Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.ohne Unterschied zu machen. Auf dieser Bahn sehen wir Fröbel. Niemals Bald ward dem damaligen Radicalismus die Schweiz zu klein. Seit Am Schluß des Jahres 1846 erschien Fröbel indeß gerathen, den Bevor Fröbel die Schweiz verließ, hatte er ein System der' neuen ohne Unterschied zu machen. Auf dieser Bahn sehen wir Fröbel. Niemals Bald ward dem damaligen Radicalismus die Schweiz zu klein. Seit Am Schluß des Jahres 1846 erschien Fröbel indeß gerathen, den Bevor Fröbel die Schweiz verließ, hatte er ein System der' neuen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0531" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126807"/> <p xml:id="ID_1582" prev="#ID_1581"> ohne Unterschied zu machen. Auf dieser Bahn sehen wir Fröbel. Niemals<lb/> aber sehen wir ihn darin irren, daß der Staat das ernste Werk des Verstan¬<lb/> des und des bewußten Willens ist. Heftiger als mit dem damaligen schwei¬<lb/> zerischen entweder spießbürgerlichen oder egoistischen Konservatismus überwarf<lb/> er sich mit dem Mysticismus eines Rohmer, jener Opiumphantasie, die da<lb/> meinte, man müsse Verstand und Willen zur Ruhe bringen, damit irgend<lb/> ein mystischer Lebensproceß die Früchte des Staates ungestört zur Reife brin¬<lb/> gen könne.</p><lb/> <p xml:id="ID_1583"> Bald ward dem damaligen Radicalismus die Schweiz zu klein. Seit<lb/> dem Jahre 1840 war Deutschland von der politischen Bewegung ergriffen<lb/> worden. Viele Deutsche suchten die in der Schweiz gereiften Ideen nach<lb/> Deutschland zu verpflanzen, und diejenigen, welche diese Ideen in der Schweiz<lb/> gepflegt hatten, ergriffen begierig die Gelegenheit zu einer großartigen Pro¬<lb/> paganda über die engen Verhältnisse der Schweiz hinaus. Es kam im Wesent¬<lb/> lichen doch nur zu einer buchhändlerisch-literarischen Thätigkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_1584"> Am Schluß des Jahres 1846 erschien Fröbel indeß gerathen, den<lb/> Sitz dieser Propaganda nach Deutschland zu verlegen. Er dachte nicht an<lb/> Verschwörung, noch an gewaltsamen Umsturz. Im Gegentheil, er wollte<lb/> eine Encyklopädie aller Fächer des Wissens herausgeben, der grundlegenden<lb/> historischen, ethischen und technischen. Es war der echt deutsche Gedanke, daß<lb/> nur aus dem Abschluß der Theorie, aus ihrer inneren und äußeren Voll¬<lb/> endung die wahre Verbesserung der praktischen Welt hervorgehen könne. Aber<lb/> das Unternehmen würde Jahre erfordert haben, ehe es nur den äußeren Ab¬<lb/> schluß hätte finden können. Die damalige deutsche Polizei duldete indessen<lb/> nicht, daß ein so staatsgefährlicher Schriftsteller an einem Ort wie Leipzig,<lb/> den er um des buchhändlerischen Vertriebes willen aufsuchen wollte, seinen<lb/> Aufenthalt nehme. Fröbel wurde in Dresden gewissermaßen internirt, bis<lb/> das Jahr 1848 allen diesen Dingen ein Ende machte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1585" next="#ID_1586"> Bevor Fröbel die Schweiz verließ, hatte er ein System der' neuen<lb/> Politik geschrieben, sein erster größerer Versuch auf dem staatswissenschaftlicher<lb/> Gebiet. Das Buch war eigentlich der zweite Strauß, welchen der Verfasser<lb/> mit dem politischen Mysticismus bestand. Wer von den Heutigen die vier¬<lb/> ziger Jahre bereits mit Bewußtsein durchlebt hat, erinnert sich, daß der da¬<lb/> maligen Generation, die um jeden Preis vorwärts wollte und praktisch keinen<lb/> Schritt vorwärts konnte, in der Theorie bald der politische Radicalismus<lb/> nicht mehr genug that. Die Abgeschmacktheiten des Socialismus fanden bei<lb/> der jüngeren deutschen Generation eine Empfänglichkeit, über die man heute<lb/> erstaunt. Bald hieß es: „Alle Politik, auch die radikalste, ist ihrem Wesen<lb/> nach reactionär. Was kümmert uns der Staat, dieses überlebte Institut!