Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.sich darin gefallen, daß sie in der Art von Hüten kleine Helme tragen, denen So ist z. B. gegenwärtig die preußische Granate in Gunst. In Wirk¬ Wo aber das Genie der Künstler sich selbst übertroffen hat, das ist in Die Juweliere treiben's in noch raffinirterer Weise. Nichts zeigt heut¬ sich darin gefallen, daß sie in der Art von Hüten kleine Helme tragen, denen So ist z. B. gegenwärtig die preußische Granate in Gunst. In Wirk¬ Wo aber das Genie der Künstler sich selbst übertroffen hat, das ist in Die Juweliere treiben's in noch raffinirterer Weise. Nichts zeigt heut¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192535"/> <p xml:id="ID_890" prev="#ID_889"> sich darin gefallen, daß sie in der Art von Hüten kleine Helme tragen, denen<lb/> nur die Spitze fehlt, um sie zu preußischen Pickelhauben zu machen. New,<lb/> ich meine jene Verrücktheit, nach welcher die Pariser die glücklichen oder be-<lb/> klagenswerthen Ereignisse, welche sich zutragen, nur als Gelegenheiten be¬<lb/> trachten, die kleinlichen Spielereien zu variiren, die zu ihrer Existenz noth¬<lb/> wendig sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_891"> So ist z. B. gegenwärtig die preußische Granate in Gunst. In Wirk¬<lb/> lichkeit wie figürlich ist sie das beliebteste Spielzeug des Tages. Man ver¬<lb/> wendet sie allenthalben, sie bekommt Junge, ich weiß nicht, in was für<lb/> Hundertlei Saucen man sie den Leuten servirt. Gewisse Gewerbsleute machen<lb/> ein Geschäft daraus, alle Geschosse, die während der beiden Belagerungen nach<lb/> Paris hineingefallen sind (man nimmt es mit ihrer Nationalität nicht so genau),<lb/> zu sammeln und sie zu allerhand Gegenständen zu verarbeiten, die irgendwie<lb/> zum eleganten Leben gehören. Die sprichwörtliche Erfindungsgabe der Pariser<lb/> Fabrikanten hat sich mit vergnügten Herzen daran gemacht, und Spielzeug¬<lb/> fabrikanten und Juweliere haben um die Wette gearbeitet. Aus den großen,<lb/> dicken Bomben, welche nicht zersprungen und noch mit ihrem zerrissenen Hemde<lb/> von Blei bekleidet sind, macht man Wanduhren. Man zerschneidet ihnen den<lb/> Bauch, um ein Uhrwerk mit Zifferblatt hineinzuschieben, das nun die Stelle<lb/> des Pulvers einnimmt. Ich würde mich freuen, diese Wanduhr auf jedem<lb/> Kaminsims zu sehen, aber unter der Bedingung, daß der Zeiger daran un¬<lb/> beweglich wäre und immer dieselbe Stunde wiese — die der großen Reveille.<lb/> Aber ich vermuthe, daß diese furchtbaren Hausgeräthstücke viel häufiger die<lb/> Schlafkammer niedlicher Frauenzimmer als die von Liebhabern der Rache<lb/> schmücken werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_892"> Wo aber das Genie der Künstler sich selbst übertroffen hat, das ist in<lb/> der Art und Weise, in welcher man die Sprengstücke der Geschosse nützlich<lb/> verwendet. Aus einer halben und der Länge nach durchgespaltenen Granate<lb/> machen sie eine Cigarrendose, aus ganz kleinen Bruchstücken entstehen unter<lb/> ihren Händen Büchsen für Zündhölzchen, Uhrhalter oder Tintenfäßchen, oder<lb/> sie gestalten sie zu Briefbeschwerern oder Stockknöpfen um. Durch eine sehr<lb/> sinnreiche Zusammenstellung von größeren Kugeln, Zündnadelgeschosfen und<lb/> Granatspiegeln gewinnen sie Lichthalter, Leuchter, Kandelaber und selbst<lb/> Kronleuchter. Das sieht häßlich, plump, unsauber aus, aber jedes dieser<lb/> Bruchstücke hat vielleicht einen Franzosen getödtet oder zum Krüppel gemacht,<lb/> folglich ist das Ding als Kunstwerk von unschätzbarem Werthe.</p><lb/> <p xml:id="ID_893" next="#ID_894"> Die Juweliere treiben's in noch raffinirterer Weise. Nichts zeigt heut¬<lb/> zutage besseren Geschmack, als wenn man an seine Uhrkette eine allerliebste<lb/> Miniaturgranate hängt oder sich über den Finger einen Ring streift, welcher<lb/> aus dem Sprengstück einer deutschen Bombe gegossen und von Fromme Mau-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0234]
sich darin gefallen, daß sie in der Art von Hüten kleine Helme tragen, denen
nur die Spitze fehlt, um sie zu preußischen Pickelhauben zu machen. New,
ich meine jene Verrücktheit, nach welcher die Pariser die glücklichen oder be-
klagenswerthen Ereignisse, welche sich zutragen, nur als Gelegenheiten be¬
trachten, die kleinlichen Spielereien zu variiren, die zu ihrer Existenz noth¬
wendig sind.
