Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Mehrzahl nach dabei nur die Befriedigung ihrer Begier nach einem vergnüg¬
ten und luxuriösen Leben erstrebten.

Aber wir schreiben hier keine Geschichte der Commune mit ihren Com-
munisten, ihren fahnenflüchtigen Soldaten, ihren Berbrechercohorten, ihren
Mörder- und Mordbrennerbanden und dem Abschaum der europäischen Re¬
volution . der sich an ihre Fersen hing und seine schmutzigen Ziele mit dem
kleinen Kern berechtigter Zwecke mischte, den man in ihrem wüsten Treiben
immerhin erkennen konnte. Wir liefern nur einen Beitrag zu dieser Ge¬
schichte. Wir beschäftigen uns einzig und allein mit den Polen, welche an
der demagogischen Orgie vom 18. März bis zum 26. Mai 1871 einen so
großen Antheil hatten.

Beginnen wir mit dem letzten General der Commune, mit Jaroslav
D o in b r o w s k i.

Einige Journale haben aus diesem Chef der Jnsurrection von Paris einen
Mann von außergewöhnlichen Fähigkeiten gemacht und behauptet, er habe früher
eine hohe Stellung in der russischen Armee eingenommen. Ja er sollte sogar
der Person des Großfürsten Constantin attachirt gewesen sein.

Diese Behauptungen sind in keiner Weise begründet. Jaroslav Dom¬
browski hat in seinen früheren Jahren niemals eine besondere Begabung ver¬
rathen und niemals eine andere als eine untergeordnete Stellung gehabt, d. h.
er ist in der russischen Armee nie über den Subalternofsicier hinausgekommen,
und somit kann nicht davon die Rede sein, daß er irgendwie in nähere Be¬
ziehung zu einem Prinzen des kaiserlichen Hauses hätte treten können.

Der Gegenstand dieser kurzen Biographie ist todt, ist im Kampfe ge¬
fallen. Aber wir schreiben hier Geschichte, und vor der darf Wahrheit nicht
Gewalt leiden. Damit sei entschuldigt, wenn wir hier auch das Unreinliche
dieses Lebens unverschwiegen lassen, zumal mit ihm ein sehr großer Theil
seiner Genossen, dieser Barrikadenhelden von Profession, dieser politischen
Jndustrieritter, charakterisirt wird.

1862 finden wir Dombrowski in Gemeinschaft mit einigen jungen Leu¬
ten beschäftigt, in der russischen Armee eine Verschwörung in Gang zu brin¬
gen. Es galt der Gründung einer geheimen politischen Gesellschaft, die in
der That zu Stande kam und den Namen "Zemlia i Wolia" (Land und
Freiheit) führte. Dieselbe bestand aber nur kurze Zeit, dann entdeckte die
Behörde sie. Alle Mitglieder des Comite's wurden zur Haft gebracht, nur
Dombrowski. der Schuldigste, entkam der Untersuchung. Die Affiliirten des
Comites klagten ihn darauf an, die Sache der Polizei verrathen zu ha¬
ben, und drohten, ihn zu ermorden.

Als die Jnsurrection in Polen ausbrach, bot Jaroslav Dombrowski
dem Centralcomite seine Dienste an, und da dieses in dem Augenblicke eben


Mehrzahl nach dabei nur die Befriedigung ihrer Begier nach einem vergnüg¬
ten und luxuriösen Leben erstrebten.

Aber wir schreiben hier keine Geschichte der Commune mit ihren Com-
munisten, ihren fahnenflüchtigen Soldaten, ihren Berbrechercohorten, ihren
Mörder- und Mordbrennerbanden und dem Abschaum der europäischen Re¬
volution . der sich an ihre Fersen hing und seine schmutzigen Ziele mit dem
kleinen Kern berechtigter Zwecke mischte, den man in ihrem wüsten Treiben
immerhin erkennen konnte. Wir liefern nur einen Beitrag zu dieser Ge¬
schichte. Wir beschäftigen uns einzig und allein mit den Polen, welche an
der demagogischen Orgie vom 18. März bis zum 26. Mai 1871 einen so
großen Antheil hatten.

Beginnen wir mit dem letzten General der Commune, mit Jaroslav
D o in b r o w s k i.

Einige Journale haben aus diesem Chef der Jnsurrection von Paris einen
Mann von außergewöhnlichen Fähigkeiten gemacht und behauptet, er habe früher
eine hohe Stellung in der russischen Armee eingenommen. Ja er sollte sogar
der Person des Großfürsten Constantin attachirt gewesen sein.

