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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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durch den nach allen Seiten hin so reichlich ausgebreiteten Vertrieb des deut¬
schen Buchhandels der großen Lesewelt zugeleitet worden wären. Solches ist
auch in der Hauptsache die Absicht des gegenwärtigen Unternehmens. Aber
so einfach ließ sich die Sache doch nicht ausführen. Umfang und Kosten
mußten in bescheidene Grenzen eingeschränkt werden, sollte nicht der gemein¬
nützige Zweck, und damit die Lebensbedingung des Unternehmens selbst von
vornherein verfehlt sein. Damit war die Nothwendigkeit gegeben, das Material
zu sichten. Die stenographischen Berichte der ersten Sitzungsperiode des deut¬
schen Reichstags umfassen über 1200 große und enggedruckte Quartseiten, nicht
eingerechnet die besonders abgedruckten Texte der Entwürfe, Motivirungen
und Berichte, welche noch beinahe ebensoviel aufbringen, und welche zur Ge¬
winnung eines richtigen Einblicks in die Embryologie der Gesetze nicht zu
entbehren sind. Zwang zur Ausscheidung war also unabweisbar vorhanden.
Um so schwieriger war das Wie? Den Hauptinhalt des Sammelwerkes sollten
die Aeußerungen der Reichsbehörden und Rei ass t ags mi egli eder
selbst bilden. Ohne den eigentlichen Zweck umzukehren, durfte also hier nicht
allzu wild ins Fleisch hineingeschnitten werden. Es stellte sich in erster Linie
die Frage ein: ob grundsätzlich die Auslassungen der Redner in ihrer ursprüng¬
lichen Form oder in der indirekten und der nur dabei statthaften abgekürzten
Weise sollten wiedergegeben werden. Die letztere Methode gab natürlich von
der einen Seite das Mittel an die Hand, Raum uno damit mechanische Her¬
stellungskosten zu ersparen; allein von der anderen Seite erheischte die Auf¬
gabe dadurch einen um so größeren Aufwand an Mühe und Zeit bei der
Umarbeitung des Textes, Dinge die natürlich auch sich in Herstellungskosten,
somit in Ladenpreis umsetzen müssen. Angesichts dieser Alternative gab eine
Erwägung den Ausschlag. Nicht blos der Inhalt, sondern auch die Form
der parlamentarischen Verhandlungen soll der Lesewelt zugetragen,
künftigen Studien aufbewahrt bleiben, und bei der indirekten und abgekürzten
Redeweise ging die Form natürlich sofort in die Brüche. Das Richtigste
wäre vielleicht eine wohlbcmessene Abwechslung zwischen beiden Arten. Denk¬
würdiger oratorischen Leistungen könnte die Wiedergabe in der ursprünglichen
Fassung vorbehalten bleiben und Vorträgen, die nur wegen ihres Inhalts
bemerkenswerth erscheinen, mit dem Extract Genüge geleistet werden. In
solcher Weise verfährt ja auch die größere Tagespresse. Gelingt dem gegen¬
wärtigen Unternehmen Fuß zu fassen, so möchte wahrscheinlich allmälig dieses
Verfahren eingeschlagen werden müssen. Für diesmal ist es als zu complicirt
noch unversucht geblieben. Um Raum zu gewinnen, wurde nur meist mecha¬
nisch eingegriffen. Zunächst ward alles weggeschnitten, was nebensächliche
Formen der Verhandlung reproducirt, namentlich was nur die äußere Leitung
der Debatten zu sichern bestimmt ist. Der Text springt überall mitten in den


durch den nach allen Seiten hin so reichlich ausgebreiteten Vertrieb des deut¬
schen Buchhandels der großen Lesewelt zugeleitet worden wären. Solches ist
auch in der Hauptsache die Absicht des gegenwärtigen Unternehmens. Aber
so einfach ließ sich die Sache doch nicht ausführen. Umfang und Kosten
mußten in bescheidene Grenzen eingeschränkt werden, sollte nicht der gemein¬
nützige Zweck, und damit die Lebensbedingung des Unternehmens selbst von
vornherein verfehlt sein. Damit war die Nothwendigkeit gegeben, das Material
zu sichten. Die stenographischen Berichte der ersten Sitzungsperiode des deut¬
schen Reichstags umfassen über 1200 große und enggedruckte Quartseiten, nicht
eingerechnet die besonders abgedruckten Texte der Entwürfe, Motivirungen
und Berichte, welche noch beinahe ebensoviel aufbringen, und welche zur Ge¬
winnung eines richtigen Einblicks in die Embryologie der Gesetze nicht zu
entbehren sind. Zwang zur Ausscheidung war also unabweisbar vorhanden.
Um so schwieriger war das Wie? Den Hauptinhalt des Sammelwerkes sollten
die Aeußerungen der Reichsbehörden und Rei ass t ags mi egli eder
selbst bilden. Ohne den eigentlichen Zweck umzukehren, durfte also hier nicht
allzu wild ins Fleisch hineingeschnitten werden. Es stellte sich in erster Linie
die Frage ein: ob grundsätzlich die Auslassungen der Redner in ihrer ursprüng¬
lichen Form oder in der indirekten und der nur dabei statthaften abgekürzten
Weise sollten wiedergegeben werden. Die letztere Methode gab natürlich von
der einen Seite das Mittel an die Hand, Raum uno damit mechanische Her¬
stellungskosten zu ersparen; allein von der anderen Seite erheischte die Auf¬
gabe dadurch einen um so größeren Aufwand an Mühe und Zeit bei der
Umarbeitung des Textes, Dinge die natürlich auch sich in Herstellungskosten,
somit in Ladenpreis umsetzen müssen. Angesichts dieser Alternative gab eine
Erwägung den Ausschlag. Nicht blos der Inhalt, sondern auch die Form
der parlamentarischen Verhandlungen soll der Lesewelt zugetragen,
künftigen Studien aufbewahrt bleiben, und bei der indirekten und abgekürzten
Redeweise ging die Form natürlich sofort in die Brüche. Das Richtigste
wäre vielleicht eine wohlbcmessene Abwechslung zwischen beiden Arten. Denk¬
würdiger oratorischen Leistungen könnte die Wiedergabe in der ursprünglichen
Fassung vorbehalten bleiben und Vorträgen, die nur wegen ihres Inhalts
bemerkenswerth erscheinen, mit dem Extract Genüge geleistet werden. In
solcher Weise verfährt ja auch die größere Tagespresse. Gelingt dem gegen¬
wärtigen Unternehmen Fuß zu fassen, so möchte wahrscheinlich allmälig dieses
Verfahren eingeschlagen werden müssen. Für diesmal ist es als zu complicirt
noch unversucht geblieben. Um Raum zu gewinnen, wurde nur meist mecha¬
nisch eingegriffen. Zunächst ward alles weggeschnitten, was nebensächliche
Formen der Verhandlung reproducirt, namentlich was nur die äußere Leitung
der Debatten zu sichern bestimmt ist. Der Text springt überall mitten in den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/468>, abgerufen am 05.02.2025.