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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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wußte, daß er einmal für die Polen gesammelt und das Erträgniß in seinen
Nutzen verwendet hatte, und man ersuchte ihn, das französische Gebiet zu
räumen. Verdrießlich über diesen Mangel an Achtung, trat Herr Bronislav
unter die Brüder von der Internationale, bei denen er noch jetzt die Stelle
eines Secretairs der polnischen Section in Genf bekleidet.

Trotz ihrer Verbindung mit der kosmopolitischen Revolutionspartei und
trotz ihrer Theilnahme an allen demagogischen Ränken vom Baudin-Schwindel
ein bis zu den Kundgebungen gegen das Plebiscit, die sie beiläufig nicht das
Mindeste angingen, beeilten sich doch die polnischen Flüchtlinge, als 1870 der
Krieg mit Deutschland ausbrach, dem Kaiser Napoleon ihre Dienste anzu¬
bieten. Sie verlangten die Erlaubniß, eine besondere Legion zu bilden, welche
eine Landung bei Danzig bewerkstelligen sollte. Napoleon, der sich Rußland
nicht zu Feinde machen wollte, lehnte das Anerbieten ab, obwohl der bekannte
Julian Klaczko seinen Hofrathsposten unter Graf Beust verlassen hatte, um
in Paris den Plan zu unterstützen. Auf die ersten Nachrichten von den Nie¬
derlagen der kaiserlichen Heere klagten die Polen vor der französischen Demo¬
kratie, das käme davon, daß man ihre Dienste zurückgewiesen; hätte man sie
angenommen, so wären die Sachen ganz anders verlaufen. Schrecklich wur¬
den die französischen Generale von Strategen wie Matuszewicz, Wroblewski
und Dombrowski in den Journalen der Rothen abgekanzelt. Zuletzt trat der
große Mieroslawski (der natürlich wußte, daß man sich mit ihm nicht ein¬
lassen konnte) mit dem ihn so schön kleidenden Selbstgefühl in den Vorder¬
grund, um dem Grafen Palikao sein gewichtiges Schwert anzutragen. Selbst¬
verständlich dankte der ihm höflichst.

Bald darauf gab's in Frankreich wieder einmal Republik, und abermals
verlangten die Polen die Erlaubniß, eine Legion zu bilden. Von der Mehr¬
heit der Regierung abgewiesen, traten sie schließlich auf die Seite der Oppo¬
sition. Mieroslawski trug dem General Leflö seine Dienste an, der ihm für
seinen guten Willen dankte. Das war Alles, was der brave General wollte:
^ hat jetzt das Recht, zu sagen, man habe ihn nicht gemocht, weil er repub¬
likanischen Grundsätzen huldige, die Republik sei nicht lebensfähig, weil die
Regierung der nationalen Vertheidigung die republikanischen Generale zurück¬
stoße u. s. w., während der wirkliche Weigerungsgrund der Negierung gegen
Annahme des Anerbietens der Polen vorzüglich der war, daß kein einziger
polnischer Flüchtling als Soldat dienen wollte, alle vielmehr höhere Befehls¬
haberstellen beanspruchten. Ueberdieß aber wußte Jules Favre von 1848 her
^ehr wohl, daß die politischen Flüchtlinge ein Krankheitsstoff sind, welchen
Frankreich sich eingeimpft hat, und welcher sehr wesentlich zu seinem immer
wiederkehrenden revolutionären Wechselfieber beiträgt. Er erinnerte sich ohne
Zweifel des Wortes von Lamartine:


Gmijlwtm ii. 1871. 102

wußte, daß er einmal für die Polen gesammelt und das Erträgniß in seinen
Nutzen verwendet hatte, und man ersuchte ihn, das französische Gebiet zu
räumen. Verdrießlich über diesen Mangel an Achtung, trat Herr Bronislav
unter die Brüder von der Internationale, bei denen er noch jetzt die Stelle
eines Secretairs der polnischen Section in Genf bekleidet.

Trotz ihrer Verbindung mit der kosmopolitischen Revolutionspartei und
trotz ihrer Theilnahme an allen demagogischen Ränken vom Baudin-Schwindel
ein bis zu den Kundgebungen gegen das Plebiscit, die sie beiläufig nicht das
Mindeste angingen, beeilten sich doch die polnischen Flüchtlinge, als 1870 der
Krieg mit Deutschland ausbrach, dem Kaiser Napoleon ihre Dienste anzu¬
bieten. Sie verlangten die Erlaubniß, eine besondere Legion zu bilden, welche
eine Landung bei Danzig bewerkstelligen sollte. Napoleon, der sich Rußland
nicht zu Feinde machen wollte, lehnte das Anerbieten ab, obwohl der bekannte
Julian Klaczko seinen Hofrathsposten unter Graf Beust verlassen hatte, um
in Paris den Plan zu unterstützen. Auf die ersten Nachrichten von den Nie¬
derlagen der kaiserlichen Heere klagten die Polen vor der französischen Demo¬
kratie, das käme davon, daß man ihre Dienste zurückgewiesen; hätte man sie
angenommen, so wären die Sachen ganz anders verlaufen. Schrecklich wur¬
den die französischen Generale von Strategen wie Matuszewicz, Wroblewski
und Dombrowski in den Journalen der Rothen abgekanzelt. Zuletzt trat der
große Mieroslawski (der natürlich wußte, daß man sich mit ihm nicht ein¬
lassen konnte) mit dem ihn so schön kleidenden Selbstgefühl in den Vorder¬
grund, um dem Grafen Palikao sein gewichtiges Schwert anzutragen. Selbst¬
verständlich dankte der ihm höflichst.

