Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.Lob nicht vertragen können, die Empfehlung hätte ihre Häuser überfüllt, an¬ Also rathlos und aufs Gerathewohl weiter, sagt sich der Reisedilettant "Nein", tröstet ihn ein andrer Nachbar, "gehen Sie mit mir. Ich weiß "Dazu möchte ich mit Ihrem Wohlnehmen nicht rathen", sagt uns eine Die vornehme Denkart des Rathgebers besticht uns, sein Sprichwort gibt Wir denken wieder an Bädekers Stern. Wir fehlen eine Anwandlung, Unentschlossener wie je steigen wir aus und mustern in dem Warte¬ Vergnügt, eine Last vom Herzen losgeworden zu sein, lassen wir uns Lob nicht vertragen können, die Empfehlung hätte ihre Häuser überfüllt, an¬ Also rathlos und aufs Gerathewohl weiter, sagt sich der Reisedilettant „Nein", tröstet ihn ein andrer Nachbar, „gehen Sie mit mir. Ich weiß „Dazu möchte ich mit Ihrem Wohlnehmen nicht rathen", sagt uns eine Die vornehme Denkart des Rathgebers besticht uns, sein Sprichwort gibt Wir denken wieder an Bädekers Stern. Wir fehlen eine Anwandlung, Unentschlossener wie je steigen wir aus und mustern in dem Warte¬ Vergnügt, eine Last vom Herzen losgeworden zu sein, lassen wir uns <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0420" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127828"/> <p xml:id="ID_1349" prev="#ID_1348"> Lob nicht vertragen können, die Empfehlung hätte ihre Häuser überfüllt, an¬<lb/> dere, denen sie vorenthalten geblieben, hätten sich inzwischen gebessert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1350"> Also rathlos und aufs Gerathewohl weiter, sagt sich der Reisedilettant<lb/> mit einem Seufzer.</p><lb/> <p xml:id="ID_1351"> „Nein", tröstet ihn ein andrer Nachbar, „gehen Sie mit mir. Ich weiß<lb/> da einen Gasthof. zwar mehr für den kleinen Mann, für Fuhrwerk vom<lb/> Lande, aber man soll dort gut aufgehoben sein — das blaue Lamm."</p><lb/> <p xml:id="ID_1352"> „Dazu möchte ich mit Ihrem Wohlnehmen nicht rathen", sagt uns eine<lb/> dritte theilnehmende Stimme. „Ich habe dort logirt, und sechs Pferde ziehen<lb/> mich da nicht wieder hin; denn man wird dort' wie ein Bauer verpflegt und<lb/> wie ein Graf besteuert. Mein Grundsatz ist: Immer nur im ersten Gasthof<lb/> abgestiegen; denn da hat man doch etwas für sein Geld. Theuer ist der beste<lb/> Kauf, sagt das Sprichwort."</p><lb/> <p xml:id="ID_1353"> Die vornehme Denkart des Rathgebers besticht uns, sein Sprichwort gibt<lb/> den Ausschlag, Wir werden in den besten Gasthof von Ix gehen. Aber<lb/> welcher ist der beste? Sieben Städte Griechenlands stritten sich um die Ehre.<lb/> Homer geboren zu haben. Ungefähr ebenso viele Hotels von Ix machen An¬<lb/> spruch auf jenen Superlativ, und wieder ist guter Rath theuer.</p><lb/> <p xml:id="ID_1354"> Wir denken wieder an Bädekers Stern. Wir fehlen eine Anwandlung,<lb/> es trotz alledem mit dem blauen Lamm zu versuchen. Empfehlungskarten von<lb/> Gasthöfen, die kurz vor der Ankunft in Ix in den Waggon fliegen, helfen<lb/> uns nicht aus der Verlegenheit; denn wo man sich viel anbieten muß, da<lb/> wird wenig Nachfrage sein, sagt der Reise-College mit der vornehmen Denk¬<lb/> art, und wonach nicht gefragt wird, das ist schlecht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1355"> Unentschlossener wie je steigen wir aus und mustern in dem Warte¬<lb/> zimmer des Bahnhofs die Portraits der „Grands Hotels", die hier in statt¬<lb/> lichen Goldrahmen die Wände zieren. Jedes liegt an einem freien Platze,<lb/> jedes ist groß und so einladend wie möglich, vor jedem hält eine vierspännige<lb/> Kutsche. Nein, vor dem da lenkt eine sechsspännige in den Thorweg. Das<lb/> ist der rechte, der beste. Eureka! Droschke, in den Goldenen Truthahn!</p><lb/> <p xml:id="ID_1356" next="#ID_1357"> Vergnügt, eine Last vom Herzen losgeworden zu sein, lassen wir uns<lb/> vor das Nest des gedachten Vogels fahren, und in der That, es ficht recht<lb/> vornehm aus. Der freie Platz vor dem Hause ist zwar nur auf dem Bilde<lb/> in dem Bahnhofs-Wartezimmer, das wie alle Portraits schmeichelt, ein freier<lb/> Platz, in der Wirklichkeit aber eine ziemlich enge Gasse. Die sechsspännige<lb/> Karosse fehlt auch, da man heutzutage nur noch auf dem Monde auf diese<lb/> Art reist. Aber die Front ist mit einem Säulenporticus geziert, in den<lb/> Spiegelfenstern des ersten Stocks funkelt's im Rahmen seidner Vorhänge von<lb/> Goldlcistm und Kronleuchtern. Ein gigantischer Portier mit schiefgesetztem<lb/> Dreimaster bewacht den Eingang in das Zauberschloß und die Marmortreppe,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0420]
Lob nicht vertragen können, die Empfehlung hätte ihre Häuser überfüllt, an¬
dere, denen sie vorenthalten geblieben, hätten sich inzwischen gebessert.
