Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schwunden sind, ist sehr zu beklagen. Im Tagebuche heißt es am 11. August
auch: "Sonate und Variationen von Beethoven erhalten" -- welche ihm
Beethoven übersandte ist, nicht angegeben.

Am 16. September reiste nun Weber zur Ausfuhr un g der Euryanthe
nach Wien. -- Bei seiner Durchreise durch Prag sicherte ihm der dortige
Theaterdireetor Holbein freiwillig, statt der für Euryanthe in Prag von ihm
geforderten dreißig Ducaten, deren vierzig zu, und mit komischem Pathos
ruft er in seinem Tagebuche aus: "liarg, irvis in torrg.!" Nach seinem Ein¬
treffen in Wien am 21. begegnete ihm Alles auf das Zuvorkommendste,
namentlich das unter ihm bei Einstudirung der Oper wirkende Sänger-, Musiker-
und Chor-Personal; die Proben glichen einer Reihe von Huldigungen für ihn.
Den Glanzpunkt so vieler Beweise von Zuneigung und Achtung bildete der
Erfolg seines Besuches bei Beethoven am S. Octr., der ihn mit rührender
Herzlichkeit empfing und mit welchem Weber einen Tag in Baden bei Wien
verlebte, von dem er seiner Gattin schreibt: "dieser Tag wird mir immer höchst
"merkwürdig bleiben. Es gewährte mir eine eigne Erhebung, mich von diesem
"großen Geiste mit solcher liebevollen Achtung überschüttet zu sehen." --
Differenzen mit der Dichterin der Euryanthe wegen immer neuer von derselben
an Weber gerichteten pecuniären Anforderungen trübten zwar jene angenehmen
Verhältnissein etwas; doch nachdem er am 19. die Ouvertüre beendigt hatte,
wurde Euryanthe am 23. October zum Ersten Male mit Furore ge¬
geben. Weber dirigirte diese erste und die beiden folgenden Vorstellungen; die
vierte fand unter Conr. Kreutzer statt, und in diesen vier Vorstellungen wurde
Weber vierzehn Male gerufen. Es war das ein seltner Erfolg; er wurde
aber trotzdem zu keinem nachhaltigen, da man die Oper nach zwanzig Vor¬
stellungen vorläufig zurückstellte, worauf sie freilich später (so auch 1871) in
Wien wiederholt einstudirt wurde. -- Daß Euryanthe, ungeachtet der treff¬
lichen Aufführung, namentlich ungeachtet der herrlichen Sontag in der Titel¬
rolle, dennoch gerade in Wien nicht vollkommen durchdrang, war wohl darin
begründet, daß die tiefe und vornehme Musik dieser Oper nicht geeignet war.
die Masse fortzureißen, welche kurz vorher von Rossini's durch italienische .
Sänger ersten Ranges in höchster Vollkommenheit vorgeführten Opern ver¬
wöhnt und verweichlicht worden war. Euryanthe in ihrem ganzen Werthe
zur Geltung zu bringen, war erst den Aufführungen in Dresden, besonders
aber denen in Berlin vorbehalten. -- Nachdem Weber am 1. November vom
Kaiser Franz in einer Audienz auf das schmeichelhafteste empfangen worden,
reiste er am 5, ab, dirigirte in Prag die SOste Vorstellung des "Freischütz"
und wurde in Dresden zum Schluß seines ruhmvollen Wiener Ausfluges bei
einer Probe am 13. vom gesammten Theater-Personal feierlich begrüßt.--
Nun aber trat vom 19. October 1823 bis zum 23. Januar 1825 eine fast


schwunden sind, ist sehr zu beklagen. Im Tagebuche heißt es am 11. August
auch: „Sonate und Variationen von Beethoven erhalten" — welche ihm
Beethoven übersandte ist, nicht angegeben.

Am 16. September reiste nun Weber zur Ausfuhr un g der Euryanthe
nach Wien. — Bei seiner Durchreise durch Prag sicherte ihm der dortige
Theaterdireetor Holbein freiwillig, statt der für Euryanthe in Prag von ihm
geforderten dreißig Ducaten, deren vierzig zu, und mit komischem Pathos
ruft er in seinem Tagebuche aus: „liarg, irvis in torrg.!" Nach seinem Ein¬
treffen in Wien am 21. begegnete ihm Alles auf das Zuvorkommendste,
namentlich das unter ihm bei Einstudirung der Oper wirkende Sänger-, Musiker-
und Chor-Personal; die Proben glichen einer Reihe von Huldigungen für ihn.
Den Glanzpunkt so vieler Beweise von Zuneigung und Achtung bildete der
Erfolg seines Besuches bei Beethoven am S. Octr., der ihn mit rührender
Herzlichkeit empfing und mit welchem Weber einen Tag in Baden bei Wien
verlebte, von dem er seiner Gattin schreibt: „dieser Tag wird mir immer höchst
„merkwürdig bleiben. Es gewährte mir eine eigne Erhebung, mich von diesem
„großen Geiste mit solcher liebevollen Achtung überschüttet zu sehen." —
Differenzen mit der Dichterin der Euryanthe wegen immer neuer von derselben
an Weber gerichteten pecuniären Anforderungen trübten zwar jene angenehmen
Verhältnissein etwas; doch nachdem er am 19. die Ouvertüre beendigt hatte,
wurde Euryanthe am 23. October zum Ersten Male mit Furore ge¬
geben. Weber dirigirte diese erste und die beiden folgenden Vorstellungen; die
vierte fand unter Conr. Kreutzer statt, und in diesen vier Vorstellungen wurde
Weber vierzehn Male gerufen. Es war das ein seltner Erfolg; er wurde
aber trotzdem zu keinem nachhaltigen, da man die Oper nach zwanzig Vor¬
stellungen vorläufig zurückstellte, worauf sie freilich später (so auch 1871) in
Wien wiederholt einstudirt wurde. — Daß Euryanthe, ungeachtet der treff¬
lichen Aufführung, namentlich ungeachtet der herrlichen Sontag in der Titel¬
rolle, dennoch gerade in Wien nicht vollkommen durchdrang, war wohl darin
begründet, daß die tiefe und vornehme Musik dieser Oper nicht geeignet war.
die Masse fortzureißen, welche kurz vorher von Rossini's durch italienische .
Sänger ersten Ranges in höchster Vollkommenheit vorgeführten Opern ver¬
wöhnt und verweichlicht worden war. Euryanthe in ihrem ganzen Werthe
zur Geltung zu bringen, war erst den Aufführungen in Dresden, besonders
aber denen in Berlin vorbehalten. — Nachdem Weber am 1. November vom
Kaiser Franz in einer Audienz auf das schmeichelhafteste empfangen worden,
reiste er am 5, ab, dirigirte in Prag die SOste Vorstellung des „Freischütz"
und wurde in Dresden zum Schluß seines ruhmvollen Wiener Ausfluges bei
einer Probe am 13. vom gesammten Theater-Personal feierlich begrüßt.--
Nun aber trat vom 19. October 1823 bis zum 23. Januar 1825 eine fast