Diese Behauptungen sind in keiner Weise begründet. Jaroslav Dom¬
browski hat in seinen früheren Jahren niemals eine besondere Begabung ver¬
rathen und niemals eine andere als eine untergeordnete Stellung gehabt, d. h.
er ist in der russischen Armee nie über den Subalternofsicier hinausgekommen,
und somit kann nicht davon die Rede sein, daß er irgendwie in nähere Be¬
ziehung zu einem Prinzen des kaiserlichen Hauses hätte treten können.

Der Gegenstand dieser kurzen Biographie ist todt, ist im Kampfe ge¬
fallen. Aber wir schreiben hier Geschichte, und vor der darf Wahrheit nicht
Gewalt leiden. Damit sei entschuldigt, wenn wir hier auch das Unreinliche
dieses Lebens unverschwiegen lassen, zumal mit ihm ein sehr großer Theil
seiner Genossen, dieser Barrikadenhelden von Profession, dieser politischen
Jndustrieritter, charakterisirt wird.

1862 finden wir Dombrowski in Gemeinschaft mit einigen jungen Leu¬
ten beschäftigt, in der russischen Armee eine Verschwörung in Gang zu brin¬
gen. Es galt der Gründung einer geheimen politischen Gesellschaft, die in
der That zu Stande kam und den Namen „Zemlia i Wolia" (Land und
Freiheit) führte. Dieselbe bestand aber nur kurze Zeit, dann entdeckte die
Behörde sie. Alle Mitglieder des Comite's wurden zur Haft gebracht, nur
Dombrowski. der Schuldigste, entkam der Untersuchung. Die Affiliirten des
Comites klagten ihn darauf an, die Sache der Polizei verrathen zu ha¬
ben, und drohten, ihn zu ermorden.

Als die Jnsurrection in Polen ausbrach, bot Jaroslav Dombrowski
dem Centralcomite seine Dienste an, und da dieses in dem Augenblicke eben


