Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Wasser, während die Männer sich in ihren Stühlen räkelten, die Füße zum Selbst in den Häusern der Reichen am Salzsee trifft man unter den In der That, es gehört die dreiste Bornirtheit eines mormonischen Fa¬ Wasser, während die Männer sich in ihren Stühlen räkelten, die Füße zum Selbst in den Häusern der Reichen am Salzsee trifft man unter den In der That, es gehört die dreiste Bornirtheit eines mormonischen Fa¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192684"/> <p xml:id="ID_1404" prev="#ID_1403"> Wasser, während die Männer sich in ihren Stühlen räkelten, die Füße zum<lb/> Fenster hinausstreckten und Humpen Weins Hinuntergossen, Die Damen sind<lb/> in der Regel einfach, um nicht zu sagen, ärmlich gekleidet. Sie tragen keine<lb/> hellen Farben, keine muntern Falbeln und Verzierungen. Sie sind ruhig und<lb/> unterwürfig, schlaff und leer, als ob man allen Witz, alle Heiterkeit, alles<lb/> Leben aus ihnen hinausgepredigt hätte. Selten lachen sie, und dann mit<lb/> einem matten, müden Blick, niemals so vergnügt wie unsere englischen Mäd¬<lb/> chen. Sie wissen sehr wenig und äußern an sehr wenigen Dingen ein Inter¬<lb/> esse. Vermuthlich besitzen alle großes Geschick im Kinderwärter, aber selten<lb/> findet man unter ihnen Tact und lebhaften Geist. Während man im Hause<lb/> ist, werden sie in das Gesellschaftszimmer geholt wie bei uns die Kinder.<lb/> Sie kommen dann einen Augenblick herein, verbeugen sich, geben ein Händ¬<lb/> chen und schleichen sich dann wieder hinaus, als ob sie selbst fühlten, daß sie<lb/> nicht in die Gesellschaft gehören.</p><lb/> <p xml:id="ID_1405"> Selbst in den Häusern der Reichen am Salzsee trifft man unter den<lb/> Frauen wenig Anmuth und Selbstgefühl an. Hier gibt keine Hausfrau durch<lb/> ihr Benehmen zu verstehen, daß sie Herrin neben dem Manne ist. Nur die<lb/> erste Frau hat im Haushalt des Mormonen, wenn die verschiedenen Weiber<lb/> desselben nicht verschiedene Gebäude bewohnen, die Stellung einer Hausfrau,<lb/> nur sie ordnet an und commandirt die folgenden Nummern. Während sie<lb/> den Namen ihres Mannes trägt, werden die übrigen nur mit ihrem Vor¬<lb/> namen, Schwester Jane, Schwester Betsy oder zweite, dritte u. s. w. Frau<lb/> von Bruder Brow oder Smith genannt. Nicht immer sitzen letztere, wenn<lb/> Besuch da ist, mit am Mittags- oder Abendtisch, und wenn sie da einen<lb/> Platz einnehmen, so ist es nicht am obern Ende, sondern auf einem der un¬<lb/> teren Stühle.</p><lb/> <p xml:id="ID_1406" next="#ID_1407"> In der That, es gehört die dreiste Bornirtheit eines mormonischen Fa¬<lb/> natikers dazu, um in solchen Zuständen einen Segen zu erblicken. Noch<lb/> schlimmer aber ist, daß diese Herabdrückung der Frauen bei den Latterday-<lb/> Saints sich nicht auf die verheiratheten Frauen beschränkt, sondern, wie natür¬<lb/> lich und begreiflich, das ganze Geschlecht entwürdigt und gewissermaßen in<lb/> eine Menschenklasse zweiten Ranges verwandelt hat. Die Mormoninnen sind<lb/> das reine Gegentheil dessen, was die Partei der „Weiberrechte" im Osten<lb/> Amerika's erstrebt. Der Mann ist König im Hause, die Frau rechtlos erklärt<lb/> und sehr wenig geachtet. „Taylor's Töchter", so erzählt Dixon von einem<lb/> Besuche bei diesem Kirchenvater, „warteten uns bei Tische auf, zwei hübsche,<lb/> Zarte, an Engländerinnen erinnernde Mädchen. Wir würden vorgezogen<lb/> haben, hinter ihren Stühlen zu stehen und ihnen die leckersten Bissen von<lb/> Huka und Kuchen vorzulegen, aber der Mormone hält gleich dem Mühlen<lb/> eine schwere Hand über seine Weiber." „Ein Mädchen muß ihren Vater mit</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0383]
