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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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der durch seine mosaikartige Ziegelbekleidung, sowie durch eine eigenthümliche
kleine Kanzel neben dem Portal schon längst unsere Blicke auf sich zog. Die¬
selbe stammt nämlich noch aus der italisch-gothischen Zeit, enthält aber schon
vollkommen das Motiv zu Benedetto da Majanos Kanzel in S. Croce zu
Florenz. Ein neuer Beweis dafür, wie wenig gewaltsam sich die Motive
entwickelten, zur Zeit, da die Künste in Italien blühten, und wie das Schema
aller Architektur daselbst sich nicht durch constructive oder decorative Abstrac-
tionen und Imitationen, sondern durch das Bedürfniß zweckmäßig entwickelte.
Beide Kanzeln sind sechseckig, die des Benedetto an einen Pfeiler, die von
Perugia an die Fassadenwand angebaut; beide ruhen auf Consolen. Wäh¬
rend jedoch bei Benedetto die Zwischenräume zwischen den Consolen, sowie
die Wandflächen der Kanzel mit seulpirten Figürchen und Reliefs geschmückt
sind, so treten an der Perugianer Kanzel Mosaik und gothische Bogen in
Flachrelief an deren Stelle. Auch ist die letztere mehr in die Höhe gestreckt;
ebenso sind die Details beider je nach dem Charakter ihrer Zeit verschieden.

Die weiträumige, gothische Kirche soll nach dem Muster von S. Fran¬
cesco in Gubbio, vielleicht von demselben Architekten, dem obengenannten
Fra Benvignate, errichtet worden sein. Im Innern siel unser Blick zunächst
auf das Grab des Andrea Baglioni vom Jahre 1431, das sich rechts neben
dem Eingang befindet. Vermittelst buntfarbigen Marmors ist dasselbe poly¬
chrom behandelt und hat sowohl hiedurch, wie durch eine liebevolle Ausfüh¬
rung der Sculpturen eine gefällige Wirkung, wenn auch nicht Alles motivirr
daran erscheint. -- Auf schwarzer Basis erhebt sich ein oben und unten roth
eingefaßtes Postament von grauem Marmor mit einem länglichen Feld von
weißen Fruchtschnüren auf rothem Grund an seiner obern Hälfte. -- Darauf
folgt auf grauer Basis ein Fries, bestehend aus drei weißen, roth einge¬
rahmten, viereckigen Feldern. In dem mittleren befindet sich die Inschrift,
an den beiden äußern wappenhaltende Putten in Relief. -- Trotz des Posta¬
ments ruht nun schließlich der Sarg selbst doch auf 3 Wandconsolen von weißer
Farbe mit rothen Zwischenräumen. Der Sarg von oblong viereckiger Gestalt ist
von rothen Leisten eingefaßt und durch fünf rothe Pilasterchen an seiner
Front in 4 weiße Felder, mit Hochrelieffiguren von Tugenden in Nischen,
eingetheilt. Die Seitenwände sind mit Wappen geschmückt. Zu oberst ruht
die Gestalt des Verstorbenen in weißem Marmor gebildet. -- Ohne Zweifel
war die Polychromie vormals noch viel reicher, indem die weißen Partieen
zum mindesten durch Gold und Blau belebt sein mochten. Die zierlichen Fi¬
gürchen erinnern an Benedetto da Majano's Stil, während die Gestalt des
Todten selbst sehr manierirt erscheint. Aus stilistischen Gründen, M weiter
unten entwickelt werden sollen, muß dieß Grab ein Werk des Florentiners
Agostino d'Antonio ti Guccio sein.


Grenzboten II. 1871. 8

der durch seine mosaikartige Ziegelbekleidung, sowie durch eine eigenthümliche
kleine Kanzel neben dem Portal schon längst unsere Blicke auf sich zog. Die¬
selbe stammt nämlich noch aus der italisch-gothischen Zeit, enthält aber schon
vollkommen das Motiv zu Benedetto da Majanos Kanzel in S. Croce zu
Florenz. Ein neuer Beweis dafür, wie wenig gewaltsam sich die Motive
entwickelten, zur Zeit, da die Künste in Italien blühten, und wie das Schema
aller Architektur daselbst sich nicht durch constructive oder decorative Abstrac-
tionen und Imitationen, sondern durch das Bedürfniß zweckmäßig entwickelte.
Beide Kanzeln sind sechseckig, die des Benedetto an einen Pfeiler, die von
Perugia an die Fassadenwand angebaut; beide ruhen auf Consolen. Wäh¬
rend jedoch bei Benedetto die Zwischenräume zwischen den Consolen, sowie
die Wandflächen der Kanzel mit seulpirten Figürchen und Reliefs geschmückt
sind, so treten an der Perugianer Kanzel Mosaik und gothische Bogen in
Flachrelief an deren Stelle. Auch ist die letztere mehr in die Höhe gestreckt;
ebenso sind die Details beider je nach dem Charakter ihrer Zeit verschieden.

Die weiträumige, gothische Kirche soll nach dem Muster von S. Fran¬
cesco in Gubbio, vielleicht von demselben Architekten, dem obengenannten
Fra Benvignate, errichtet worden sein. Im Innern siel unser Blick zunächst
auf das Grab des Andrea Baglioni vom Jahre 1431, das sich rechts neben
dem Eingang befindet. Vermittelst buntfarbigen Marmors ist dasselbe poly¬
chrom behandelt und hat sowohl hiedurch, wie durch eine liebevolle Ausfüh¬
rung der Sculpturen eine gefällige Wirkung, wenn auch nicht Alles motivirr
daran erscheint. — Auf schwarzer Basis erhebt sich ein oben und unten roth
eingefaßtes Postament von grauem Marmor mit einem länglichen Feld von
weißen Fruchtschnüren auf rothem Grund an seiner obern Hälfte. — Darauf
folgt auf grauer Basis ein Fries, bestehend aus drei weißen, roth einge¬
rahmten, viereckigen Feldern. In dem mittleren befindet sich die Inschrift,
an den beiden äußern wappenhaltende Putten in Relief. — Trotz des Posta¬
ments ruht nun schließlich der Sarg selbst doch auf 3 Wandconsolen von weißer
Farbe mit rothen Zwischenräumen. Der Sarg von oblong viereckiger Gestalt ist
von rothen Leisten eingefaßt und durch fünf rothe Pilasterchen an seiner
Front in 4 weiße Felder, mit Hochrelieffiguren von Tugenden in Nischen,
eingetheilt. Die Seitenwände sind mit Wappen geschmückt. Zu oberst ruht
die Gestalt des Verstorbenen in weißem Marmor gebildet. — Ohne Zweifel
war die Polychromie vormals noch viel reicher, indem die weißen Partieen
zum mindesten durch Gold und Blau belebt sein mochten. Die zierlichen Fi¬
gürchen erinnern an Benedetto da Majano's Stil, während die Gestalt des
Todten selbst sehr manierirt erscheint. Aus stilistischen Gründen, M weiter
unten entwickelt werden sollen, muß dieß Grab ein Werk des Florentiners
Agostino d'Antonio ti Guccio sein.


Grenzboten II. 1871. 8
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/65>, abgerufen am 24.07.2024.