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0260" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192561"/>
          <p xml:id="ID_986" prev="#ID_985"> Mehrzahl nach dabei nur die Befriedigung ihrer Begier nach einem vergnüg¬<lb/>
ten und luxuriösen Leben erstrebten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_987"> Aber wir schreiben hier keine Geschichte der Commune mit ihren Com-<lb/>
munisten, ihren fahnenflüchtigen Soldaten, ihren Berbrechercohorten, ihren<lb/>
Mörder- und Mordbrennerbanden und dem Abschaum der europäischen Re¬<lb/>
volution . der sich an ihre Fersen hing und seine schmutzigen Ziele mit dem<lb/>
kleinen Kern berechtigter Zwecke mischte, den man in ihrem wüsten Treiben<lb/>
immerhin erkennen konnte. Wir liefern nur einen Beitrag zu dieser Ge¬<lb/>
schichte. Wir beschäftigen uns einzig und allein mit den Polen, welche an<lb/>
der demagogischen Orgie vom 18. März bis zum 26. Mai 1871 einen so<lb/>
großen Antheil hatten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_988"> Beginnen wir mit dem letzten General der Commune, mit Jaroslav<lb/>
D o in b r o w s k i.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_989"> Einige Journale haben aus diesem Chef der Jnsurrection von Paris einen<lb/>
Mann von außergewöhnlichen Fähigkeiten gemacht und behauptet, er habe früher<lb/>
eine hohe Stellung in der russischen Armee eingenommen. Ja er sollte sogar<lb/>
der Person des Großfürsten Constantin attachirt gewesen sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_990"> Diese Behauptungen sind in keiner Weise begründet. Jaroslav Dom¬<lb/>
browski hat in seinen früheren Jahren niemals eine besondere Begabung ver¬<lb/>
rathen und niemals eine andere als eine untergeordnete Stellung gehabt, d. h.<lb/>
er ist in der russischen Armee nie über den Subalternofsicier hinausgekommen,<lb/>
und somit kann nicht davon die Rede sein, daß er irgendwie in nähere Be¬<lb/>
ziehung zu einem Prinzen des kaiserlichen Hauses hätte treten können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_991"> Der Gegenstand dieser kurzen Biographie ist todt, ist im Kampfe ge¬<lb/>
fallen. Aber wir schreiben hier Geschichte, und vor der darf Wahrheit nicht<lb/>
Gewalt leiden. Damit sei entschuldigt, wenn wir hier auch das Unreinliche<lb/>
dieses Lebens unverschwiegen lassen, zumal mit ihm ein sehr großer Theil<lb/>
seiner Genossen, dieser Barrikadenhelden von Profession, dieser politischen<lb/>
Jndustrieritter, charakterisirt wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_992"> 1862 finden wir Dombrowski in Gemeinschaft mit einigen jungen Leu¬<lb/>
ten beschäftigt, in der russischen Armee eine Verschwörung in Gang zu brin¬<lb/>
gen. Es galt der Gründung einer geheimen politischen Gesellschaft, die in<lb/>
der That zu Stande kam und den Namen &#x201E;Zemlia i Wolia" (Land und<lb/>
Freiheit) führte. Dieselbe bestand aber nur kurze Zeit, dann entdeckte die<lb/>
Behörde sie. Alle Mitglieder des Comite's wurden zur Haft gebracht, nur<lb/>
Dombrowski. der Schuldigste, entkam der Untersuchung. Die Affiliirten des<lb/>
Comites klagten ihn darauf an, die Sache der Polizei verrathen zu ha¬<lb/>
ben, und drohten, ihn zu ermorden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_993" next="#ID_994"> Als die Jnsurrection in Polen ausbrach, bot Jaroslav Dombrowski<lb/>
dem Centralcomite seine Dienste an, und da dieses in dem Augenblicke eben</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0260] Mehrzahl nach dabei nur die Befriedigung ihrer Begier nach einem vergnüg¬ ten und luxuriösen Leben erstrebten. Aber wir schreiben hier keine Geschichte der Commune mit ihren Com- munisten, ihren fahnenflüchtigen Soldaten, ihren Berbrechercohorten, ihren Mörder- und Mordbrennerbanden und dem Abschaum der europäischen Re¬ volution . der sich an ihre Fersen hing und seine schmutzigen Ziele mit dem kleinen Kern berechtigter Zwecke mischte, den man in ihrem wüsten Treiben immerhin erkennen konnte. Wir liefern nur einen Beitrag zu dieser Ge¬ schichte. Wir beschäftigen uns einzig und allein mit den Polen, welche an der demagogischen Orgie vom 18. März bis zum 26. Mai 1871 einen so großen Antheil hatten. Beginnen wir mit dem letzten General der Commune, mit Jaroslav D o in b r o w s k i. Einige Journale haben aus diesem Chef der Jnsurrection von Paris einen Mann von außergewöhnlichen Fähigkeiten gemacht und behauptet, er habe früher eine hohe Stellung in der russischen Armee eingenommen. Ja er sollte sogar der Person des Großfürsten Constantin attachirt gewesen sein. Diese Behauptungen sind in keiner Weise begründet. Jaroslav Dom¬ browski hat in seinen früheren Jahren niemals eine besondere Begabung ver¬ rathen und niemals eine andere als eine untergeordnete Stellung gehabt, d. h. er ist in der russischen Armee nie über den Subalternofsicier hinausgekommen, und somit kann nicht davon die Rede sein, daß er irgendwie in nähere Be¬ ziehung zu einem Prinzen des kaiserlichen Hauses hätte treten können. Der Gegenstand dieser kurzen Biographie ist todt, ist im Kampfe ge¬ fallen. Aber wir schreiben hier Geschichte, und vor der darf Wahrheit nicht Gewalt leiden. Damit sei entschuldigt, wenn wir hier auch das Unreinliche dieses Lebens unverschwiegen lassen, zumal mit ihm ein sehr großer Theil seiner Genossen, dieser Barrikadenhelden von Profession, dieser politischen Jndustrieritter, charakterisirt wird. 1862 finden wir Dombrowski in Gemeinschaft mit einigen jungen Leu¬ ten beschäftigt, in der russischen Armee eine Verschwörung in Gang zu brin¬ gen. Es galt der Gründung einer geheimen politischen Gesellschaft, die in der That zu Stande kam und den Namen „Zemlia i Wolia" (Land und Freiheit) führte. Dieselbe bestand aber nur kurze Zeit, dann entdeckte die Behörde sie. Alle Mitglieder des Comite's wurden zur Haft gebracht, nur Dombrowski. der Schuldigste, entkam der Untersuchung. Die Affiliirten des Comites klagten ihn darauf an, die Sache der Polizei verrathen zu ha¬ ben, und drohten, ihn zu ermorden. Als die Jnsurrection in Polen ausbrach, bot Jaroslav Dombrowski dem Centralcomite seine Dienste an, und da dieses in dem Augenblicke eben

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/260
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/260>, abgerufen am 06.02.2025.