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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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internationalen Zollverein, während der frühere deutsche Zollverein nur inner¬
halb des deutschen Bundes bestand, zu welchem wir ja damals auch gehörten.
Correcterweise müßte unser internationaler Zollverein den Namen des
deutsch-luxemburgischen annehmen. Wie dieser Zollverein nun heiße,
auf seiner Grundlage ist unsere Industrie erblüht, und auf derselben Grund¬
lage besteht und gedeiht sie weiter. Wir empfangen unseren Antheil an den
Einnahmen jenes Zollvereins, aber der Schutz seiner Grenzen kostet uns nicht
das geringste Opfer.

Sind das nicht alles große Annehmlichkeiten? Wir sind denn auch ganz
zufrieden, oder vielmehr wir könnten es sein, wenn nur die bösen Träume
nicht wären. Unsere Lage zwischen Deutschland und Frankreich macht, daß
wir uns beständig als der Zankapfel zwischen zwei großen Nationen vor¬
kommen. Und es gibt Leute, die aus dieser Beängstigung, vor der uns doch
die europäische Garantie unserer Neutralität bewahren sollte, unaufhörlich
Früchte zu ziehen suchen, die uns giftig sind. Solche Leute stellen sich natür¬
lich als wären sie die eifrigsten Freunde unserer neutralen Unabhängigkeit.

Der gefällige Leser lasse sich erinnern, wenn die großen Ereignisse der
letzten Jahre ihm etwa die Erinnerung verwischt hätten, daß im Frühjahr
1867 der damalige Kaiser Napoleon den Kauf unseres Großherzogthums von
dem Hause Oranien mit dieser speculativen Firma abgeschlossen hatte, als
Preußen kurzweg erklärte, es werde seine Truppen, die auf Grund eines
europäischen Vertrages in der Festung Luxemburg standen, nicht vor den fran¬
zösischen Truppen zurückziehen. Da gab es auf kurze Zeit eine kriegsdrohende
Situation, alsdann eine europäische Conferenz. aus welcher die Verbürgung
unserer Neutralität und unser Fortbestand als souveräner Staat unter dem
Hause Nassau-Oranien hervorgingen.

Zur Zeit, als der Ankauf im Werke war, gab es eine Partei, die uns
tagtäglich mit größter Heftigkeit demonstrirte, daß wir an unserer Selbstän¬
digkeit moralisch und ökonomisch zu Grunde gehen müßten. Diese Partei be¬
stand nicht blos aus Wallonen und Franzosen, die wir in unserem deutschen
Lande haben, die Seele dieser Richtung waren vielmehr die Ultramontanen.

Wir haben, w.le der Leser weiß, einen Prinz-Statthalter, denn wir stehen
zwar unter der oranischen Dynastie, sind aber mit der niederländischen Krone
nur durch Personalunion verbunden. Dieser Prinz-Statthalter nun, Heinrich
seines Namens, hängt gar sehr an seinem Posten, was wir ihm durchaus
nicht verübeln. Verbände er nur mit dem Eifer, seine Stellung zu erhalten,
auch die nöthige Unbefangenheit und Weite des Blickes, dann wäre es mit
uns ganz gut bestellt. Prinz Heinrich also war ganz zufrieden, daß der


internationalen Zollverein, während der frühere deutsche Zollverein nur inner¬
halb des deutschen Bundes bestand, zu welchem wir ja damals auch gehörten.
Correcterweise müßte unser internationaler Zollverein den Namen des
deutsch-luxemburgischen annehmen. Wie dieser Zollverein nun heiße,
auf seiner Grundlage ist unsere Industrie erblüht, und auf derselben Grund¬
lage besteht und gedeiht sie weiter. Wir empfangen unseren Antheil an den
Einnahmen jenes Zollvereins, aber der Schutz seiner Grenzen kostet uns nicht
das geringste Opfer.

Sind das nicht alles große Annehmlichkeiten? Wir sind denn auch ganz
zufrieden, oder vielmehr wir könnten es sein, wenn nur die bösen Träume
nicht wären. Unsere Lage zwischen Deutschland und Frankreich macht, daß
wir uns beständig als der Zankapfel zwischen zwei großen Nationen vor¬
kommen. Und es gibt Leute, die aus dieser Beängstigung, vor der uns doch
die europäische Garantie unserer Neutralität bewahren sollte, unaufhörlich
Früchte zu ziehen suchen, die uns giftig sind. Solche Leute stellen sich natür¬
lich als wären sie die eifrigsten Freunde unserer neutralen Unabhängigkeit.

