Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Gute kommen lassen. Hieraus sind sehr wichtige Zusätze entstanden, nament¬ Wer wollte bezweifeln, daß die jüngsten Jahrzehnte in gleicher Weise So mag auch derjenige, der die Ungunst unsrer rein politischen Tage Gute kommen lassen. Hieraus sind sehr wichtige Zusätze entstanden, nament¬ Wer wollte bezweifeln, daß die jüngsten Jahrzehnte in gleicher Weise So mag auch derjenige, der die Ungunst unsrer rein politischen Tage <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0451" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192752"/> <p xml:id="ID_1646" prev="#ID_1645"> Gute kommen lassen. Hieraus sind sehr wichtige Zusätze entstanden, nament¬<lb/> lich über Ninivitische Kunst, schärfere und detaillirtere Ausführungen über<lb/> den Entwickelungsgang der griechischen und altchristlichen Kunst, besonders<lb/> über die Kleinkünste bei den Germanen. Die Geschichte und Entwickelung<lb/> der Malerei und Plastik des Is. und 16. Jahrhunderts, in Italien wie im<lb/> nördlicheren Europa hat erhebliche Bereicherung und Ausführlichkeit erfahren.<lb/> Als besonders für Laien schätzbare Neuerung dieser Auflage verdient aber<lb/> hervorgehoben zu werden das Verzeichnis der sämmtlichen vorkommenden<lb/> Kunstausdrücke, welches die schon durch die gründlich gearbeiteten Register<lb/> erleichterte Orientirung in dem Haushalt und künstlerischen Handwerkszeug<lb/> des Buches wesentlich fördert. Die vortrefflich gelungenen Holzschnitte sind<lb/> jetzt auf 442 angewachsen; gewiß ein Anschauungsmaterial von seltener Voll¬<lb/> ständigkeit und Reichhaltigkeit! So möge denn die Gunst des deutschen Pu-<lb/> blicums auch die erneute Arbeit und Forschung des unermüdlichen Verfassers<lb/> reichlich lohnen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1647"> Wer wollte bezweifeln, daß die jüngsten Jahrzehnte in gleicher Weise<lb/> wie für die Auffassung der Kunstgeschichte, auch für die Darstellung der<lb/> Liter« turgeschichte aller Culturvölker wichtig und epochemachend gewesen<lb/> sind. Vor allem aber gebührt das Lob unzweifelhaft den literarhistorischen<lb/> Studien unserer Tage, daß sie weit hinaustreten über jene engen nationalen<lb/> Gesichtspunkte früherer Zeiten, wo man die Literargeschichte des eigenen Vol¬<lb/> kes durch die Vorführung des Lebens, des Schaffens und Wirt'eus der be¬<lb/> rühmtesten Nationalschriftsteller, und allenfalls noch ihres Verhältnisses zur<lb/> antiken oder ausländischen Literatur zu erschöpfen meinte. Die moderne Zeit<lb/> arbeitet in der Erkenntniß, daß das geschriebene Wort und der gedruckte Ge¬<lb/> danke sofort Eigenthum der ganzen Welt wird, und sich nimmer fesseln<lb/> läßt an die Grenzen des politischen Staates, dem der Autor angehörte. Die<lb/> Wechselwirkung und gegenseitige geistige Befruchtung der Nationen, wie sie<lb/> Jahrhunderte lang zwischen dem Süden und Norden,' dem Westen und Osten<lb/> unseres Continentes stattgefunden hat. nachgewiesen zu haben, ist der größte<lb/> Triumph moderner Literaturgeschichte — denn sie wird dadurch zur Cultur¬<lb/> geschichte im besten Sinne deö Wortes. Das ist der hohe Gesichtspunkt, auf<lb/> welchem — wie diese Blätter früher schon eingehend nachgewiesen haben —<lb/> vor Allem Hermann Hettner's Literaturgeschichte' des achtzehn¬<lb/> ten Jahrhunderts steht, von der jetzt eben bei Friedrich Vieweg u. Sohn<lb/> in Braunschweig eine neue Auflage erschienen ist (die dritte Auflage vom<lb/> 1. und 2. Theil, die zweite vom 3. Theil). Die großen Aufklärungskämpfe,<lb/> welche in England beginnen, von hier den Zündstoff zu unermeßlicher Ge¬<lb/> dankenumwälzung nach'Frankreich und von hier in erneuter Umbildung nach<lb/> Deutschland tragen, schildert Hettner's Werk. Von den Tagen Newton's an<lb/> bis zu Goethe's Sterben liegt in einer ununterbrochenen Kette vor uns die<lb/> Geistesarbeit der hervorragendsten drei europäischen Völker der letzten drei<lb/> Jahrhunderte, der Briten, der Franzosen, der Deutschen. Kein Wunder,<lb/> daß die verwandtesten Geisteskämpfe in allen drei Nationen in Wahrheit die<lb/> Moderne ^eit und den modernen Staat heraufführen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1648" next="#ID_1649"> So mag auch derjenige, der die Ungunst unsrer rein politischen Tage<lb/> gegen die Interessen und Forschungen der schönen Literatur für ein gesundes<lb/> Eymptom unsres neuerwachten Staatsbewußtseins erachtet. Hettners Buch<lb/> Mit reichem Nutzen zur Hand nehmen, denn es beschränkt sich nicht allein darauf,<lb/> nur der schönen Literatur während der letzten 200 Jahre bei den drei Völkern<lb/> nachzugehen, sondern es umfaßt das ganze Gebiet des schriftstellerischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0451]
Gute kommen lassen. Hieraus sind sehr wichtige Zusätze entstanden, nament¬
lich über Ninivitische Kunst, schärfere und detaillirtere Ausführungen über
den Entwickelungsgang der griechischen und altchristlichen Kunst, besonders
über die Kleinkünste bei den Germanen. Die Geschichte und Entwickelung
der Malerei und Plastik des Is. und 16. Jahrhunderts, in Italien wie im
nördlicheren Europa hat erhebliche Bereicherung und Ausführlichkeit erfahren.
