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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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blieb Großmeister, unumschränkter Gebieter über Calatrava. Den Orden von
Alccmtara unterwarf er sich 1494, indem er den Großmeister zu freiwilliger
Abdankung, zum Tausche dieser Stellung mit dem Erzbisthum Sevilla be¬
wog. Endlich als 1499 jener von ihm eingesetzte Meister von San Jago
starb, machte er sich selbst zu dessen Nachfolger. Seine Herrschaft über den
gesammten Adel war jetzt auf gesetzlicher Basis gegründet. Wohl oder Wehe,
beschränkter Besitz öder materieller Vortheil, einflußreiche Stellung oder aus¬
sichtslose Zukunft: alles und jedes hatte der Einzelne von dem Könige zu
erhalten; und Ferdinand ließ Niemanden in Zweifel, daß er nur den Gefü¬
gigen und Gehorsamen berücksichtigen wolle; zugleich aber wußte jeder Ge¬
horsame, daß der Dienst des Königes ihm reiche Belohnungen bringen werde.
Das Resultat blieb nicht aus. Der spanische Adel, vor Kurzem noch so
trotzig und selbstherrisch, wurde zum gefügigen Werkzeug des königlichen Ehr¬
geizes und der königlichen Politik: man konnte bald untrüglich auf ihn zählen.

Und die Kirche gelang es in ähnliche Unterordnung unter das König¬
thum, in ähnliche Abhängigkeit von dem königlichen Willen zu bringen. Nicht
allein in Spanien, fondern auch in den anderen Ländern Europas rangen
schon seit dem 14. Jahrhundert die Landesregierungen mit der sich überall
einmischenden Regierungsgewalt des Papstthumes. Noch unausgetragen
schwebte dieser Kampf der territorialen mit der centralistischen Tendenz des
kirchlichen Lebens, als die Regierung der katholischen Könige sich der Erle¬
digung dieser Fragen zuwandte. Für Spanien kam die Controverse damals
zum Abschluß. Die Krone forderte vom Papste, daß er auf alle Eingriffe
in spanisches Kirchenwesen verzichte, daß dem Könige ein ganz unbedingtes
Präsentations- d. h. Ernennungsrecht zu allen wichtigeren Ämtern der Kirche
zustehe. Rom widersprach anfangs diesen Zumuthungen: nichtsdestoweniger
setzten Ferdinand und Jsabella jenes Concordat durch, das genau nach den
spanischen Wünschen diese Verhältnisse regelte.

Die Kirchenpolitik der katholischen Könige bietet der historischen Be¬
trachtung zwei Seiten dar; und ich glaube, zwei Motive können für sie auch
als maßgebend angesehen werden. Sowohl von religiöser, als von politischer
Seite ist die Thätigkeit der Könige zu beleuchten; von diesen beiden Impulsen
sind sie bewegt worden. Indem die Anstellung der Geistlichen Sache der
Staatsregierung wurde, war ebensowohl ihre Herrschaft über die Kirche be¬
gründet als auch die Möglichkeit ihr eröffnet, an Stelle laxer und unkirchlich
gesinnter Menschen strenge, eifrige, religiöse Geistliche zu bringen. Auch von
diesem Gesichtspunkt der Religiosität, einer gründlichen Reinigung des kirch¬
lichen Personales, einer durchgreifenden Reformation der kirchlichen Ein¬
richtung empfahlen sich die Satzungen des spanischen Concordates und die
wachsenden Befugnisse der Krone in kirchlichen Dingen. Diese frommen Ter-


blieb Großmeister, unumschränkter Gebieter über Calatrava. Den Orden von
Alccmtara unterwarf er sich 1494, indem er den Großmeister zu freiwilliger
Abdankung, zum Tausche dieser Stellung mit dem Erzbisthum Sevilla be¬
wog. Endlich als 1499 jener von ihm eingesetzte Meister von San Jago
starb, machte er sich selbst zu dessen Nachfolger. Seine Herrschaft über den
gesammten Adel war jetzt auf gesetzlicher Basis gegründet. Wohl oder Wehe,
beschränkter Besitz öder materieller Vortheil, einflußreiche Stellung oder aus¬
sichtslose Zukunft: alles und jedes hatte der Einzelne von dem Könige zu
erhalten; und Ferdinand ließ Niemanden in Zweifel, daß er nur den Gefü¬
gigen und Gehorsamen berücksichtigen wolle; zugleich aber wußte jeder Ge¬
horsame, daß der Dienst des Königes ihm reiche Belohnungen bringen werde.
Das Resultat blieb nicht aus. Der spanische Adel, vor Kurzem noch so
trotzig und selbstherrisch, wurde zum gefügigen Werkzeug des königlichen Ehr¬
geizes und der königlichen Politik: man konnte bald untrüglich auf ihn zählen.

Und die Kirche gelang es in ähnliche Unterordnung unter das König¬
thum, in ähnliche Abhängigkeit von dem königlichen Willen zu bringen. Nicht
allein in Spanien, fondern auch in den anderen Ländern Europas rangen
schon seit dem 14. Jahrhundert die Landesregierungen mit der sich überall
einmischenden Regierungsgewalt des Papstthumes. Noch unausgetragen
schwebte dieser Kampf der territorialen mit der centralistischen Tendenz des
kirchlichen Lebens, als die Regierung der katholischen Könige sich der Erle¬
digung dieser Fragen zuwandte. Für Spanien kam die Controverse damals
zum Abschluß. Die Krone forderte vom Papste, daß er auf alle Eingriffe
in spanisches Kirchenwesen verzichte, daß dem Könige ein ganz unbedingtes
Präsentations- d. h. Ernennungsrecht zu allen wichtigeren Ämtern der Kirche
zustehe. Rom widersprach anfangs diesen Zumuthungen: nichtsdestoweniger
setzten Ferdinand und Jsabella jenes Concordat durch, das genau nach den
spanischen Wünschen diese Verhältnisse regelte.

Die Kirchenpolitik der katholischen Könige bietet der historischen Be¬
trachtung zwei Seiten dar; und ich glaube, zwei Motive können für sie auch
als maßgebend angesehen werden. Sowohl von religiöser, als von politischer
Seite ist die Thätigkeit der Könige zu beleuchten; von diesen beiden Impulsen
sind sie bewegt worden. Indem die Anstellung der Geistlichen Sache der
Staatsregierung wurde, war ebensowohl ihre Herrschaft über die Kirche be¬
gründet als auch die Möglichkeit ihr eröffnet, an Stelle laxer und unkirchlich
gesinnter Menschen strenge, eifrige, religiöse Geistliche zu bringen. Auch von
diesem Gesichtspunkt der Religiosität, einer gründlichen Reinigung des kirch¬
lichen Personales, einer durchgreifenden Reformation der kirchlichen Ein¬
richtung empfahlen sich die Satzungen des spanischen Concordates und die
wachsenden Befugnisse der Krone in kirchlichen Dingen. Diese frommen Ter-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/138>, abgerufen am 05.02.2025.