Also rathlos und aufs Gerathewohl weiter, sagt sich der Reisedilettant
mit einem Seufzer.
„Nein", tröstet ihn ein andrer Nachbar, „gehen Sie mit mir. Ich weiß
da einen Gasthof. zwar mehr für den kleinen Mann, für Fuhrwerk vom
Lande, aber man soll dort gut aufgehoben sein — das blaue Lamm."
„Dazu möchte ich mit Ihrem Wohlnehmen nicht rathen", sagt uns eine
dritte theilnehmende Stimme. „Ich habe dort logirt, und sechs Pferde ziehen
mich da nicht wieder hin; denn man wird dort' wie ein Bauer verpflegt und
wie ein Graf besteuert. Mein Grundsatz ist: Immer nur im ersten Gasthof
abgestiegen; denn da hat man doch etwas für sein Geld. Theuer ist der beste
Kauf, sagt das Sprichwort."
Die vornehme Denkart des Rathgebers besticht uns, sein Sprichwort gibt
den Ausschlag, Wir werden in den besten Gasthof von Ix gehen. Aber
welcher ist der beste? Sieben Städte Griechenlands stritten sich um die Ehre.
Homer geboren zu haben. Ungefähr ebenso viele Hotels von Ix machen An¬
spruch auf jenen Superlativ, und wieder ist guter Rath theuer.
Wir denken wieder an Bädekers Stern. Wir fehlen eine Anwandlung,
es trotz alledem mit dem blauen Lamm zu versuchen. Empfehlungskarten von
Gasthöfen, die kurz vor der Ankunft in Ix in den Waggon fliegen, helfen
uns nicht aus der Verlegenheit; denn wo man sich viel anbieten muß, da
wird wenig Nachfrage sein, sagt der Reise-College mit der vornehmen Denk¬
art, und wonach nicht gefragt wird, das ist schlecht.
Unentschlossener wie je steigen wir aus und mustern in dem Warte¬
zimmer des Bahnhofs die Portraits der „Grands Hotels", die hier in statt¬
lichen Goldrahmen die Wände zieren. Jedes liegt an einem freien Platze,
jedes ist groß und so einladend wie möglich, vor jedem hält eine vierspännige
Kutsche. Nein, vor dem da lenkt eine sechsspännige in den Thorweg. Das
ist der rechte, der beste. Eureka! Droschke, in den Goldenen Truthahn!
Vergnügt, eine Last vom Herzen losgeworden zu sein, lassen wir uns
vor das Nest des gedachten Vogels fahren, und in der That, es ficht recht
vornehm aus. Der freie Platz vor dem Hause ist zwar nur auf dem Bilde
in dem Bahnhofs-Wartezimmer, das wie alle Portraits schmeichelt, ein freier
Platz, in der Wirklichkeit aber eine ziemlich enge Gasse. Die sechsspännige
Karosse fehlt auch, da man heutzutage nur noch auf dem Monde auf diese
Art reist. Aber die Front ist mit einem Säulenporticus geziert, in den
Spiegelfenstern des ersten Stocks funkelt's im Rahmen seidner Vorhänge von
Goldlcistm und Kronleuchtern. Ein gigantischer Portier mit schiefgesetztem
Dreimaster bewacht den Eingang in das Zauberschloß und die Marmortreppe,
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