So ist z. B. gegenwärtig die preußische Granate in Gunst. In Wirk¬
lichkeit wie figürlich ist sie das beliebteste Spielzeug des Tages. Man ver¬
wendet sie allenthalben, sie bekommt Junge, ich weiß nicht, in was für
Hundertlei Saucen man sie den Leuten servirt. Gewisse Gewerbsleute machen
ein Geschäft daraus, alle Geschosse, die während der beiden Belagerungen nach
Paris hineingefallen sind (man nimmt es mit ihrer Nationalität nicht so genau),
zu sammeln und sie zu allerhand Gegenständen zu verarbeiten, die irgendwie
zum eleganten Leben gehören. Die sprichwörtliche Erfindungsgabe der Pariser
Fabrikanten hat sich mit vergnügten Herzen daran gemacht, und Spielzeug¬
fabrikanten und Juweliere haben um die Wette gearbeitet. Aus den großen,
dicken Bomben, welche nicht zersprungen und noch mit ihrem zerrissenen Hemde
von Blei bekleidet sind, macht man Wanduhren. Man zerschneidet ihnen den
Bauch, um ein Uhrwerk mit Zifferblatt hineinzuschieben, das nun die Stelle
des Pulvers einnimmt. Ich würde mich freuen, diese Wanduhr auf jedem
Kaminsims zu sehen, aber unter der Bedingung, daß der Zeiger daran un¬
beweglich wäre und immer dieselbe Stunde wiese — die der großen Reveille.
Aber ich vermuthe, daß diese furchtbaren Hausgeräthstücke viel häufiger die
Schlafkammer niedlicher Frauenzimmer als die von Liebhabern der Rache
schmücken werden.
Wo aber das Genie der Künstler sich selbst übertroffen hat, das ist in
der Art und Weise, in welcher man die Sprengstücke der Geschosse nützlich
verwendet. Aus einer halben und der Länge nach durchgespaltenen Granate
machen sie eine Cigarrendose, aus ganz kleinen Bruchstücken entstehen unter
ihren Händen Büchsen für Zündhölzchen, Uhrhalter oder Tintenfäßchen, oder
sie gestalten sie zu Briefbeschwerern oder Stockknöpfen um. Durch eine sehr
sinnreiche Zusammenstellung von größeren Kugeln, Zündnadelgeschosfen und
Granatspiegeln gewinnen sie Lichthalter, Leuchter, Kandelaber und selbst
Kronleuchter. Das sieht häßlich, plump, unsauber aus, aber jedes dieser
Bruchstücke hat vielleicht einen Franzosen getödtet oder zum Krüppel gemacht,
folglich ist das Ding als Kunstwerk von unschätzbarem Werthe.
Die Juweliere treiben's in noch raffinirterer Weise. Nichts zeigt heut¬
zutage besseren Geschmack, als wenn man an seine Uhrkette eine allerliebste
Miniaturgranate hängt oder sich über den Finger einen Ring streift, welcher
aus dem Sprengstück einer deutschen Bombe gegossen und von Fromme Mau-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |