Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.Verwaltung, in den für die Einzelhaft bestimmten Gefängnissen auch Ein¬ Auf die Wahl des Haftsystems für jugendliche Verbrecher muß Ist für jugendliche Personen die Einzelhaft zulässig? Diese Frage müssen *) Mittheilungen aus den amtlichen Berichten über die zum Ministerium des Innern ge¬ hörenden königlich preußischen Straf- und Gefangen-Anstalten, betreffend die Jahre 1858, 185" resp. 1800. Berlin 18K1, S. W und 101. Statistik der zum Ressort des Ministeriums des Innern gehörenden Straf- und Gefangen-Anstalten für das Jahr 1809. Berlin 1871, S. 207. Scheffer: Wie soll die Behandlung jugendlicher Verbrecher vor dem Gesetz und im
Strafvollzug beschaffen sein? Blatter für Gefangnißkunde 1870. Bd. 4. S. 072. Verwaltung, in den für die Einzelhaft bestimmten Gefängnissen auch Ein¬ Auf die Wahl des Haftsystems für jugendliche Verbrecher muß Ist für jugendliche Personen die Einzelhaft zulässig? Diese Frage müssen *) Mittheilungen aus den amtlichen Berichten über die zum Ministerium des Innern ge¬ hörenden königlich preußischen Straf- und Gefangen-Anstalten, betreffend die Jahre 1858, 185» resp. 1800. Berlin 18K1, S. W und 101. Statistik der zum Ressort des Ministeriums des Innern gehörenden Straf- und Gefangen-Anstalten für das Jahr 1809. Berlin 1871, S. 207. Scheffer: Wie soll die Behandlung jugendlicher Verbrecher vor dem Gesetz und im
Strafvollzug beschaffen sein? Blatter für Gefangnißkunde 1870. Bd. 4. S. 072. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0346" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127742"/> <p xml:id="ID_1103" prev="#ID_1102"> Verwaltung, in den für die Einzelhaft bestimmten Gefängnissen auch Ein¬<lb/> richtungen für die gemeinsame Haft zu treffen. Auf der andern Seite lassen<lb/> die vielfachen Vorzüge der Einzelhaft dringend wünschen, daß in den für<lb/> die gemeinsame Haft bestimmten Gefängnissen auch Einrichtungen für die<lb/> Einzelhaft getroffen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1104"> Auf die Wahl des Haftsystems für jugendliche Verbrecher muß<lb/> die öffentliche Gesundheitspflege ein besonderes Gewicht legen. Dies leuchtet<lb/> sofort ein, wenn man bedenkt, daß jugendliche Verbrecher eine geringere<lb/> körperliche und geistige Widerstandskraft besitzen gegenüber denjenigen<lb/> schädlichen Einflüssen des Gefängnisses, welche die Erfüllung der ihm<lb/> von der öffentlichen Gesundheitspflege gestellten Hauptaufgabe, nämlich die<lb/> Vorbereitung des Gefangenen für die Freiheit, stören, während es gerade bei<lb/> jugendlichen Verbrechern unerläßlich ist und maßgebend bleiben muß, daß sie<lb/> während der Haft die Fähigkeit erlangen, nach der Entlassung durch ehrlichen<lb/> Erwerb in gesundheitsgemäße Verhältnisse zu gelangen. In dem Sinne der<lb/> öffentlichen Gesundheitspflege müssen alle Gefängnisse für jugendliche Ver¬<lb/> brecher den Charakter sogenannter Rettungshäuser haben, das Bild eines sitt¬<lb/> lichen Familienlebens darbieten, durch weise Anwendung von überzeugender<lb/> Liebe und von strenger Zucht eine gesundheitsgemäße Entwickelung des Kör¬<lb/> pers und Geistes unausgesetzt im Auge haben und unter diesen Gesichtspunkt<lb/> alle Maßregeln bringen, welche das Gefängniß an sich nicht entbehren kann.<lb/> Verbrecher, welche das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten haben, müßten<lb/> nur in die oben bezeichneten Anstalten, nie in Gefängnisse für Erwachsene<lb/> untergebracht werden, Personen vom 18. bis zum 24. Lebensjahre dürften<lb/> zwar in Gefängnissen für Erwachsene ihre Strafe abbüßen, erheischen aber die<lb/> größte Sorgfalt rücksichtlich ihres Verkehrs mit älteren Sträflingen. Wie<lb/> viel in dieser Hinsicht zu wünschen übrig bleibt, mögen einige Beispiele zeigen.<lb/> In Preußen wurden im Jahre 1839 im Alter von 16 bis 20 Jahren 468<lb/> Personen (377 männliche, 81 weibliche) in 34 Zuchthäuser, im Jahre 1869<lb/> 420 Personen (363 männliche, 67 weibliche) in 39 Zuchthäuser eingeliefert.