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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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daß es jetzt nur darauf ankommt, eine positive Norm überhaupt hinzustellen,
deren Vervollkommnung die Sache der Praxis sein muß.

Der Reichsrechnungshof hat sein Modell in der erst in der jüngsten
Landtagssession gesetzlich neu befestigten Oberrechnungskammer für den preu¬
ßischen Staat, so daß bei dem Beschluß über die Einrichtung der Reichsbe¬
hörde wohl lediglich eine formale Aufgabe vorliegt.

Unter den übrigen Gegenständen ist von Wichtigkeit nur der Beschluß
über die Verwendung der Kriegsentschädigung, die Frankreich uns zu zahlen
hat. Der betreffende Gesetzvorschlag ist der einzige, dessen Inhalt einige
Spannung erregt.

Unter den Vorlagen für den Reichstag gibt es eine, die, wie man zu
sagen Pflegt, durch ihre Abwesenheit glänzt. Wir meinen das im vorigen
Herbst für die jetzige Session in Aussicht genommene Münzgesetz. Der preu¬
ßische Finanzminister und Bevollmächtigte zum Bundesrath für das Reichs-
sinanzwesen muß gute Gründe haben, den Aufschub dieses Gesetzes für thun¬
lich, vielleicht sogar für rathsam zu halten. Möglich, daß das Gold, von
dessen Ausmünzung zu beträchtlichen Quantitäten in der neuen Neichswährung
wir lesen, von dem wir aber im Verkehr selten ein Stück zu sehen bekommen
-- möglich, daß diese schöne neue Münze in die Keller der Banken und daß
das bisher dort befindliche Silber nach dem Ausland wandert als Zahlung
für alte Verbindlichkeiten. Es wäre ein Meisterstück, wenn eines Tages die
Vorlage zur Einführung der Goldwährung erschiene und der Finanzminister
dabei sagen könnte: die Goldmünze ist da, sie i.se nicht nach dem Ausland ge¬
wandert, sie liegt in unseren Kellern und ist bereit, den Verkehr zu speisen,
sobald wir dem Papiergeld die Wege weisen; und des Silbers, soweit wir es
nicht mehr brauchen, haben wir uns glücklich entledigt.

Hoffen wir, daß diese schöne Aussicht in Erfüllung geht!

Von den Verhandlungen des Reichstags ist aus der Einleitungswoche
nichts zu berichten. In den Consularvertrag mit den Vereinigten Staaten,
der am 12. April genehmigt wurde, wollen wir uns nicht vertiefen, so wenig
wie in den Handelsvertrag mit Portugal. Der Nachtrag zum Reichshaus¬
halt für 1872 wird erst bei dem Beschluß über die einzelnen Positionen An¬
laß zur Besprechung geben. Vorläufig hat der Reichstag beschlossen, den
Reichshaushalt für 1873 und den Nachtrag für das laufende Jahr gleich¬
zeitig zu berathen.


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daß es jetzt nur darauf ankommt, eine positive Norm überhaupt hinzustellen,
deren Vervollkommnung die Sache der Praxis sein muß.

Der Reichsrechnungshof hat sein Modell in der erst in der jüngsten
Landtagssession gesetzlich neu befestigten Oberrechnungskammer für den preu¬
ßischen Staat, so daß bei dem Beschluß über die Einrichtung der Reichsbe¬
hörde wohl lediglich eine formale Aufgabe vorliegt.

Unter den übrigen Gegenständen ist von Wichtigkeit nur der Beschluß
über die Verwendung der Kriegsentschädigung, die Frankreich uns zu zahlen
hat. Der betreffende Gesetzvorschlag ist der einzige, dessen Inhalt einige
Spannung erregt.

Unter den Vorlagen für den Reichstag gibt es eine, die, wie man zu
sagen Pflegt, durch ihre Abwesenheit glänzt. Wir meinen das im vorigen
Herbst für die jetzige Session in Aussicht genommene Münzgesetz. Der preu¬
ßische Finanzminister und Bevollmächtigte zum Bundesrath für das Reichs-
sinanzwesen muß gute Gründe haben, den Aufschub dieses Gesetzes für thun¬
lich, vielleicht sogar für rathsam zu halten. Möglich, daß das Gold, von
dessen Ausmünzung zu beträchtlichen Quantitäten in der neuen Neichswährung
wir lesen, von dem wir aber im Verkehr selten ein Stück zu sehen bekommen
— möglich, daß diese schöne neue Münze in die Keller der Banken und daß
das bisher dort befindliche Silber nach dem Ausland wandert als Zahlung
für alte Verbindlichkeiten. Es wäre ein Meisterstück, wenn eines Tages die
Vorlage zur Einführung der Goldwährung erschiene und der Finanzminister
dabei sagen könnte: die Goldmünze ist da, sie i.se nicht nach dem Ausland ge¬
wandert, sie liegt in unseren Kellern und ist bereit, den Verkehr zu speisen,
sobald wir dem Papiergeld die Wege weisen; und des Silbers, soweit wir es
nicht mehr brauchen, haben wir uns glücklich entledigt.

Hoffen wir, daß diese schöne Aussicht in Erfüllung geht!

Von den Verhandlungen des Reichstags ist aus der Einleitungswoche
nichts zu berichten. In den Consularvertrag mit den Vereinigten Staaten,
der am 12. April genehmigt wurde, wollen wir uns nicht vertiefen, so wenig
wie in den Handelsvertrag mit Portugal. Der Nachtrag zum Reichshaus¬
halt für 1872 wird erst bei dem Beschluß über die einzelnen Positionen An¬
laß zur Besprechung geben. Vorläufig hat der Reichstag beschlossen, den
Reichshaushalt für 1873 und den Nachtrag für das laufende Jahr gleich¬
zeitig zu berathen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/165>, abgerufen am 22.07.2024.