Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Fries in der Weise von Vasenmalereien ausgeführt) für den Zweck der JllU'
stration der vierundzwanzig Gesänge vom Künstler umgestaltet, und zum
Theil neu erfunden wurden. Nur so konnte der Typendruck des Textes mit
den bildlichen Darstellungen ein völlig harmonisches Ganze bilden, wobei denn
bescheidene ornamentale Ausstattung in den Rahmen der landschaftlichen
Bilder, der als Titelbilder jedes Gesangs angeordneten Friesstücke und in
symbolisch-decorativer Schlußvignetten die Verbindung bildet. -- Wie der
Beschauer sogleich erkennt, sind die Holzschnitte eine treue Wiedergabe der
eigenen "Handschrift" Prellers; in der bekannten kräftigen und originalen
Weise seiner in klaren Conturen und Strichlagen ausgeführten Bleistiftzetch-
nungen, in "Carton-Manier", d. h. nur Schatten und Licht, nicht die ver-
schiedene Dunkelheit der Fnrbentöne ausdrückend. In der That sind nach
den besonders für den Holzschnitt ausgeführten Bleistiftzeichnungen photogra-
Phische Verkleinerungen direct auf den Holzstock übertragen und -- fast durch-
gehends mit großer Meisterschaft -- ganz in der Weise der Handzeichnung
von R. Brend'amour (die Landschaften) und von K. Oertel (die Figuren)
geschnitten worden. Möchte auch manches Auge statt der freien und kräftigen
Strichführung die hier unmittelbar, wie sie der Stift des Malers zeichnete, im
Druck wiedergegeben ist, eine elegantere, auch den Ton der Bilder andeutende
"Uebersetzung" vorziehen, an deren technische Feinheiten uns die Mehrzahl
der modernen Holzschnittwerke gewöhnt hat, so kann man doch den großen
Borzug der vollen Originalität, der alsdann immer gefährdet würde, nicht
hoch genug anschlagen. Manche Unebenheit, manche etwas derb und eckig
gewordene Gestalt wird nicht länger stören, wenn das Auge bei wiederholter
Betrachtung, vor Allem der Landschaftsbilder, gerade an der Ursprünglichkeit
der großen Züge, in denen die Composttionen entworfen sind, den rechten
Genuß zu finden gelernt hat.

Es bleibt ein ewig anziehendes Geheimniß: wie in den landschaftlichen
Formen eines Stückes Erde, von den Sabinerbergen bis zur sicilischen Küste
gerade die Rhythmen und Verhältnisse der Linien und Massen, die Grazie
der Vegetation, die Harmonie der Färbung sich vereinigen, in denen das
künstlerische Auge der Maler aller abendländischen Nationen Borbilder einer idealen
Umgebung von Gestalten des "goldnen Zeitalters" -- sei es antiker, christ¬
licher oder moderner Mythe und Poesie -- gefunden hat und finden wird. Gab
Poussin vor Allem die großen Gebirgsbildungen mit schönen, aber mehr all¬
gemein als individuell gehaltenen Vegetationsgruppen, so bildet Preller, in
weiterer Entwickelung der Auffassung seines Vorgängers Joseph Koch, das
schöne Einzelne jener Landschaften mit klassischem Schönheitssinne zum Rahmen
homerischen Gestalten und ihrer poetischen Erlebnisse. Wir erkennen
Spalten und Gefüge der Felsen von Capri, die Windungen der zähen ur-


Fries in der Weise von Vasenmalereien ausgeführt) für den Zweck der JllU'
stration der vierundzwanzig Gesänge vom Künstler umgestaltet, und zum
Theil neu erfunden wurden. Nur so konnte der Typendruck des Textes mit
den bildlichen Darstellungen ein völlig harmonisches Ganze bilden, wobei denn
bescheidene ornamentale Ausstattung in den Rahmen der landschaftlichen
Bilder, der als Titelbilder jedes Gesangs angeordneten Friesstücke und in
symbolisch-decorativer Schlußvignetten die Verbindung bildet. — Wie der
Beschauer sogleich erkennt, sind die Holzschnitte eine treue Wiedergabe der
eigenen „Handschrift" Prellers; in der bekannten kräftigen und originalen
Weise seiner in klaren Conturen und Strichlagen ausgeführten Bleistiftzetch-
nungen, in „Carton-Manier", d. h. nur Schatten und Licht, nicht die ver-
schiedene Dunkelheit der Fnrbentöne ausdrückend. In der That sind nach
den besonders für den Holzschnitt ausgeführten Bleistiftzeichnungen photogra-
Phische Verkleinerungen direct auf den Holzstock übertragen und — fast durch-
gehends mit großer Meisterschaft — ganz in der Weise der Handzeichnung
von R. Brend'amour (die Landschaften) und von K. Oertel (die Figuren)
geschnitten worden. Möchte auch manches Auge statt der freien und kräftigen
Strichführung die hier unmittelbar, wie sie der Stift des Malers zeichnete, im
Druck wiedergegeben ist, eine elegantere, auch den Ton der Bilder andeutende
„Uebersetzung" vorziehen, an deren technische Feinheiten uns die Mehrzahl
der modernen Holzschnittwerke gewöhnt hat, so kann man doch den großen
Borzug der vollen Originalität, der alsdann immer gefährdet würde, nicht
hoch genug anschlagen. Manche Unebenheit, manche etwas derb und eckig
gewordene Gestalt wird nicht länger stören, wenn das Auge bei wiederholter
Betrachtung, vor Allem der Landschaftsbilder, gerade an der Ursprünglichkeit
der großen Züge, in denen die Composttionen entworfen sind, den rechten
Genuß zu finden gelernt hat.

Es bleibt ein ewig anziehendes Geheimniß: wie in den landschaftlichen
Formen eines Stückes Erde, von den Sabinerbergen bis zur sicilischen Küste
gerade die Rhythmen und Verhältnisse der Linien und Massen, die Grazie
der Vegetation, die Harmonie der Färbung sich vereinigen, in denen das
künstlerische Auge der Maler aller abendländischen Nationen Borbilder einer idealen
Umgebung von Gestalten des „goldnen Zeitalters" — sei es antiker, christ¬
licher oder moderner Mythe und Poesie — gefunden hat und finden wird. Gab
Poussin vor Allem die großen Gebirgsbildungen mit schönen, aber mehr all¬
gemein als individuell gehaltenen Vegetationsgruppen, so bildet Preller, in
weiterer Entwickelung der Auffassung seines Vorgängers Joseph Koch, das
schöne Einzelne jener Landschaften mit klassischem Schönheitssinne zum Rahmen
homerischen Gestalten und ihrer poetischen Erlebnisse. Wir erkennen
Spalten und Gefüge der Felsen von Capri, die Windungen der zähen ur-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0439" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192740"/>
          <p xml:id="ID_1611" prev="#ID_1610"> Fries in der Weise von Vasenmalereien ausgeführt) für den Zweck der JllU'<lb/>
stration der vierundzwanzig Gesänge vom Künstler umgestaltet, und zum<lb/>
Theil neu erfunden wurden. Nur so konnte der Typendruck des Textes mit<lb/>
den bildlichen Darstellungen ein völlig harmonisches Ganze bilden, wobei denn<lb/>
bescheidene ornamentale Ausstattung in den Rahmen der landschaftlichen<lb/>
Bilder, der als Titelbilder jedes Gesangs angeordneten Friesstücke und in<lb/>
symbolisch-decorativer Schlußvignetten die Verbindung bildet. &#x2014; Wie der<lb/>
Beschauer sogleich erkennt, sind die Holzschnitte eine treue Wiedergabe der<lb/>
eigenen &#x201E;Handschrift" Prellers; in der bekannten kräftigen und originalen<lb/>
Weise seiner in klaren Conturen und Strichlagen ausgeführten Bleistiftzetch-<lb/>
nungen, in &#x201E;Carton-Manier", d. h. nur Schatten und Licht, nicht die ver-<lb/>
schiedene Dunkelheit der Fnrbentöne ausdrückend. In der That sind nach<lb/>
den besonders für den Holzschnitt ausgeführten Bleistiftzeichnungen photogra-<lb/>
Phische Verkleinerungen direct auf den Holzstock übertragen und &#x2014; fast durch-<lb/>
gehends mit großer Meisterschaft &#x2014; ganz in der Weise der Handzeichnung<lb/>
von R. Brend'amour (die Landschaften) und von K. Oertel (die Figuren)<lb/>
geschnitten worden. Möchte auch manches Auge statt der freien und kräftigen<lb/>
Strichführung die hier unmittelbar, wie sie der Stift des Malers zeichnete, im<lb/>
Druck wiedergegeben ist, eine elegantere, auch den Ton der Bilder andeutende<lb/>
&#x201E;Uebersetzung" vorziehen, an deren technische Feinheiten uns die Mehrzahl<lb/>
der modernen Holzschnittwerke gewöhnt hat, so kann man doch den großen<lb/>
Borzug der vollen Originalität, der alsdann immer gefährdet würde, nicht<lb/>
hoch genug anschlagen. Manche Unebenheit, manche etwas derb und eckig<lb/>
gewordene Gestalt wird nicht länger stören, wenn das Auge bei wiederholter<lb/>
Betrachtung, vor Allem der Landschaftsbilder, gerade an der Ursprünglichkeit<lb/>
der großen Züge, in denen die Composttionen entworfen sind, den rechten<lb/>
Genuß zu finden gelernt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1612" next="#ID_1613"> Es bleibt ein ewig anziehendes Geheimniß: wie in den landschaftlichen<lb/>
Formen eines Stückes Erde, von den Sabinerbergen bis zur sicilischen Küste<lb/>
gerade die Rhythmen und Verhältnisse der Linien und Massen, die Grazie<lb/>
der Vegetation, die Harmonie der Färbung sich vereinigen, in denen das<lb/>
künstlerische Auge der Maler aller abendländischen Nationen Borbilder einer idealen<lb/>
Umgebung von Gestalten des &#x201E;goldnen Zeitalters" &#x2014; sei es antiker, christ¬<lb/>
licher oder moderner Mythe und Poesie &#x2014; gefunden hat und finden wird. Gab<lb/>
Poussin vor Allem die großen Gebirgsbildungen mit schönen, aber mehr all¬<lb/>
gemein als individuell gehaltenen Vegetationsgruppen, so bildet Preller, in<lb/>
weiterer Entwickelung der Auffassung seines Vorgängers Joseph Koch, das<lb/>
schöne Einzelne jener Landschaften mit klassischem Schönheitssinne zum Rahmen<lb/>
homerischen Gestalten und ihrer poetischen Erlebnisse. Wir erkennen<lb/>
Spalten und Gefüge der Felsen von Capri, die Windungen der zähen ur-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0439] Fries in der Weise von Vasenmalereien ausgeführt) für den Zweck der JllU' stration der vierundzwanzig Gesänge vom Künstler umgestaltet, und zum Theil neu erfunden wurden. Nur so konnte der Typendruck des Textes mit den bildlichen Darstellungen ein völlig harmonisches Ganze bilden, wobei denn bescheidene ornamentale Ausstattung in den Rahmen der landschaftlichen Bilder, der als Titelbilder jedes Gesangs angeordneten Friesstücke und in symbolisch-decorativer Schlußvignetten die Verbindung bildet. — Wie der Beschauer sogleich erkennt, sind die Holzschnitte eine treue Wiedergabe der eigenen „Handschrift" Prellers; in der bekannten kräftigen und originalen Weise seiner in klaren Conturen und Strichlagen ausgeführten Bleistiftzetch- nungen, in „Carton-Manier", d. h. nur Schatten und Licht, nicht die ver- schiedene Dunkelheit der Fnrbentöne ausdrückend. In der That sind nach den besonders für den Holzschnitt ausgeführten Bleistiftzeichnungen photogra- Phische Verkleinerungen direct auf den Holzstock übertragen und — fast durch- gehends mit großer Meisterschaft — ganz in der Weise der Handzeichnung von R. Brend'amour (die Landschaften) und von K. Oertel (die Figuren) geschnitten worden. Möchte auch manches Auge statt der freien und kräftigen Strichführung die hier unmittelbar, wie sie der Stift des Malers zeichnete, im Druck wiedergegeben ist, eine elegantere, auch den Ton der Bilder andeutende „Uebersetzung" vorziehen, an deren technische Feinheiten uns die Mehrzahl der modernen Holzschnittwerke gewöhnt hat, so kann man doch den großen Borzug der vollen Originalität, der alsdann immer gefährdet würde, nicht hoch genug anschlagen. Manche Unebenheit, manche etwas derb und eckig gewordene Gestalt wird nicht länger stören, wenn das Auge bei wiederholter Betrachtung, vor Allem der Landschaftsbilder, gerade an der Ursprünglichkeit der großen Züge, in denen die Composttionen entworfen sind, den rechten Genuß zu finden gelernt hat. Es bleibt ein ewig anziehendes Geheimniß: wie in den landschaftlichen Formen eines Stückes Erde, von den Sabinerbergen bis zur sicilischen Küste gerade die Rhythmen und Verhältnisse der Linien und Massen, die Grazie der Vegetation, die Harmonie der Färbung sich vereinigen, in denen das künstlerische Auge der Maler aller abendländischen Nationen Borbilder einer idealen Umgebung von Gestalten des „goldnen Zeitalters" — sei es antiker, christ¬ licher oder moderner Mythe und Poesie — gefunden hat und finden wird. Gab Poussin vor Allem die großen Gebirgsbildungen mit schönen, aber mehr all¬ gemein als individuell gehaltenen Vegetationsgruppen, so bildet Preller, in weiterer Entwickelung der Auffassung seines Vorgängers Joseph Koch, das schöne Einzelne jener Landschaften mit klassischem Schönheitssinne zum Rahmen homerischen Gestalten und ihrer poetischen Erlebnisse. Wir erkennen Spalten und Gefüge der Felsen von Capri, die Windungen der zähen ur-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/439
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/439>, abgerufen am 10.02.2025.