Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.brauchen wir nichts näheres zu sagen; von hohem Interesse aber ist gegenüber Nach dem Jahrbuche des Finanzministeriums für 1870 waren in Rußland brauchen wir nichts näheres zu sagen; von hohem Interesse aber ist gegenüber Nach dem Jahrbuche des Finanzministeriums für 1870 waren in Rußland <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0027" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127955"/> <p xml:id="ID_56" prev="#ID_55"> brauchen wir nichts näheres zu sagen; von hohem Interesse aber ist gegenüber<lb/> den socialen Fragen, welche die Gegenwart bewegen, das Genossenschafts¬<lb/> wesen Rußlands. Das, was in unseren westeuropäischen Culturstaaten erst<lb/> die letzten Decennien zur Geltung gebracht haben und für dessen Einführung<lb/> aufgeklärte Geister ihre besten Kräfte einsetzten, kann als eine alte und seit<lb/> undenklichen Zeiten in Rußland eingebürgerte Volksinstitution angesehen werden,<lb/> wenn dieselbe auch mehr auf praktische als ideale Beweggründe zurückgeführt<lb/> werden muß. Aber auch auf die echt russische Einrichtung der Genossenschaften<lb/> beginnt schon in sehr bedenklicher Weise jetzt das Capital seine zersetzenden<lb/> Einflüsse auszuüben und aus der Genossenschaft selbst schwingen sich einzelne<lb/> Krösusse empor, die ihre ehemaligen Collegen nun als Arbeiter benutzen. Die<lb/> Leinwandweberei, die Oelfabrikation, die Holzbearbeitung, die Theer- und<lb/> Terpentinschwelerei, die Potaschefabrikation, die Anfertigung von Matten, das<lb/> Trocknen und Einsalzen von Fischen, die Leimfabrikation, die Gewinnung von<lb/> Caviar, die Gerberei, die Kohlenbrennerei, Korbflechtern. Bearbeitung von<lb/> Steinbrüchen und als schon mehr städtische Handwerke: die Schuhmacherei,<lb/> Schneiderei, Schlosserei werden genossenschaftlich betrieben. So beschäftigt die<lb/> Bearbeitung von Schaffellen zu den landesüblichen Pelzen ganze Ortschaften,<lb/> andere haben sich die Möbeltischlerei, wiederum andere das Malen von Hei¬<lb/> ligenbildern zum gemeinschaftlichen Gewerbebetrieb auserkoren. Der Markt¬<lb/> flecken Choly im Gouvernement Wladimir liefert jährlich eine halbe Million<lb/> Heiligenbilder, womit gewiß dem Bedürfniß entsprochen sein dürfte. Daraus<lb/> läßt sich aber auf den immensen Verbrauch an dieser heiligen Waare schließen und<lb/> Birmingham, das für Asien die Götzenbilder, die Buddhastatuen und' Gebet¬<lb/> schreine liefert, findet hier sein christliches Seitenstück. Mit der nützlichen<lb/> Schuhfabrikation beschäftigt sich ausschließlich das große Dorf Kymra im<lb/> Gouvernement Twer, die Stadt Danilow liefert auf dem Genossenschaftswege<lb/> die vortrefflichen Samowars oder Theemaschinen u. s. w.</p><lb/> <p xml:id="ID_57" next="#ID_58"> Nach dem Jahrbuche des Finanzministeriums für 1870 waren in Rußland<lb/> 19,431 Fabriken im Betriebe, die 410,225 Arbeiter beschäftigten und Erzeug¬<lb/> nisse im Werthe von 373,172,662 Rubeln lieferten. Matthäi geht die einzelnen<lb/> Zweige der Industrie durch von der bodenständigen Flachs- und Hanfwirkerei<lb/> an bis zu den feinsten Gespinnsten und der eingeführten Seidenmanufactur;<lb/> die Baumaterialien, Brennmaterialien, Glas- und Thonwaaren, die Holzin¬<lb/> dustrie werden ausführlich geschildert; die chemischen Producte, Erzeugnisse aus<lb/> dem Thierreich, Leder- und Papierfabrikation schließen sich an. Der zweite<lb/> Band wird hauptsächlich der Metallindustrie gewidmet sein. Wir konnten<lb/> hier nur allgemeine Betrachtungen geben und nicht auf das Einzelne eingehen,<lb/> das nachzulesen wir dem Publicum überlassen müssen; jedenfalls ist es aber</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0027]