Als besonders für Laien schätzbare Neuerung dieser Auflage verdient aber
hervorgehoben zu werden das Verzeichnis der sämmtlichen vorkommenden
Kunstausdrücke, welches die schon durch die gründlich gearbeiteten Register
erleichterte Orientirung in dem Haushalt und künstlerischen Handwerkszeug
des Buches wesentlich fördert. Die vortrefflich gelungenen Holzschnitte sind
jetzt auf 442 angewachsen; gewiß ein Anschauungsmaterial von seltener Voll¬
ständigkeit und Reichhaltigkeit! So möge denn die Gunst des deutschen Pu-
blicums auch die erneute Arbeit und Forschung des unermüdlichen Verfassers
reichlich lohnen!
Wer wollte bezweifeln, daß die jüngsten Jahrzehnte in gleicher Weise
wie für die Auffassung der Kunstgeschichte, auch für die Darstellung der
Liter« turgeschichte aller Culturvölker wichtig und epochemachend gewesen
sind. Vor allem aber gebührt das Lob unzweifelhaft den literarhistorischen
Studien unserer Tage, daß sie weit hinaustreten über jene engen nationalen
Gesichtspunkte früherer Zeiten, wo man die Literargeschichte des eigenen Vol¬
kes durch die Vorführung des Lebens, des Schaffens und Wirt'eus der be¬
rühmtesten Nationalschriftsteller, und allenfalls noch ihres Verhältnisses zur
antiken oder ausländischen Literatur zu erschöpfen meinte. Die moderne Zeit
arbeitet in der Erkenntniß, daß das geschriebene Wort und der gedruckte Ge¬
danke sofort Eigenthum der ganzen Welt wird, und sich nimmer fesseln
läßt an die Grenzen des politischen Staates, dem der Autor angehörte. Die
Wechselwirkung und gegenseitige geistige Befruchtung der Nationen, wie sie
Jahrhunderte lang zwischen dem Süden und Norden,' dem Westen und Osten
unseres Continentes stattgefunden hat. nachgewiesen zu haben, ist der größte
Triumph moderner Literaturgeschichte — denn sie wird dadurch zur Cultur¬
geschichte im besten Sinne deö Wortes. Das ist der hohe Gesichtspunkt, auf
welchem — wie diese Blätter früher schon eingehend nachgewiesen haben —
vor Allem Hermann Hettner's Literaturgeschichte' des achtzehn¬
ten Jahrhunderts steht, von der jetzt eben bei Friedrich Vieweg u. Sohn
in Braunschweig eine neue Auflage erschienen ist (die dritte Auflage vom
1. und 2. Theil, die zweite vom 3. Theil). Die großen Aufklärungskämpfe,
welche in England beginnen, von hier den Zündstoff zu unermeßlicher Ge¬
dankenumwälzung nach'Frankreich und von hier in erneuter Umbildung nach
Deutschland tragen, schildert Hettner's Werk. Von den Tagen Newton's an
bis zu Goethe's Sterben liegt in einer ununterbrochenen Kette vor uns die
Geistesarbeit der hervorragendsten drei europäischen Völker der letzten drei
Jahrhunderte, der Briten, der Franzosen, der Deutschen. Kein Wunder,
daß die verwandtesten Geisteskämpfe in allen drei Nationen in Wahrheit die
Moderne ^eit und den modernen Staat heraufführen.
So mag auch derjenige, der die Ungunst unsrer rein politischen Tage
gegen die Interessen und Forschungen der schönen Literatur für ein gesundes
Eymptom unsres neuerwachten Staatsbewußtseins erachtet. Hettners Buch
Mit reichem Nutzen zur Hand nehmen, denn es beschränkt sich nicht allein darauf,
nur der schönen Literatur während der letzten 200 Jahre bei den drei Völkern
nachzugehen, sondern es umfaßt das ganze Gebiet des schriftstellerischen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |