Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Dadurch werden 12.000 Mann bei der Infanterie, 8000 der Artillerie. 2000
der Cavallerie, 1000 den anderen Kategorien der Armee mehr zugeführt. Bei
der Infanterie bestehen dann 40 Regimenter aus 850, die übrigen aus
600 Mann.

Außer den für diese Einrichtungen bestimmten Kosten werden noch be¬
sondere Ausgaben für Befestigungen der Häfen von Dover, Harwich und
Malta, sowie für Vermessungsarbeiten zu Errichtung von Defensivstellungen
um London und an der Küste beansprucht. -- Es fand sich in und außer¬
halb des Parlaments gegen diese Pläne Widerspruch. Bei einem Meeting
der Arbeiter-Friedensgesellschaft waren mehrere Parlamentsmitglieder erschie¬
nen, wie Sir Morley, Sir W. Lawson und Lord Amberley, in deren Gegen¬
wart die Resolutionen, welche gegen die Verstärkung der Kriegsmacht prote-
stirten und die Regierung aufforderten, die Initiative zu ergreifen, um einen
Appellhof der Nationen zu gründen behufs Erledigung von Streitigkeiten,
einstimmig angenommen wurden. Im Oberhause bezeichnete Carnarvon die
Borlage des Kriegsministers als übertrieben und unzureichend; für die Dauer
der Einrichtungen sei keine Garantie gegeben, da das Parlament die Mög¬
lichkeit habe, in der nächsten Session Abstriche vorzunehmen. Er tadelte, daß
man früher die Artillerie vermindert habe; er gab die Nothwendigkeit der
Vervollständigung der Fortificationen zu, verlangte aber auch, daß der strate¬
gische Unterricht der Officiere verbessert werde. Die Regierungsvorlage wurde
von Northbrook und dem Herzoge von Cambridge (der jetzt Chef-Comman¬
deur ist) vertheidigt; der letztere erklärt, daß die Modification des gegenwär¬
tigen Militärsystems der Einführung eines neuen Systems vorzuziehen sei;
durch dieselbe werde die Vertheidigungskraft gehoben werden. Im Allgemei¬
nen aber zeichneten sich die Debatten des Oberhauses überhaupt nicht durch
so große Lebhaftigkeit aus, wie in dem andern Hause. Die Conservativen in
beiden Häusern wollten die Heeresreformbill nicht, weil die Käuflichkeit der
Officiersstellen aufhörte und das Officier - Corps dadurch seines vorwiegend
aristokratischen Charakters wenigstens theilweise entkleidet werde. Die Frie¬
densfreunde sahen sich durch die Vermehrung des Heeres ferner von dem Ziele
ihrer Bestrebungen. Die Fachleute erklärten, daß die Verstärkung der Wehr¬
kraft keine genügende sein werde; die meisten der übrigen Klassen widerstrebten
der Erhöhung des Budgets, und die Radicalen hielten die Bill für durch
und durch verfehlt, wie John Mill in einem Meeting geradezu aussprach.
Mr. Trevelyan beantragte im Februar im Unterhause die Resolution: "daß
nach der Ansicht des Hauses kein Plan der Militär-Reorganisation als vollstän¬
dig betrachtet werden könne, welcher nicht die Zeitdauer des Chef-Commando's
in solcher Weise ändert, um den Staatssecretär für den Krieg in den Stand
zu setzen, das jeweilig in der britischen Armee vorhandene beste administra-


Dadurch werden 12.000 Mann bei der Infanterie, 8000 der Artillerie. 2000
der Cavallerie, 1000 den anderen Kategorien der Armee mehr zugeführt. Bei
der Infanterie bestehen dann 40 Regimenter aus 850, die übrigen aus
600 Mann.