brauchen wir nichts näheres zu sagen; von hohem Interesse aber ist gegenüber
den socialen Fragen, welche die Gegenwart bewegen, das Genossenschafts¬
wesen Rußlands. Das, was in unseren westeuropäischen Culturstaaten erst
die letzten Decennien zur Geltung gebracht haben und für dessen Einführung
aufgeklärte Geister ihre besten Kräfte einsetzten, kann als eine alte und seit
undenklichen Zeiten in Rußland eingebürgerte Volksinstitution angesehen werden,
wenn dieselbe auch mehr auf praktische als ideale Beweggründe zurückgeführt
werden muß. Aber auch auf die echt russische Einrichtung der Genossenschaften
beginnt schon in sehr bedenklicher Weise jetzt das Capital seine zersetzenden
Einflüsse auszuüben und aus der Genossenschaft selbst schwingen sich einzelne
Krösusse empor, die ihre ehemaligen Collegen nun als Arbeiter benutzen. Die
Leinwandweberei, die Oelfabrikation, die Holzbearbeitung, die Theer- und
Terpentinschwelerei, die Potaschefabrikation, die Anfertigung von Matten, das
Trocknen und Einsalzen von Fischen, die Leimfabrikation, die Gewinnung von
Caviar, die Gerberei, die Kohlenbrennerei, Korbflechtern. Bearbeitung von
Steinbrüchen und als schon mehr städtische Handwerke: die Schuhmacherei,
Schneiderei, Schlosserei werden genossenschaftlich betrieben. So beschäftigt die
Bearbeitung von Schaffellen zu den landesüblichen Pelzen ganze Ortschaften,
andere haben sich die Möbeltischlerei, wiederum andere das Malen von Hei¬
ligenbildern zum gemeinschaftlichen Gewerbebetrieb auserkoren. Der Markt¬
flecken Choly im Gouvernement Wladimir liefert jährlich eine halbe Million
Heiligenbilder, womit gewiß dem Bedürfniß entsprochen sein dürfte. Daraus
läßt sich aber auf den immensen Verbrauch an dieser heiligen Waare schließen und
Birmingham, das für Asien die Götzenbilder, die Buddhastatuen und' Gebet¬
schreine liefert, findet hier sein christliches Seitenstück. Mit der nützlichen
Schuhfabrikation beschäftigt sich ausschließlich das große Dorf Kymra im
Gouvernement Twer, die Stadt Danilow liefert auf dem Genossenschaftswege
die vortrefflichen Samowars oder Theemaschinen u. s. w.
Nach dem Jahrbuche des Finanzministeriums für 1870 waren in Rußland
19,431 Fabriken im Betriebe, die 410,225 Arbeiter beschäftigten und Erzeug¬
nisse im Werthe von 373,172,662 Rubeln lieferten. Matthäi geht die einzelnen
Zweige der Industrie durch von der bodenständigen Flachs- und Hanfwirkerei
an bis zu den feinsten Gespinnsten und der eingeführten Seidenmanufactur;
die Baumaterialien, Brennmaterialien, Glas- und Thonwaaren, die Holzin¬
dustrie werden ausführlich geschildert; die chemischen Producte, Erzeugnisse aus
dem Thierreich, Leder- und Papierfabrikation schließen sich an. Der zweite
Band wird hauptsächlich der Metallindustrie gewidmet sein. Wir konnten
hier nur allgemeine Betrachtungen geben und nicht auf das Einzelne eingehen,
das nachzulesen wir dem Publicum überlassen müssen; jedenfalls ist es aber
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