Bald darauf gab's in Frankreich wieder einmal Republik, und abermals
verlangten die Polen die Erlaubniß, eine Legion zu bilden. Von der Mehr¬
heit der Regierung abgewiesen, traten sie schließlich auf die Seite der Oppo¬
sition. Mieroslawski trug dem General Leflö seine Dienste an, der ihm für
seinen guten Willen dankte. Das war Alles, was der brave General wollte:
^ hat jetzt das Recht, zu sagen, man habe ihn nicht gemocht, weil er repub¬
likanischen Grundsätzen huldige, die Republik sei nicht lebensfähig, weil die
Regierung der nationalen Vertheidigung die republikanischen Generale zurück¬
stoße u. s. w., während der wirkliche Weigerungsgrund der Negierung gegen
Annahme des Anerbietens der Polen vorzüglich der war, daß kein einziger
polnischer Flüchtling als Soldat dienen wollte, alle vielmehr höhere Befehls¬
haberstellen beanspruchten. Ueberdieß aber wußte Jules Favre von 1848 her
^ehr wohl, daß die politischen Flüchtlinge ein Krankheitsstoff sind, welchen
Frankreich sich eingeimpft hat, und welcher sehr wesentlich zu seinem immer
wiederkehrenden revolutionären Wechselfieber beiträgt. Er erinnerte sich ohne
Zweifel des Wortes von Lamartine:


Gmijlwtm ii. 1871. 102
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[0257] wußte, daß er einmal für die Polen gesammelt und das Erträgniß in seinen Nutzen verwendet hatte, und man ersuchte ihn, das französische Gebiet zu räumen. Verdrießlich über diesen Mangel an Achtung, trat Herr Bronislav unter die Brüder von der Internationale, bei denen er noch jetzt die Stelle eines Secretairs der polnischen Section in Genf bekleidet. Trotz ihrer Verbindung mit der kosmopolitischen Revolutionspartei und trotz ihrer Theilnahme an allen demagogischen Ränken vom Baudin-Schwindel ein bis zu den Kundgebungen gegen das Plebiscit, die sie beiläufig nicht das Mindeste angingen, beeilten sich doch die polnischen Flüchtlinge, als 1870 der Krieg mit Deutschland ausbrach, dem Kaiser Napoleon ihre Dienste anzu¬ bieten. Sie verlangten die Erlaubniß, eine besondere Legion zu bilden, welche eine Landung bei Danzig bewerkstelligen sollte. Napoleon, der sich Rußland nicht zu Feinde machen wollte, lehnte das Anerbieten ab, obwohl der bekannte Julian Klaczko seinen Hofrathsposten unter Graf Beust verlassen hatte, um in Paris den Plan zu unterstützen. Auf die ersten Nachrichten von den Nie¬ derlagen der kaiserlichen Heere klagten die Polen vor der französischen Demo¬ kratie, das käme davon, daß man ihre Dienste zurückgewiesen; hätte man sie angenommen, so wären die Sachen ganz anders verlaufen. Schrecklich wur¬ den die französischen Generale von Strategen wie Matuszewicz, Wroblewski und Dombrowski in den Journalen der Rothen abgekanzelt. Zuletzt trat der große Mieroslawski (der natürlich wußte, daß man sich mit ihm nicht ein¬ lassen konnte) mit dem ihn so schön kleidenden Selbstgefühl in den Vorder¬ grund, um dem Grafen Palikao sein gewichtiges Schwert anzutragen. Selbst¬ verständlich dankte der ihm höflichst. Bald darauf gab's in Frankreich wieder einmal Republik, und abermals verlangten die Polen die Erlaubniß, eine Legion zu bilden. Von der Mehr¬ heit der Regierung abgewiesen, traten sie schließlich auf die Seite der Oppo¬ sition. Mieroslawski trug dem General Leflö seine Dienste an, der ihm für seinen guten Willen dankte. Das war Alles, was der brave General wollte: ^ hat jetzt das Recht, zu sagen, man habe ihn nicht gemocht, weil er repub¬ likanischen Grundsätzen huldige, die Republik sei nicht lebensfähig, weil die Regierung der nationalen Vertheidigung die republikanischen Generale zurück¬ stoße u. s. w., während der wirkliche Weigerungsgrund der Negierung gegen Annahme des Anerbietens der Polen vorzüglich der war, daß kein einziger polnischer Flüchtling als Soldat dienen wollte, alle vielmehr höhere Befehls¬ haberstellen beanspruchten. Ueberdieß aber wußte Jules Favre von 1848 her ^ehr wohl, daß die politischen Flüchtlinge ein Krankheitsstoff sind, welchen Frankreich sich eingeimpft hat, und welcher sehr wesentlich zu seinem immer wiederkehrenden revolutionären Wechselfieber beiträgt. Er erinnerte sich ohne Zweifel des Wortes von Lamartine: Gmijlwtm ii. 1871. 102

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/257>, abgerufen am 06.02.2025.