<lb/> Die Zukunft gehört der Gesellschaft. Laßt uns die Keime der Gesellschaft</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0531]
ohne Unterschied zu machen. Auf dieser Bahn sehen wir Fröbel. Niemals
aber sehen wir ihn darin irren, daß der Staat das ernste Werk des Verstan¬
des und des bewußten Willens ist. Heftiger als mit dem damaligen schwei¬
zerischen entweder spießbürgerlichen oder egoistischen Konservatismus überwarf
er sich mit dem Mysticismus eines Rohmer, jener Opiumphantasie, die da
meinte, man müsse Verstand und Willen zur Ruhe bringen, damit irgend
ein mystischer Lebensproceß die Früchte des Staates ungestört zur Reife brin¬
gen könne.
Bald ward dem damaligen Radicalismus die Schweiz zu klein. Seit
dem Jahre 1840 war Deutschland von der politischen Bewegung ergriffen
worden. Viele Deutsche suchten die in der Schweiz gereiften Ideen nach
Deutschland zu verpflanzen, und diejenigen, welche diese Ideen in der Schweiz
gepflegt hatten, ergriffen begierig die Gelegenheit zu einer großartigen Pro¬
paganda über die engen Verhältnisse der Schweiz hinaus. Es kam im Wesent¬
lichen doch nur zu einer buchhändlerisch-literarischen Thätigkeit.
Am Schluß des Jahres 1846 erschien Fröbel indeß gerathen, den
Sitz dieser Propaganda nach Deutschland zu verlegen. Er dachte nicht an
Verschwörung, noch an gewaltsamen Umsturz. Im Gegentheil, er wollte
eine Encyklopädie aller Fächer des Wissens herausgeben, der grundlegenden
historischen, ethischen und technischen. Es war der echt deutsche Gedanke, daß
nur aus dem Abschluß der Theorie, aus ihrer inneren und äußeren Voll¬
endung die wahre Verbesserung der praktischen Welt hervorgehen könne. Aber
das Unternehmen würde Jahre erfordert haben, ehe es nur den äußeren Ab¬
schluß hätte finden können. Die damalige deutsche Polizei duldete indessen
nicht, daß ein so staatsgefährlicher Schriftsteller an einem Ort wie Leipzig,
den er um des buchhändlerischen Vertriebes willen aufsuchen wollte, seinen
Aufenthalt nehme. Fröbel wurde in Dresden gewissermaßen internirt, bis
das Jahr 1848 allen diesen Dingen ein Ende machte.
Bevor Fröbel die Schweiz verließ, hatte er ein System der' neuen
Politik geschrieben, sein erster größerer Versuch auf dem staatswissenschaftlicher
Gebiet. Das Buch war eigentlich der zweite Strauß, welchen der Verfasser
mit dem politischen Mysticismus bestand. Wer von den Heutigen die vier¬
ziger Jahre bereits mit Bewußtsein durchlebt hat, erinnert sich, daß der da¬
maligen Generation, die um jeden Preis vorwärts wollte und praktisch keinen
Schritt vorwärts konnte, in der Theorie bald der politische Radicalismus
nicht mehr genug that. Die Abgeschmacktheiten des Socialismus fanden bei
der jüngeren deutschen Generation eine Empfänglichkeit, über die man heute
erstaunt. Bald hieß es: „Alle Politik, auch die radikalste, ist ihrem Wesen
nach reactionär. Was kümmert uns der Staat, dieses überlebte Institut!
Die Zukunft gehört der Gesellschaft. Laßt uns die Keime der Gesellschaft
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