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127890"/>
          <p xml:id="ID_1553" prev="#ID_1552"> schwunden sind, ist sehr zu beklagen. Im Tagebuche heißt es am 11. August<lb/>
auch: &#x201E;Sonate und Variationen von Beethoven erhalten" &#x2014; welche ihm<lb/>
Beethoven übersandte ist, nicht angegeben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1554" next="#ID_1555"> Am 16. September reiste nun Weber zur Ausfuhr un g der Euryanthe<lb/>
nach Wien. &#x2014; Bei seiner Durchreise durch Prag sicherte ihm der dortige<lb/>
Theaterdireetor Holbein freiwillig, statt der für Euryanthe in Prag von ihm<lb/>
geforderten dreißig Ducaten, deren vierzig zu, und mit komischem Pathos<lb/>
ruft er in seinem Tagebuche aus: &#x201E;liarg, irvis in torrg.!" Nach seinem Ein¬<lb/>
treffen in Wien am 21. begegnete ihm Alles auf das Zuvorkommendste,<lb/>
namentlich das unter ihm bei Einstudirung der Oper wirkende Sänger-, Musiker-<lb/>
und Chor-Personal; die Proben glichen einer Reihe von Huldigungen für ihn.<lb/>
Den Glanzpunkt so vieler Beweise von Zuneigung und Achtung bildete der<lb/>
Erfolg seines Besuches bei Beethoven am S. Octr., der ihn mit rührender<lb/>
Herzlichkeit empfing und mit welchem Weber einen Tag in Baden bei Wien<lb/>
verlebte, von dem er seiner Gattin schreibt: &#x201E;dieser Tag wird mir immer höchst<lb/>
&#x201E;merkwürdig bleiben. Es gewährte mir eine eigne Erhebung, mich von diesem<lb/>
&#x201E;großen Geiste mit solcher liebevollen Achtung überschüttet zu sehen." &#x2014;<lb/>
Differenzen mit der Dichterin der Euryanthe wegen immer neuer von derselben<lb/>
an Weber gerichteten pecuniären Anforderungen trübten zwar jene angenehmen<lb/>
Verhältnissein etwas; doch nachdem er am 19. die Ouvertüre beendigt hatte,<lb/>
wurde Euryanthe am 23. October zum Ersten Male mit Furore ge¬<lb/>
geben. Weber dirigirte diese erste und die beiden folgenden Vorstellungen; die<lb/>
vierte fand unter Conr. Kreutzer statt, und in diesen vier Vorstellungen wurde<lb/>
Weber vierzehn Male gerufen. Es war das ein seltner Erfolg; er wurde<lb/>
aber trotzdem zu keinem nachhaltigen, da man die Oper nach zwanzig Vor¬<lb/>
stellungen vorläufig zurückstellte, worauf sie freilich später (so auch 1871) in<lb/>
Wien wiederholt einstudirt wurde. &#x2014; Daß Euryanthe, ungeachtet der treff¬<lb/>
lichen Aufführung, namentlich ungeachtet der herrlichen Sontag in der Titel¬<lb/>
rolle, dennoch gerade in Wien nicht vollkommen durchdrang, war wohl darin<lb/>
begründet, daß die tiefe und vornehme Musik dieser Oper nicht geeignet war.<lb/>
die Masse fortzureißen, welche kurz vorher von Rossini's durch italienische .<lb/>
Sänger ersten Ranges in höchster Vollkommenheit vorgeführten Opern ver¬<lb/>
wöhnt und verweichlicht worden war. Euryanthe in ihrem ganzen Werthe<lb/>
zur Geltung zu bringen, war erst den Aufführungen in Dresden, besonders<lb/>
aber denen in Berlin vorbehalten. &#x2014; Nachdem Weber am 1. November vom<lb/>
Kaiser Franz in einer Audienz auf das schmeichelhafteste empfangen worden,<lb/>
reiste er am 5, ab, dirigirte in Prag die SOste Vorstellung des &#x201E;Freischütz"<lb/>
und wurde in Dresden zum Schluß seines ruhmvollen Wiener Ausfluges bei<lb/>
einer Probe am 13. vom gesammten Theater-Personal feierlich begrüßt.--<lb/>
Nun aber trat vom 19. October 1823 bis zum 23. Januar 1825 eine fast</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0482] schwunden sind, ist sehr zu beklagen. Im Tagebuche heißt es am 11. August auch: „Sonate und Variationen von Beethoven erhalten" — welche ihm Beethoven übersandte ist, nicht angegeben. Am 16. September reiste nun Weber zur Ausfuhr un g der Euryanthe nach Wien. — Bei seiner Durchreise durch Prag sicherte ihm der dortige Theaterdireetor Holbein freiwillig, statt der für Euryanthe in Prag von ihm geforderten dreißig Ducaten, deren vierzig zu, und mit komischem Pathos ruft er in seinem Tagebuche aus: „liarg, irvis in torrg.!" Nach seinem Ein¬ treffen in Wien am 21. begegnete ihm Alles auf das Zuvorkommendste, namentlich das unter ihm bei Einstudirung der Oper wirkende Sänger-, Musiker- und Chor-Personal; die Proben glichen einer Reihe von Huldigungen für ihn. Den Glanzpunkt so vieler Beweise von Zuneigung und Achtung bildete der Erfolg seines Besuches bei Beethoven am S. Octr., der ihn mit rührender Herzlichkeit empfing und mit welchem Weber einen Tag in Baden bei Wien verlebte, von dem er seiner Gattin schreibt: „dieser Tag wird mir immer höchst „merkwürdig bleiben. Es gewährte mir eine eigne Erhebung, mich von diesem „großen Geiste mit solcher liebevollen Achtung überschüttet zu sehen." — Differenzen mit der Dichterin der Euryanthe wegen immer neuer von derselben an Weber gerichteten pecuniären Anforderungen trübten zwar jene angenehmen Verhältnissein etwas; doch nachdem er am 19. die Ouvertüre beendigt hatte, wurde Euryanthe am 23. October zum Ersten Male mit Furore ge¬ geben. Weber dirigirte diese erste und die beiden folgenden Vorstellungen; die vierte fand unter Conr. Kreutzer statt, und in diesen vier Vorstellungen wurde Weber vierzehn Male gerufen. Es war das ein seltner Erfolg; er wurde aber trotzdem zu keinem nachhaltigen, da man die Oper nach zwanzig Vor¬ stellungen vorläufig zurückstellte, worauf sie freilich später (so auch 1871) in Wien wiederholt einstudirt wurde. — Daß Euryanthe, ungeachtet der treff¬ lichen Aufführung, namentlich ungeachtet der herrlichen Sontag in der Titel¬ rolle, dennoch gerade in Wien nicht vollkommen durchdrang, war wohl darin begründet, daß die tiefe und vornehme Musik dieser Oper nicht geeignet war. die Masse fortzureißen, welche kurz vorher von Rossini's durch italienische . Sänger ersten Ranges in höchster Vollkommenheit vorgeführten Opern ver¬ wöhnt und verweichlicht worden war. Euryanthe in ihrem ganzen Werthe zur Geltung zu bringen, war erst den Aufführungen in Dresden, besonders aber denen in Berlin vorbehalten. — Nachdem Weber am 1. November vom Kaiser Franz in einer Audienz auf das schmeichelhafteste empfangen worden, reiste er am 5, ab, dirigirte in Prag die SOste Vorstellung des „Freischütz" und wurde in Dresden zum Schluß seines ruhmvollen Wiener Ausfluges bei einer Probe am 13. vom gesammten Theater-Personal feierlich begrüßt.-- Nun aber trat vom 19. October 1823 bis zum 23. Januar 1825 eine fast

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/482
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/482>, abgerufen am 02.10.2024.