*)<lb/> Nach Scheffer **) verbüßten im Jahre 1862 in Preußen 6133 Kinder unter<lb/> 16 Jahren ihre Strafe in den öffentlichen Gefangenenanstalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1105" next="#ID_1106"> Ist für jugendliche Personen die Einzelhaft zulässig? Diese Frage müssen<lb/> wir verneinen, wenn wir erwägen, daß die körperliche Entwickelung jugent-</p><lb/> <note xml:id="FID_95" place="foot"> *) Mittheilungen aus den amtlichen Berichten über die zum Ministerium des Innern ge¬<lb/> hörenden königlich preußischen Straf- und Gefangen-Anstalten, betreffend die Jahre 1858, 185»<lb/> resp. 1800. Berlin 18K1, S. W und 101. Statistik der zum Ressort des Ministeriums des<lb/> Innern gehörenden Straf- und Gefangen-Anstalten für das Jahr 1809. Berlin 1871, S. 207.</note><lb/> <note xml:id="FID_96" place="foot"> Scheffer: Wie soll die Behandlung jugendlicher Verbrecher vor dem Gesetz und im<lb/> Strafvollzug beschaffen sein? Blatter für Gefangnißkunde 1870. Bd. 4. S. 072.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0346]
Verwaltung, in den für die Einzelhaft bestimmten Gefängnissen auch Ein¬
richtungen für die gemeinsame Haft zu treffen. Auf der andern Seite lassen
die vielfachen Vorzüge der Einzelhaft dringend wünschen, daß in den für
die gemeinsame Haft bestimmten Gefängnissen auch Einrichtungen für die
Einzelhaft getroffen werden.
Auf die Wahl des Haftsystems für jugendliche Verbrecher muß
die öffentliche Gesundheitspflege ein besonderes Gewicht legen. Dies leuchtet
sofort ein, wenn man bedenkt, daß jugendliche Verbrecher eine geringere
körperliche und geistige Widerstandskraft besitzen gegenüber denjenigen
schädlichen Einflüssen des Gefängnisses, welche die Erfüllung der ihm
von der öffentlichen Gesundheitspflege gestellten Hauptaufgabe, nämlich die
Vorbereitung des Gefangenen für die Freiheit, stören, während es gerade bei
jugendlichen Verbrechern unerläßlich ist und maßgebend bleiben muß, daß sie
während der Haft die Fähigkeit erlangen, nach der Entlassung durch ehrlichen
Erwerb in gesundheitsgemäße Verhältnisse zu gelangen. In dem Sinne der
öffentlichen Gesundheitspflege müssen alle Gefängnisse für jugendliche Ver¬
brecher den Charakter sogenannter Rettungshäuser haben, das Bild eines sitt¬
lichen Familienlebens darbieten, durch weise Anwendung von überzeugender
Liebe und von strenger Zucht eine gesundheitsgemäße Entwickelung des Kör¬
pers und Geistes unausgesetzt im Auge haben und unter diesen Gesichtspunkt
alle Maßregeln bringen, welche das Gefängniß an sich nicht entbehren kann.
Verbrecher, welche das 18. Lebensjahr noch nicht überschritten haben, müßten
nur in die oben bezeichneten Anstalten, nie in Gefängnisse für Erwachsene
untergebracht werden, Personen vom 18. bis zum 24. Lebensjahre dürften
zwar in Gefängnissen für Erwachsene ihre Strafe abbüßen, erheischen aber die
größte Sorgfalt rücksichtlich ihres Verkehrs mit älteren Sträflingen. Wie
viel in dieser Hinsicht zu wünschen übrig bleibt, mögen einige Beispiele zeigen.
In Preußen wurden im Jahre 1839 im Alter von 16 bis 20 Jahren 468
Personen (377 männliche, 81 weibliche) in 34 Zuchthäuser, im Jahre 1869
420 Personen (363 männliche, 67 weibliche) in 39 Zuchthäuser eingeliefert.*)
Nach Scheffer **) verbüßten im Jahre 1862 in Preußen 6133 Kinder unter
16 Jahren ihre Strafe in den öffentlichen Gefangenenanstalten.
Ist für jugendliche Personen die Einzelhaft zulässig? Diese Frage müssen
wir verneinen, wenn wir erwägen, daß die körperliche Entwickelung jugent-
*) Mittheilungen aus den amtlichen Berichten über die zum Ministerium des Innern ge¬
hörenden königlich preußischen Straf- und Gefangen-Anstalten, betreffend die Jahre 1858, 185»
resp. 1800. Berlin 18K1, S. W und 101. Statistik der zum Ressort des Ministeriums des
Innern gehörenden Straf- und Gefangen-Anstalten für das Jahr 1809. Berlin 1871, S. 207.
Scheffer: Wie soll die Behandlung jugendlicher Verbrecher vor dem Gesetz und im
Strafvollzug beschaffen sein? Blatter für Gefangnißkunde 1870. Bd. 4. S. 072.
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