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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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ruhigen und zu zerstreuen gesucht. Am 13. September schreibt er noch ziem¬
lich vertrauensvoll an Haubold:

"Liebster Freund! Meine Antworten sind kurz und kümmerlich, aber
bedenke, meine Zeit ist sehr karg, und Du wirst mich entschuldigen. Gegen
Wuttke mochte ich nicht auftreten; mir scheint, er wünschte das eben, und
gerade deshalb unterließ ich's. Die Sache mit den Vaterlandsvereinen hat
sich allerdings jetzt sonderbar entwickelt und die Vereinigung ist jetzt natürlich
nicht mehr möglich; aber ein Cartell dächte ich, müßte wenigstens zu ermög¬
lichen sein und dieses wäre um so Wünschenswerther, als sonst die Polemik
immer schärfer werden dürfte. . .. Oder macht bestimmte Vorschläge -- was
ich zur Aussöhnung beitragen kann, das soll gewiß geschehen. --

Bei uns geht es jetzt besser, morgen wird die Hauptschlacht geliefert und
ich denke, der Waffenstillstand wird verworfen. Es wird furchtbar gearbeitet
und alle Parteien stecken bis 2--3 Uhr Nachts zusammen und suchen Stimmen
zu pressen. Jedenfalls wird unser Schicksal in den nächsten Tagen entschieden:
Deutschland wird preußisch oder Preußen deutsch. --


Lebe wohl u. s. w.
Blum."

Frankfurt, den 13. September 1848.

Aber schon am 10. October schreibt er an seine Gattin:

"Liebe Jenny! Deine Mittheilungen über Jäckel*), verbunden mit einem
Briefe ähnlichen Inhalts, welchen derselbe direct an Georg geschrieben hat,
veranlassen mich zu der anliegenden Antwort. Laß ihn rufen und gieb sie
ihm selbst. Es scheint allerdings, daß wir durch Dummheit zu Grunde gehn
sollen und zwar durch die unsrer "Freunde." Machten unsre Gegner nicht
noch größere, so müßten wir schon zu Ende seyn. Morgen (Sonntag) will
ich mit einigen Freunden in den Taunus gehn, in das wildeste, tiefste Gebirg
um Kriegszustand und Belagerung und Soldaten auf einen Tag zu vergessen;
es wird einem übel dabei.

Wie stehts mit dem Schillerfeste? Es wird wohl nichts? Dann muß
ich leider bleiben und selbst zu Weihnachten bleiben, denn es wird mir wahrlich
sauer."

Und dann am 4. October schreibt er an dieselbe:

Wi
"Liebe Jenny. e es uns hier ergeht, das hast Du theils aus den Zeitungen,
theils aus dem Briefe an Jäckel ersehen. In der Nationalversammlung verfolgt aus
Bosheit, vom Volkein die traurigste Stellung gebracht aus Dumm-
heit, von den Demokraten angefeindet und geächtet aus Un-



') Der inzwischen der Wortführer der mit Blum unzufriedenen Rothen Leipzigs ge¬
worden war.

ruhigen und zu zerstreuen gesucht. Am 13. September schreibt er noch ziem¬
lich vertrauensvoll an Haubold:

„Liebster Freund! Meine Antworten sind kurz und kümmerlich, aber
bedenke, meine Zeit ist sehr karg, und Du wirst mich entschuldigen. Gegen
Wuttke mochte ich nicht auftreten; mir scheint, er wünschte das eben, und
gerade deshalb unterließ ich's. Die Sache mit den Vaterlandsvereinen hat
sich allerdings jetzt sonderbar entwickelt und die Vereinigung ist jetzt natürlich
nicht mehr möglich; aber ein Cartell dächte ich, müßte wenigstens zu ermög¬
lichen sein und dieses wäre um so Wünschenswerther, als sonst die Polemik
immer schärfer werden dürfte. . .. Oder macht bestimmte Vorschläge — was
ich zur Aussöhnung beitragen kann, das soll gewiß geschehen. —

Bei uns geht es jetzt besser, morgen wird die Hauptschlacht geliefert und
ich denke, der Waffenstillstand wird verworfen. Es wird furchtbar gearbeitet
und alle Parteien stecken bis 2—3 Uhr Nachts zusammen und suchen Stimmen
zu pressen. Jedenfalls wird unser Schicksal in den nächsten Tagen entschieden:
Deutschland wird preußisch oder Preußen deutsch. —


Lebe wohl u. s. w.
Blum."

Frankfurt, den 13. September 1848.

Aber schon am 10. October schreibt er an seine Gattin:

„Liebe Jenny! Deine Mittheilungen über Jäckel*), verbunden mit einem
Briefe ähnlichen Inhalts, welchen derselbe direct an Georg geschrieben hat,
veranlassen mich zu der anliegenden Antwort. Laß ihn rufen und gieb sie
ihm selbst. Es scheint allerdings, daß wir durch Dummheit zu Grunde gehn
sollen und zwar durch die unsrer „Freunde." Machten unsre Gegner nicht
noch größere, so müßten wir schon zu Ende seyn. Morgen (Sonntag) will
ich mit einigen Freunden in den Taunus gehn, in das wildeste, tiefste Gebirg
um Kriegszustand und Belagerung und Soldaten auf einen Tag zu vergessen;
es wird einem übel dabei.

Wie stehts mit dem Schillerfeste? Es wird wohl nichts? Dann muß
ich leider bleiben und selbst zu Weihnachten bleiben, denn es wird mir wahrlich
sauer."

Und dann am 4. October schreibt er an dieselbe:

Wi
„Liebe Jenny. e es uns hier ergeht, das hast Du theils aus den Zeitungen,
theils aus dem Briefe an Jäckel ersehen. In der Nationalversammlung verfolgt aus
Bosheit, vom Volkein die traurigste Stellung gebracht aus Dumm-
heit, von den Demokraten angefeindet und geächtet aus Un-



') Der inzwischen der Wortführer der mit Blum unzufriedenen Rothen Leipzigs ge¬
worden war.
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[0254] ruhigen und zu zerstreuen gesucht. Am 13. September schreibt er noch ziem¬ lich vertrauensvoll an Haubold: „Liebster Freund! Meine Antworten sind kurz und kümmerlich, aber bedenke, meine Zeit ist sehr karg, und Du wirst mich entschuldigen. Gegen Wuttke mochte ich nicht auftreten; mir scheint, er wünschte das eben, und gerade deshalb unterließ ich's. Die Sache mit den Vaterlandsvereinen hat sich allerdings jetzt sonderbar entwickelt und die Vereinigung ist jetzt natürlich nicht mehr möglich; aber ein Cartell dächte ich, müßte wenigstens zu ermög¬ lichen sein und dieses wäre um so Wünschenswerther, als sonst die Polemik immer schärfer werden dürfte. . .. Oder macht bestimmte Vorschläge — was ich zur Aussöhnung beitragen kann, das soll gewiß geschehen. — Bei uns geht es jetzt besser, morgen wird die Hauptschlacht geliefert und ich denke, der Waffenstillstand wird verworfen. Es wird furchtbar gearbeitet und alle Parteien stecken bis 2—3 Uhr Nachts zusammen und suchen Stimmen zu pressen. Jedenfalls wird unser Schicksal in den nächsten Tagen entschieden: Deutschland wird preußisch oder Preußen deutsch. — Lebe wohl u. s. w. Blum." Frankfurt, den 13. September 1848. Aber schon am 10. October schreibt er an seine Gattin: „Liebe Jenny! Deine Mittheilungen über Jäckel*), verbunden mit einem Briefe ähnlichen Inhalts, welchen derselbe direct an Georg geschrieben hat, veranlassen mich zu der anliegenden Antwort. Laß ihn rufen und gieb sie ihm selbst. Es scheint allerdings, daß wir durch Dummheit zu Grunde gehn sollen und zwar durch die unsrer „Freunde." Machten unsre Gegner nicht noch größere, so müßten wir schon zu Ende seyn. Morgen (Sonntag) will ich mit einigen Freunden in den Taunus gehn, in das wildeste, tiefste Gebirg um Kriegszustand und Belagerung und Soldaten auf einen Tag zu vergessen; es wird einem übel dabei. Wie stehts mit dem Schillerfeste? Es wird wohl nichts? Dann muß ich leider bleiben und selbst zu Weihnachten bleiben, denn es wird mir wahrlich sauer." Und dann am 4. October schreibt er an dieselbe: Wi „Liebe Jenny. e es uns hier ergeht, das hast Du theils aus den Zeitungen, theils aus dem Briefe an Jäckel ersehen. In der Nationalversammlung verfolgt aus Bosheit, vom Volkein die traurigste Stellung gebracht aus Dumm- heit, von den Demokraten angefeindet und geächtet aus Un- ') Der inzwischen der Wortführer der mit Blum unzufriedenen Rothen Leipzigs ge¬ worden war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/254>, abgerufen am 22.12.2024.