit dem ?aris-
Journal nagt noch an keinem Budget, und verträgt sich daher auch mit der
Republik noch nicht.


Grenzboten III. 1872. 33

er nicht, denn Rochefort ist gefangen und gefallen, aber wahr ist er doch,
an Muth hat es Rochefort immer gefehlt, und es hilft ihm nicht viel, daß
er das mit Cicero gemein hat. Das Blatt von Victor Hugo I,s Raxxol
ist das einzige, welches sich Rochefort's annimmt. Man muß zugeben, daß
der Graf keine gute Erziehung genossen hat, aber als er die „I^uterus" schrieb
und die Tuilerien erzittern machte, waren seine jetzigen Richter seine Freunde,
und Undank ist immer eine schwarze That. Heinrich IV. hat dem Vergifter
seiner Mutter verziehen. Thiers wird Rochefort nicht verzeihen: der Abstand
zwischen den Beiden ist zu klein, um Großmuth zuzulassen. Der Redacteur
der „UarLeillaiss" hat eine zu schwache Gesundheit, unfein Unglück lange zu
ertragen. —

Herr E. de Girardin ist auch keine Zierde der Menschheit und keine
Ehre ldes Journalismus. Doch hat er sein ganzes Vermögen, welches sehr
ansehnlich ist, seiner Feder zu verdanken. Der Mann, der Armand Carrel
in seiner Jugend erschossen hat, schießt sich nicht immer, und hat seiner zweiten
Frau eine Rente von 20.000 Franken ausgesetzt, seitdem er zu der Ueberzeugung
gekommen ist, daß sein sechstes Kind mit ihr eben so wenig von ihm ist, als
das erste. Girardin hat zum Sturze von Cavaignac und zur Erhebung
Napoleons III. am meisten beigetragen. Er ist sogar ein Freund des Prinzen
Napoleon geblieben, aber das hat ihn nicht gehindert in Versailles bei Thiers
um eine lange Unterhaltung nachzusuchen, und sein Blatt I.a I^ibeM ist dem
gegenwärtigen Stande der Dinge nicht entgegen. Aus Rußland bekommt das
Blatt eine Correspondenz, die von einem nicht unbedenklichen Charakter in
Paris selbst verfertigt wird.

Paul de Cassagnac ficht mächtig für das Kaiserthum an der Spitze des
Pays. Man sagt, daß er an den ungeschickten Freund Lafontaine's erinnert,
indem er das Spiel des gefallenen Kaisers zu sehr an den Tag legt, aber
er ist der ebenbürtige Sohn seines Vaters, der sich im Dienste des Kaisers
meist auch durch Scandal hervorgethan hat.

I,a> RvMdlihue Kandis« ist das Blatt von Gambetta. Die Militärs
erklären offen, daß sie unter seiner Fahne nie fechten werden. Von vo^on
und Mwin, wie man jetzt die Helden jener Tage zu taufen beliebt, hat Frank¬
reich genug gehabt. Auch Raue genießt kein Zutrauen: man beschuldigt ihn, die
Commune an Thiers geradezu verkauft zu haben und Spüler, der Secretär
Gambettas, ein Elsaßer, war ein Freund von Ganesco noch ehe er Gambetta
gekannt hat.

Herr Tarde mit dem Saulvis bleibt dem Kaiser ergeben, beinahe eben so
treu wie Duvernoy mit dem l/0rare. Herr Peru dagegen mit dem ?aris-
Journal nagt noch an keinem Budget, und verträgt sich daher auch mit der
Republik noch nicht.


Grenzboten III. 1872. 33
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[0277] er nicht, denn Rochefort ist gefangen und gefallen, aber wahr ist er doch, an Muth hat es Rochefort immer gefehlt, und es hilft ihm nicht viel, daß er das mit Cicero gemein hat. Das Blatt von Victor Hugo I,s Raxxol ist das einzige, welches sich Rochefort's annimmt. Man muß zugeben, daß der Graf keine gute Erziehung genossen hat, aber als er die „I^uterus" schrieb und die Tuilerien erzittern machte, waren seine jetzigen Richter seine Freunde, und Undank ist immer eine schwarze That. Heinrich IV. hat dem Vergifter seiner Mutter verziehen. Thiers wird Rochefort nicht verzeihen: der Abstand zwischen den Beiden ist zu klein, um Großmuth zuzulassen. Der Redacteur der „UarLeillaiss" hat eine zu schwache Gesundheit, unfein Unglück lange zu ertragen. — Herr E. de Girardin ist auch keine Zierde der Menschheit und keine Ehre ldes Journalismus. Doch hat er sein ganzes Vermögen, welches sehr ansehnlich ist, seiner Feder zu verdanken. Der Mann, der Armand Carrel in seiner Jugend erschossen hat, schießt sich nicht immer, und hat seiner zweiten Frau eine Rente von 20.000 Franken ausgesetzt, seitdem er zu der Ueberzeugung gekommen ist, daß sein sechstes Kind mit ihr eben so wenig von ihm ist, als das erste. Girardin hat zum Sturze von Cavaignac und zur Erhebung Napoleons III. am meisten beigetragen. Er ist sogar ein Freund des Prinzen Napoleon geblieben, aber das hat ihn nicht gehindert in Versailles bei Thiers um eine lange Unterhaltung nachzusuchen, und sein Blatt I.a I^ibeM ist dem gegenwärtigen Stande der Dinge nicht entgegen. Aus Rußland bekommt das Blatt eine Correspondenz, die von einem nicht unbedenklichen Charakter in Paris selbst verfertigt wird. Paul de Cassagnac ficht mächtig für das Kaiserthum an der Spitze des Pays. Man sagt, daß er an den ungeschickten Freund Lafontaine's erinnert, indem er das Spiel des gefallenen Kaisers zu sehr an den Tag legt, aber er ist der ebenbürtige Sohn seines Vaters, der sich im Dienste des Kaisers meist auch durch Scandal hervorgethan hat. I,a> RvMdlihue Kandis« ist das Blatt von Gambetta. Die Militärs erklären offen, daß sie unter seiner Fahne nie fechten werden. Von vo^on und Mwin, wie man jetzt die Helden jener Tage zu taufen beliebt, hat Frank¬ reich genug gehabt. Auch Raue genießt kein Zutrauen: man beschuldigt ihn, die Commune an Thiers geradezu verkauft zu haben und Spüler, der Secretär Gambettas, ein Elsaßer, war ein Freund von Ganesco noch ehe er Gambetta gekannt hat. Herr Tarde mit dem Saulvis bleibt dem Kaiser ergeben, beinahe eben so treu wie Duvernoy mit dem l/0rare. Herr Peru dagegen mit dem ?aris- Journal nagt noch an keinem Budget, und verträgt sich daher auch mit der Republik noch nicht. Grenzboten III. 1872. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/277>, abgerufen am 22.07.2024.