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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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menschlichen Fleißes gebracht hat. Der große Brand von London, Hamburg
und Pera, die Erdbeben, welche reiche Colonieen in Südamerika vernichteten,
die Ausbrüche feuerspeiender Berge, die schlagenden Wetter in den Tiefen
unsrer Bergwerke, haben vergleichsweise geringe Opfer gefordert gegen die
schreckliche Verwüstung, die eine Nacht über die Herrscherin des Michigan-
see's heraufführte. Vergessen wir das Eine nicht: es gilt, fast hundert¬
tausend Menschen durch die Schrecknisse der rauhen Jahres¬
zeit sind urchzu helfen, bis mildere Monate ihnen gestatten, das Ver¬
lorene wieder aus Schutt und Trümmern aufzurichten.

Und vor Allem: wir erfüllen nur eine einfache Dankespflicht in dem,
was wir für Chicago thun! Wir wollen nicht sammeln Deutsche für Deutsche,
sondern Menschen für Menschen, wie die Bürger von Chicago ohne Unter¬
schied der Sprache und des Blutes für uns gethan haben!

Die Unglücklichen, für welche ihr Unglück nun an unsere Herzen und
Börsen klopft, haben allezeit den Leiden, wie den Hoffnungen und Freuden
unseres Volkes und den höchsten Aufgaben unseres Zeitalters die regste Theil¬
nahme erwiesen. Sie standen in vorderster Reihe, als vor'in Jahre galt,
die schweren Leiden unseres Krieges zu lindern; Berichterstatter der Chicagoer
Presse waren über den Ocean gekommen, um ihren Mitbürgern nach eigenem
Augenschein von den ruhmvollen Waffenthaten unserer Heere treue Kunde zu
geben. Lange, bevor wir in Deutschland die Zug- und Gewerbefreiheit kann¬
ten, fanden unsere Söhne und Brüder in Chicago bei jeder Freiheit des
Verkehrs eine deutsche Heimath. Mit einer auch für Amerika ungewöhnlichen
Ausdauer und Rührigkeit, wußten die Bürger dieser Stadt Wohlstand und
Reichthum in ihre Stadt zu ziehen -- aber auch nirgends in der Union wa¬
ren Schulen und milde Anstalten und die mannigfachsten öffentlichen und
humanen Interessen besser bewahrt und besorgt als hier. Und in dem großen
Kampfe, den die nordamerikanische Union unter des Präsidenten Lincoln Führung
für die menschlichen Strebungen unserer Zeit erfolgreich führte, stand kaum
eine Stadt des gewaltigen nordamerikanischen Staates so treu und opfermüthig
ein für die Aufhebung der Sclaverei und die im edelsten Sinne des Wortes
"republikanische" Regeneration der Vereinigten Staaten, als die "Deutsche
Stadt" des Westens.


H. B.

Heise ihr darum, wer kann!




menschlichen Fleißes gebracht hat. Der große Brand von London, Hamburg
und Pera, die Erdbeben, welche reiche Colonieen in Südamerika vernichteten,
die Ausbrüche feuerspeiender Berge, die schlagenden Wetter in den Tiefen
unsrer Bergwerke, haben vergleichsweise geringe Opfer gefordert gegen die
schreckliche Verwüstung, die eine Nacht über die Herrscherin des Michigan-
see's heraufführte. Vergessen wir das Eine nicht: es gilt, fast hundert¬
tausend Menschen durch die Schrecknisse der rauhen Jahres¬
zeit sind urchzu helfen, bis mildere Monate ihnen gestatten, das Ver¬
lorene wieder aus Schutt und Trümmern aufzurichten.

Und vor Allem: wir erfüllen nur eine einfache Dankespflicht in dem,
was wir für Chicago thun! Wir wollen nicht sammeln Deutsche für Deutsche,
sondern Menschen für Menschen, wie die Bürger von Chicago ohne Unter¬
schied der Sprache und des Blutes für uns gethan haben!

Die Unglücklichen, für welche ihr Unglück nun an unsere Herzen und
Börsen klopft, haben allezeit den Leiden, wie den Hoffnungen und Freuden
unseres Volkes und den höchsten Aufgaben unseres Zeitalters die regste Theil¬
nahme erwiesen. Sie standen in vorderster Reihe, als vor'in Jahre galt,
die schweren Leiden unseres Krieges zu lindern; Berichterstatter der Chicagoer
Presse waren über den Ocean gekommen, um ihren Mitbürgern nach eigenem
Augenschein von den ruhmvollen Waffenthaten unserer Heere treue Kunde zu
geben. Lange, bevor wir in Deutschland die Zug- und Gewerbefreiheit kann¬
ten, fanden unsere Söhne und Brüder in Chicago bei jeder Freiheit des
Verkehrs eine deutsche Heimath. Mit einer auch für Amerika ungewöhnlichen
Ausdauer und Rührigkeit, wußten die Bürger dieser Stadt Wohlstand und
Reichthum in ihre Stadt zu ziehen — aber auch nirgends in der Union wa¬
ren Schulen und milde Anstalten und die mannigfachsten öffentlichen und
humanen Interessen besser bewahrt und besorgt als hier. Und in dem großen
Kampfe, den die nordamerikanische Union unter des Präsidenten Lincoln Führung
für die menschlichen Strebungen unserer Zeit erfolgreich führte, stand kaum
eine Stadt des gewaltigen nordamerikanischen Staates so treu und opfermüthig
ein für die Aufhebung der Sclaverei und die im edelsten Sinne des Wortes
"republikanische" Regeneration der Vereinigten Staaten, als die „Deutsche
Stadt" des Westens.


H. B.

Heise ihr darum, wer kann!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/127>, abgerufen am 05.02.2025.