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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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konnte z. B. und der Neuen Preußischen Zeitung, welche bekanntlich von der
Post vielfach für Landbewohner debitirt wird, Zeichnungen von landwirth-
schaftlichen Maschinen nicht versenden. Künftig, von einem noch zu bestimmen¬
den Termine ab, wird dies gestattet sein. Die Versendung solcher Zeitungs¬
beilagen soll auf Antrag des Verlegers stattfinden. Letzterer würde sie der
Aufgabe-Postanstalt vorzulegen haben, welche die Beilagen für eine sehr mäßige
Gebühr (etwa 1 Pfennig) zu stempeln und sie alsdann dem Verleger zurückzu¬
geben hat. Dieser erlangt dadurch das Recht, solche gestempelte Beilagen
innerhalb eines bestimmten Zeitraums mit einer beliebigen, für seine Zwecke
geeigneten Zeitung durch die Post debitiren zu lassen. Unzweifelhaft wird eine
derartige Einrichtung der weiten Verbreitung v on Preß erzeugnissen in
1. hohem Grade förderlich sein.




Deutschland und Aeßreich"

-- Die auswärtige Politik eines Reiches hat
sich nach Interessen und nicht nach Sympathien und Gefühlen zu richten ---
diesen Satz bekennen heute wohl alle deutschen Politiker als richtig. Und
dennoch, die alte in unserem politischen Leben so gut wie eingewurzelte Ge¬
wohnheit des Denkens und Redens erhält in jedem einzelnen Falle auch heute
noch die Oberhand über jene Maxime, die wir alle mit dem Munde beken¬
nen. Der geniale Leiter der deutschen Politik ist allerdings frei von Ge¬
fühlsimpulsen in feiner diplomatischen Action -- die öffentliche Meinung aber,
so weit sie sich in unserer Presse spiegelt, steht heute noch auf dem Boden,
den sie in dem 4. und 5. und K. Jahrzehnt unseres Jahrhunderts erreicht-
sie hat von dem großen Zuge, der unser auswärtiges Amt beseelt, bisher
noch wenig gelernt.

Wie beschämend und wie betrübend dieser Sachverhalt auch fein mag,
deutlich liegt er vor in den Erörterungen unserer Zeitungen über Oestreich.
Alles fließt über von Betheuerungen und Versicherungen unserer Sympathien
für unsere "deutschen Brüder" in Oestreich. Dem Ministerium Hohenwart
wird freigebig unsere Verachtung und Abneigung votirt. Von einem Gegen¬
satz der deutschfreundlichen Haltung , zu der Graf Beust sich entschlossen, und
der deutschfeindlichen Politik, welche Graf Hohenwart verfolge, wird geredet
und unheilvolle Prophezeiungen an diese Mahnung geknüpft. Wir verstehen
sehr wohl, wie ein Gefühlsmensch solche Anschauungen loslassen kann. Wir
verstehen aber nicht, wie man solche Ergüsse mit irgend welcher Interessen-
Politik zu vereinen unternehmen will.


konnte z. B. und der Neuen Preußischen Zeitung, welche bekanntlich von der
Post vielfach für Landbewohner debitirt wird, Zeichnungen von landwirth-
schaftlichen Maschinen nicht versenden. Künftig, von einem noch zu bestimmen¬
den Termine ab, wird dies gestattet sein. Die Versendung solcher Zeitungs¬
beilagen soll auf Antrag des Verlegers stattfinden. Letzterer würde sie der
Aufgabe-Postanstalt vorzulegen haben, welche die Beilagen für eine sehr mäßige
Gebühr (etwa 1 Pfennig) zu stempeln und sie alsdann dem Verleger zurückzu¬
geben hat. Dieser erlangt dadurch das Recht, solche gestempelte Beilagen
innerhalb eines bestimmten Zeitraums mit einer beliebigen, für seine Zwecke
geeigneten Zeitung durch die Post debitiren zu lassen. Unzweifelhaft wird eine
derartige Einrichtung der weiten Verbreitung v on Preß erzeugnissen in
1. hohem Grade förderlich sein.




Deutschland und Aeßreich»

— Die auswärtige Politik eines Reiches hat
sich nach Interessen und nicht nach Sympathien und Gefühlen zu richten —-
diesen Satz bekennen heute wohl alle deutschen Politiker als richtig. Und
dennoch, die alte in unserem politischen Leben so gut wie eingewurzelte Ge¬
wohnheit des Denkens und Redens erhält in jedem einzelnen Falle auch heute
noch die Oberhand über jene Maxime, die wir alle mit dem Munde beken¬
nen. Der geniale Leiter der deutschen Politik ist allerdings frei von Ge¬
fühlsimpulsen in feiner diplomatischen Action — die öffentliche Meinung aber,
so weit sie sich in unserer Presse spiegelt, steht heute noch auf dem Boden,
den sie in dem 4. und 5. und K. Jahrzehnt unseres Jahrhunderts erreicht-
sie hat von dem großen Zuge, der unser auswärtiges Amt beseelt, bisher
noch wenig gelernt.

Wie beschämend und wie betrübend dieser Sachverhalt auch fein mag,
deutlich liegt er vor in den Erörterungen unserer Zeitungen über Oestreich.
Alles fließt über von Betheuerungen und Versicherungen unserer Sympathien
für unsere „deutschen Brüder" in Oestreich. Dem Ministerium Hohenwart
wird freigebig unsere Verachtung und Abneigung votirt. Von einem Gegen¬
satz der deutschfreundlichen Haltung , zu der Graf Beust sich entschlossen, und
der deutschfeindlichen Politik, welche Graf Hohenwart verfolge, wird geredet
und unheilvolle Prophezeiungen an diese Mahnung geknüpft. Wir verstehen
sehr wohl, wie ein Gefühlsmensch solche Anschauungen loslassen kann. Wir
verstehen aber nicht, wie man solche Ergüsse mit irgend welcher Interessen-
Politik zu vereinen unternehmen will.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/44>, abgerufen am 05.02.2025.