Wasser, während die Männer sich in ihren Stühlen räkelten, die Füße zum
Fenster hinausstreckten und Humpen Weins Hinuntergossen, Die Damen sind
in der Regel einfach, um nicht zu sagen, ärmlich gekleidet. Sie tragen keine
hellen Farben, keine muntern Falbeln und Verzierungen. Sie sind ruhig und
unterwürfig, schlaff und leer, als ob man allen Witz, alle Heiterkeit, alles
Leben aus ihnen hinausgepredigt hätte. Selten lachen sie, und dann mit
einem matten, müden Blick, niemals so vergnügt wie unsere englischen Mäd¬
chen. Sie wissen sehr wenig und äußern an sehr wenigen Dingen ein Inter¬
esse. Vermuthlich besitzen alle großes Geschick im Kinderwärter, aber selten
findet man unter ihnen Tact und lebhaften Geist. Während man im Hause
ist, werden sie in das Gesellschaftszimmer geholt wie bei uns die Kinder.
Sie kommen dann einen Augenblick herein, verbeugen sich, geben ein Händ¬
chen und schleichen sich dann wieder hinaus, als ob sie selbst fühlten, daß sie
nicht in die Gesellschaft gehören.
Selbst in den Häusern der Reichen am Salzsee trifft man unter den
Frauen wenig Anmuth und Selbstgefühl an. Hier gibt keine Hausfrau durch
ihr Benehmen zu verstehen, daß sie Herrin neben dem Manne ist. Nur die
erste Frau hat im Haushalt des Mormonen, wenn die verschiedenen Weiber
desselben nicht verschiedene Gebäude bewohnen, die Stellung einer Hausfrau,
nur sie ordnet an und commandirt die folgenden Nummern. Während sie
den Namen ihres Mannes trägt, werden die übrigen nur mit ihrem Vor¬
namen, Schwester Jane, Schwester Betsy oder zweite, dritte u. s. w. Frau
von Bruder Brow oder Smith genannt. Nicht immer sitzen letztere, wenn
Besuch da ist, mit am Mittags- oder Abendtisch, und wenn sie da einen
Platz einnehmen, so ist es nicht am obern Ende, sondern auf einem der un¬
teren Stühle.
In der That, es gehört die dreiste Bornirtheit eines mormonischen Fa¬
natikers dazu, um in solchen Zuständen einen Segen zu erblicken. Noch
schlimmer aber ist, daß diese Herabdrückung der Frauen bei den Latterday-
Saints sich nicht auf die verheiratheten Frauen beschränkt, sondern, wie natür¬
lich und begreiflich, das ganze Geschlecht entwürdigt und gewissermaßen in
eine Menschenklasse zweiten Ranges verwandelt hat. Die Mormoninnen sind
das reine Gegentheil dessen, was die Partei der „Weiberrechte" im Osten
Amerika's erstrebt. Der Mann ist König im Hause, die Frau rechtlos erklärt
und sehr wenig geachtet. „Taylor's Töchter", so erzählt Dixon von einem
Besuche bei diesem Kirchenvater, „warteten uns bei Tische auf, zwei hübsche,
Zarte, an Engländerinnen erinnernde Mädchen. Wir würden vorgezogen
haben, hinter ihren Stühlen zu stehen und ihnen die leckersten Bissen von
Huka und Kuchen vorzulegen, aber der Mormone hält gleich dem Mühlen
eine schwere Hand über seine Weiber." „Ein Mädchen muß ihren Vater mit
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |