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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Weltmarkt erscheint und den es in dieser Beziehung fast zur Hälfte versorgt,
ist der Kaffee. Die Ernte des Finanzjahres 1870--187l stellte sich auf
2,618.067 Sack gegen 2,104,490 im Vorjahre. Auch der Import steigt, und
die deutschen Häuser, welche in allen größeren Hafenstädten angesessen sind und
zu den resvectabelsten Firmen zählen, machen den englischen, die bisher den
Import vorzugsweise in der Hand hatten, bereits gefährliche Concurrenz. In
den südlichen Häfen, Porto Alegre, Rio Grande do Suk u. f. w. hat der
deutsche Import den englischen bereits geschlagen, eine Folge der deutschen
Einwanderung gerade nach den Südprovinzen, und ein Fingerzeig für das,
was der deutsche Handel in Südbrasilien zu erwarten hat, wenn die deutsche
Einwanderung mehr als bisher sich dorthin wendet.

Eine natürliche Folge des vermehrten Imports und Exports ist eine
Hebung der Neichsfinanzen. Die nachstehenden Ziffern sprechen in dieser Be¬
ziehung deutlich; denn, abgesehen von den Jahren 1866--1870, in welche der
Krieg gegen Paraguay fällt, stellen die Finanzen sich entschieden günstig und
zeigen einen stetigen Aufschwung.

1826 622,00(1 Pfd. Sterl. Einnahmen. 728,0V" Pfd. Sterl. Ausgaben.
1836 1,413.000 - - - 1,433.000 - -
1846 2,820,000 - - - 2,446,000 - - -
1856 4,194,000 - - - 4,276,000 - - -
1866 (Krieg) 6,351,000 - - - 12.536,000 - - -
1870 (Krieg) 9,560,000 - - - 11,975,000 - - -
1871 9,580,000 - - - 8,574,000 -

Ohne den menschen- und geldverschlingenden Krieg gegen Paraguay wür¬
den die Finanzen Brasiliens sich durchaus günstig gestaltet haben. Aber sie
sind darum noch keineswegs schlecht zu nennen, im Gegentheil immer noch in
einer besseren Lage als die der sogenannten Republiken Südamerikas, welche
unter gleichen natürlichen Verhältnissen wie Brasilien stehen, aber mit ihrer
republikanischen Mißwirthschaft, dem ewigen Präsidentenwechsel, den chronisch
gewordenen Pronunciamentos und der allgemeinen Anarchie weit hinter dem
monarchischen Staate zurückbleiben, da dieser ehrgeizigen Prätorianern nicht
den Spielraum gewährt, wie jene Freistaaten. Im verflossenen Jahre machte
Brasilien nur eine neue fünfprocentige Anleihe von drei Millionen Pfd. Sterl.
in London, die zu 89 begeben wurde und am Schlüsse des Jahres auf 94^2
stand. Dadurch wurde die äußere Schuld jenes Reiches auf 15.741,100 Pfd.
Sterl. erhöht, was immerhin bei einer Bevölkerung von 9 Millionen Seelen
und einem Einkommen von mehr als 9 Mill. Pfd. Sterl. nicht bedeutend
genannt werden kann. Die älteren Anleihen (im Ganzen sechs von 1852 bis
1865 im Betrage von 12,720,700 Pfd. Sterling) wurden 1871 durch Amor¬
tisation um 354,600 Pfd. Sterl. verringert, immerhin eine bedeutende Summe,
wenn man bedenkt, daß Brasilien noch die Nachwehen eines fast vierjährigen


Weltmarkt erscheint und den es in dieser Beziehung fast zur Hälfte versorgt,
ist der Kaffee. Die Ernte des Finanzjahres 1870—187l stellte sich auf
2,618.067 Sack gegen 2,104,490 im Vorjahre. Auch der Import steigt, und
die deutschen Häuser, welche in allen größeren Hafenstädten angesessen sind und
zu den resvectabelsten Firmen zählen, machen den englischen, die bisher den
Import vorzugsweise in der Hand hatten, bereits gefährliche Concurrenz. In
den südlichen Häfen, Porto Alegre, Rio Grande do Suk u. f. w. hat der
deutsche Import den englischen bereits geschlagen, eine Folge der deutschen
Einwanderung gerade nach den Südprovinzen, und ein Fingerzeig für das,
was der deutsche Handel in Südbrasilien zu erwarten hat, wenn die deutsche
Einwanderung mehr als bisher sich dorthin wendet.

Eine natürliche Folge des vermehrten Imports und Exports ist eine
Hebung der Neichsfinanzen. Die nachstehenden Ziffern sprechen in dieser Be¬
ziehung deutlich; denn, abgesehen von den Jahren 1866—1870, in welche der
Krieg gegen Paraguay fällt, stellen die Finanzen sich entschieden günstig und
zeigen einen stetigen Aufschwung.

1826 622,00(1 Pfd. Sterl. Einnahmen. 728,0V» Pfd. Sterl. Ausgaben.
1836 1,413.000 - - - 1,433.000 - -
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1871 9,580,000 - - - 8,574,000 -

Ohne den menschen- und geldverschlingenden Krieg gegen Paraguay wür¬
den die Finanzen Brasiliens sich durchaus günstig gestaltet haben. Aber sie
sind darum noch keineswegs schlecht zu nennen, im Gegentheil immer noch in
einer besseren Lage als die der sogenannten Republiken Südamerikas, welche
unter gleichen natürlichen Verhältnissen wie Brasilien stehen, aber mit ihrer
republikanischen Mißwirthschaft, dem ewigen Präsidentenwechsel, den chronisch
gewordenen Pronunciamentos und der allgemeinen Anarchie weit hinter dem
monarchischen Staate zurückbleiben, da dieser ehrgeizigen Prätorianern nicht
den Spielraum gewährt, wie jene Freistaaten. Im verflossenen Jahre machte
Brasilien nur eine neue fünfprocentige Anleihe von drei Millionen Pfd. Sterl.
in London, die zu 89 begeben wurde und am Schlüsse des Jahres auf 94^2
stand. Dadurch wurde die äußere Schuld jenes Reiches auf 15.741,100 Pfd.
Sterl. erhöht, was immerhin bei einer Bevölkerung von 9 Millionen Seelen
und einem Einkommen von mehr als 9 Mill. Pfd. Sterl. nicht bedeutend
genannt werden kann. Die älteren Anleihen (im Ganzen sechs von 1852 bis
1865 im Betrage von 12,720,700 Pfd. Sterling) wurden 1871 durch Amor¬
tisation um 354,600 Pfd. Sterl. verringert, immerhin eine bedeutende Summe,
wenn man bedenkt, daß Brasilien noch die Nachwehen eines fast vierjährigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/134>, abgerufen am 22.07.2024.