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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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liegen sollte. Und doch war ihm bestimmt, daß diese liebenswürdigsten Er¬
zeugnisse seiner immer heitern kindlich-fröhlichen Seele erst über seinem Grabe
dem deutschen Volke Kunde geben sollten, welcher Künstler mit ihm heimge¬
gangen ist. Am 10. Mai 1871 ist Konewka in Berlin verschieden, nach
kurzer Krankheit, nach kurzem Jugendleben, und doch reich an unvergänglichen
Werken. Vor Allem gilt dies von den Bildern, die Falstaff und seine Ge¬
sellen darstellen in allen den Scenen und wechselvollen Schicksalen, die ihnen
der Dichter zutheilt, von den Abenteuern im kühlen Schweinskopf zu
Eastcheap an bis zu der schauerlichen Verhöhnung, welche die lustigen Weiber
von Windsor dem horntragenden Helden an der Horneseiche im Windsorwald
zuzogen. Wir zweifeln nicht, daß auch die früheren Werke Konewka's, die
wenigen gesammelten Bilder seiner Hand unter Hunderten und Tausenden,
die sein wunderbares Talent in fröhlichen Kreisen in der Minute schuf, und
welche er in der nächsten Minute bescheiden vergaß -- sich dauernden An¬
denkens in allen Landen erfreuen werden. Seine Bilder zu deutschen Volks¬
liedern, zum Spaziergang aus Goethe's Faust, seine zwölf Bilder zu Faust,
seine Beiträge zu G. Weise's deutschen Bilderbogen, der bei Lebzeiten ver¬
öffentlichte erste Theil seines Kinderbilderbuchs, wie der postthume zweite
Theil desselben Werkes, dann sein letztes rührendes Blatt zu dem Volkslieds
"O Straßburg, o Straßburg, du wunderschöne Stadt", welches das "Da¬
heim" brachte: diese Bilder alle werden auch den Nachfahren unverloren sein.

Aber besonders an den uns vorliegenden Bildern von Falstaff und seinen
Gesellen wird sich Konewka's eigene Voraussagung erfüllen: "Ich darf wohl
ohne Ueberhebung sagen, daß meine Shakespeare-Gestalten noch nach vielen
Jahren lebensfähige, maßgebende und feststehende Typen sein werden." Das
Wort enthält in der That keine Ueberhebung. Es ist sehr bezeichnend, na¬
mentlich für die Tiefe und Nichtigkeit der Auffassung, die Congenialität des
Künstlers. Die Gestalten, welche er geschaffen hatte, als er jene Zeilen
schrieb, sollten in der That als Typen der ernsten und thörichten, züchtigen
und liederlichen, tapfern und großsprecherischer Weltkinder gezeichnet und ge¬
formt sein, welche auch der Griffel des Dichters uns in der That kaum anders über¬
liefert hat. als die Scheere des Künstlers: in meisterhaften Umrissen. Insofern ist
das Werk Konewka's hoffentlich auch den bedeutendsten Bühnen Deutschlands eine
immer lebendige Anregung dafür, bei Darstellung dieser Scenen die Typen an
Stelle der Schablonen zu setzen.

Der Text von Hermann Kurz zu diesen Bildern steht, mit seinen mitten
aus der heitersten Laune ausgestreuten und dennoch tiefen und kenntnißreichen
Gedanken und Excursen über die Zeit,, Absicht und Meinung des Dichters,
weit über dem Durchschnitt dessen, was wir auch aus guter Feder von be-


liegen sollte. Und doch war ihm bestimmt, daß diese liebenswürdigsten Er¬
zeugnisse seiner immer heitern kindlich-fröhlichen Seele erst über seinem Grabe
dem deutschen Volke Kunde geben sollten, welcher Künstler mit ihm heimge¬
gangen ist. Am 10. Mai 1871 ist Konewka in Berlin verschieden, nach
kurzer Krankheit, nach kurzem Jugendleben, und doch reich an unvergänglichen
Werken. Vor Allem gilt dies von den Bildern, die Falstaff und seine Ge¬
sellen darstellen in allen den Scenen und wechselvollen Schicksalen, die ihnen
der Dichter zutheilt, von den Abenteuern im kühlen Schweinskopf zu
Eastcheap an bis zu der schauerlichen Verhöhnung, welche die lustigen Weiber
von Windsor dem horntragenden Helden an der Horneseiche im Windsorwald
zuzogen. Wir zweifeln nicht, daß auch die früheren Werke Konewka's, die
wenigen gesammelten Bilder seiner Hand unter Hunderten und Tausenden,
die sein wunderbares Talent in fröhlichen Kreisen in der Minute schuf, und
welche er in der nächsten Minute bescheiden vergaß — sich dauernden An¬
denkens in allen Landen erfreuen werden. Seine Bilder zu deutschen Volks¬
liedern, zum Spaziergang aus Goethe's Faust, seine zwölf Bilder zu Faust,
seine Beiträge zu G. Weise's deutschen Bilderbogen, der bei Lebzeiten ver¬
öffentlichte erste Theil seines Kinderbilderbuchs, wie der postthume zweite
Theil desselben Werkes, dann sein letztes rührendes Blatt zu dem Volkslieds
„O Straßburg, o Straßburg, du wunderschöne Stadt", welches das „Da¬
heim" brachte: diese Bilder alle werden auch den Nachfahren unverloren sein.

Aber besonders an den uns vorliegenden Bildern von Falstaff und seinen
Gesellen wird sich Konewka's eigene Voraussagung erfüllen: „Ich darf wohl
ohne Ueberhebung sagen, daß meine Shakespeare-Gestalten noch nach vielen
Jahren lebensfähige, maßgebende und feststehende Typen sein werden." Das
Wort enthält in der That keine Ueberhebung. Es ist sehr bezeichnend, na¬
mentlich für die Tiefe und Nichtigkeit der Auffassung, die Congenialität des
Künstlers. Die Gestalten, welche er geschaffen hatte, als er jene Zeilen
schrieb, sollten in der That als Typen der ernsten und thörichten, züchtigen
und liederlichen, tapfern und großsprecherischer Weltkinder gezeichnet und ge¬
formt sein, welche auch der Griffel des Dichters uns in der That kaum anders über¬
liefert hat. als die Scheere des Künstlers: in meisterhaften Umrissen. Insofern ist
das Werk Konewka's hoffentlich auch den bedeutendsten Bühnen Deutschlands eine
immer lebendige Anregung dafür, bei Darstellung dieser Scenen die Typen an
Stelle der Schablonen zu setzen.

Der Text von Hermann Kurz zu diesen Bildern steht, mit seinen mitten
aus der heitersten Laune ausgestreuten und dennoch tiefen und kenntnißreichen
Gedanken und Excursen über die Zeit,, Absicht und Meinung des Dichters,
weit über dem Durchschnitt dessen, was wir auch aus guter Feder von be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/46>, abgerufen am 22.12.2024.