Der gefällige Leser lasse sich erinnern, wenn die großen Ereignisse der
letzten Jahre ihm etwa die Erinnerung verwischt hätten, daß im Frühjahr
1867 der damalige Kaiser Napoleon den Kauf unseres Großherzogthums von
dem Hause Oranien mit dieser speculativen Firma abgeschlossen hatte, als
Preußen kurzweg erklärte, es werde seine Truppen, die auf Grund eines
europäischen Vertrages in der Festung Luxemburg standen, nicht vor den fran¬
zösischen Truppen zurückziehen. Da gab es auf kurze Zeit eine kriegsdrohende
Situation, alsdann eine europäische Conferenz. aus welcher die Verbürgung
unserer Neutralität und unser Fortbestand als souveräner Staat unter dem
Hause Nassau-Oranien hervorgingen.

Zur Zeit, als der Ankauf im Werke war, gab es eine Partei, die uns
tagtäglich mit größter Heftigkeit demonstrirte, daß wir an unserer Selbstän¬
digkeit moralisch und ökonomisch zu Grunde gehen müßten. Diese Partei be¬
stand nicht blos aus Wallonen und Franzosen, die wir in unserem deutschen
Lande haben, die Seele dieser Richtung waren vielmehr die Ultramontanen.

Wir haben, w.le der Leser weiß, einen Prinz-Statthalter, denn wir stehen
zwar unter der oranischen Dynastie, sind aber mit der niederländischen Krone
nur durch Personalunion verbunden. Dieser Prinz-Statthalter nun, Heinrich
seines Namens, hängt gar sehr an seinem Posten, was wir ihm durchaus
nicht verübeln. Verbände er nur mit dem Eifer, seine Stellung zu erhalten,
auch die nöthige Unbefangenheit und Weite des Blickes, dann wäre es mit
uns ganz gut bestellt. Prinz Heinrich also war ganz zufrieden, daß der


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[0042] internationalen Zollverein, während der frühere deutsche Zollverein nur inner¬ halb des deutschen Bundes bestand, zu welchem wir ja damals auch gehörten. Correcterweise müßte unser internationaler Zollverein den Namen des deutsch-luxemburgischen annehmen. Wie dieser Zollverein nun heiße, auf seiner Grundlage ist unsere Industrie erblüht, und auf derselben Grund¬ lage besteht und gedeiht sie weiter. Wir empfangen unseren Antheil an den Einnahmen jenes Zollvereins, aber der Schutz seiner Grenzen kostet uns nicht das geringste Opfer. Sind das nicht alles große Annehmlichkeiten? Wir sind denn auch ganz zufrieden, oder vielmehr wir könnten es sein, wenn nur die bösen Träume nicht wären. Unsere Lage zwischen Deutschland und Frankreich macht, daß wir uns beständig als der Zankapfel zwischen zwei großen Nationen vor¬ kommen. Und es gibt Leute, die aus dieser Beängstigung, vor der uns doch die europäische Garantie unserer Neutralität bewahren sollte, unaufhörlich Früchte zu ziehen suchen, die uns giftig sind. Solche Leute stellen sich natür¬ lich als wären sie die eifrigsten Freunde unserer neutralen Unabhängigkeit. Der gefällige Leser lasse sich erinnern, wenn die großen Ereignisse der letzten Jahre ihm etwa die Erinnerung verwischt hätten, daß im Frühjahr 1867 der damalige Kaiser Napoleon den Kauf unseres Großherzogthums von dem Hause Oranien mit dieser speculativen Firma abgeschlossen hatte, als Preußen kurzweg erklärte, es werde seine Truppen, die auf Grund eines europäischen Vertrages in der Festung Luxemburg standen, nicht vor den fran¬ zösischen Truppen zurückziehen. Da gab es auf kurze Zeit eine kriegsdrohende Situation, alsdann eine europäische Conferenz. aus welcher die Verbürgung unserer Neutralität und unser Fortbestand als souveräner Staat unter dem Hause Nassau-Oranien hervorgingen. Zur Zeit, als der Ankauf im Werke war, gab es eine Partei, die uns tagtäglich mit größter Heftigkeit demonstrirte, daß wir an unserer Selbstän¬ digkeit moralisch und ökonomisch zu Grunde gehen müßten. Diese Partei be¬ stand nicht blos aus Wallonen und Franzosen, die wir in unserem deutschen Lande haben, die Seele dieser Richtung waren vielmehr die Ultramontanen. Wir haben, w.le der Leser weiß, einen Prinz-Statthalter, denn wir stehen zwar unter der oranischen Dynastie, sind aber mit der niederländischen Krone nur durch Personalunion verbunden. Dieser Prinz-Statthalter nun, Heinrich seines Namens, hängt gar sehr an seinem Posten, was wir ihm durchaus nicht verübeln. Verbände er nur mit dem Eifer, seine Stellung zu erhalten, auch die nöthige Unbefangenheit und Weite des Blickes, dann wäre es mit uns ganz gut bestellt. Prinz Heinrich also war ganz zufrieden, daß der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/42>, abgerufen am 22.07.2024.