Außer den für diese Einrichtungen bestimmten Kosten werden noch be¬
sondere Ausgaben für Befestigungen der Häfen von Dover, Harwich und
Malta, sowie für Vermessungsarbeiten zu Errichtung von Defensivstellungen
um London und an der Küste beansprucht. — Es fand sich in und außer¬
halb des Parlaments gegen diese Pläne Widerspruch. Bei einem Meeting
der Arbeiter-Friedensgesellschaft waren mehrere Parlamentsmitglieder erschie¬
nen, wie Sir Morley, Sir W. Lawson und Lord Amberley, in deren Gegen¬
wart die Resolutionen, welche gegen die Verstärkung der Kriegsmacht prote-
stirten und die Regierung aufforderten, die Initiative zu ergreifen, um einen
Appellhof der Nationen zu gründen behufs Erledigung von Streitigkeiten,
einstimmig angenommen wurden. Im Oberhause bezeichnete Carnarvon die
Borlage des Kriegsministers als übertrieben und unzureichend; für die Dauer
der Einrichtungen sei keine Garantie gegeben, da das Parlament die Mög¬
lichkeit habe, in der nächsten Session Abstriche vorzunehmen. Er tadelte, daß
man früher die Artillerie vermindert habe; er gab die Nothwendigkeit der
Vervollständigung der Fortificationen zu, verlangte aber auch, daß der strate¬
gische Unterricht der Officiere verbessert werde. Die Regierungsvorlage wurde
von Northbrook und dem Herzoge von Cambridge (der jetzt Chef-Comman¬
deur ist) vertheidigt; der letztere erklärt, daß die Modification des gegenwär¬
tigen Militärsystems der Einführung eines neuen Systems vorzuziehen sei;
durch dieselbe werde die Vertheidigungskraft gehoben werden. Im Allgemei¬
nen aber zeichneten sich die Debatten des Oberhauses überhaupt nicht durch
so große Lebhaftigkeit aus, wie in dem andern Hause. Die Conservativen in
beiden Häusern wollten die Heeresreformbill nicht, weil die Käuflichkeit der
Officiersstellen aufhörte und das Officier - Corps dadurch seines vorwiegend
aristokratischen Charakters wenigstens theilweise entkleidet werde. Die Frie¬
densfreunde sahen sich durch die Vermehrung des Heeres ferner von dem Ziele
ihrer Bestrebungen. Die Fachleute erklärten, daß die Verstärkung der Wehr¬
kraft keine genügende sein werde; die meisten der übrigen Klassen widerstrebten
der Erhöhung des Budgets, und die Radicalen hielten die Bill für durch
und durch verfehlt, wie John Mill in einem Meeting geradezu aussprach.
Mr. Trevelyan beantragte im Februar im Unterhause die Resolution: „daß
nach der Ansicht des Hauses kein Plan der Militär-Reorganisation als vollstän¬
dig betrachtet werden könne, welcher nicht die Zeitdauer des Chef-Commando's
in solcher Weise ändert, um den Staatssecretär für den Krieg in den Stand
zu setzen, das jeweilig in der britischen Armee vorhandene beste administra-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0459" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126735"/>
            <p xml:id="ID_1391" prev="#ID_1390"> Dadurch werden 12.000 Mann bei der Infanterie, 8000 der Artillerie. 2000<lb/>
der Cavallerie, 1000 den anderen Kategorien der Armee mehr zugeführt. Bei<lb/>
der Infanterie bestehen dann 40 Regimenter aus 850, die übrigen aus<lb/>
600 Mann.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1392" next="#ID_1393"> Außer den für diese Einrichtungen bestimmten Kosten werden noch be¬<lb/>
sondere Ausgaben für Befestigungen der Häfen von Dover, Harwich und<lb/>
Malta, sowie für Vermessungsarbeiten zu Errichtung von Defensivstellungen<lb/>
um London und an der Küste beansprucht. &#x2014; Es fand sich in und außer¬<lb/>
halb des Parlaments gegen diese Pläne Widerspruch. Bei einem Meeting<lb/>
der Arbeiter-Friedensgesellschaft waren mehrere Parlamentsmitglieder erschie¬<lb/>
nen, wie Sir Morley, Sir W. Lawson und Lord Amberley, in deren Gegen¬<lb/>
wart die Resolutionen, welche gegen die Verstärkung der Kriegsmacht prote-<lb/>
stirten und die Regierung aufforderten, die Initiative zu ergreifen, um einen<lb/>
Appellhof der Nationen zu gründen behufs Erledigung von Streitigkeiten,<lb/>
einstimmig angenommen wurden. Im Oberhause bezeichnete Carnarvon die<lb/>
Borlage des Kriegsministers als übertrieben und unzureichend; für die Dauer<lb/>
der Einrichtungen sei keine Garantie gegeben, da das Parlament die Mög¬<lb/>
lichkeit habe, in der nächsten Session Abstriche vorzunehmen. Er tadelte, daß<lb/>
man früher die Artillerie vermindert habe; er gab die Nothwendigkeit der<lb/>
Vervollständigung der Fortificationen zu, verlangte aber auch, daß der strate¬<lb/>
gische Unterricht der Officiere verbessert werde. Die Regierungsvorlage wurde<lb/>
von Northbrook und dem Herzoge von Cambridge (der jetzt Chef-Comman¬<lb/>
deur ist) vertheidigt; der letztere erklärt, daß die Modification des gegenwär¬<lb/>
tigen Militärsystems der Einführung eines neuen Systems vorzuziehen sei;<lb/>
durch dieselbe werde die Vertheidigungskraft gehoben werden. Im Allgemei¬<lb/>
nen aber zeichneten sich die Debatten des Oberhauses überhaupt nicht durch<lb/>
so große Lebhaftigkeit aus, wie in dem andern Hause. Die Conservativen in<lb/>
beiden Häusern wollten die Heeresreformbill nicht, weil die Käuflichkeit der<lb/>
Officiersstellen aufhörte und das Officier - Corps dadurch seines vorwiegend<lb/>
aristokratischen Charakters wenigstens theilweise entkleidet werde. Die Frie¬<lb/>
densfreunde sahen sich durch die Vermehrung des Heeres ferner von dem Ziele<lb/>
ihrer Bestrebungen. Die Fachleute erklärten, daß die Verstärkung der Wehr¬<lb/>
kraft keine genügende sein werde; die meisten der übrigen Klassen widerstrebten<lb/>
der Erhöhung des Budgets, und die Radicalen hielten die Bill für durch<lb/>
und durch verfehlt, wie John Mill in einem Meeting geradezu aussprach.<lb/>
Mr. Trevelyan beantragte im Februar im Unterhause die Resolution: &#x201E;daß<lb/>
nach der Ansicht des Hauses kein Plan der Militär-Reorganisation als vollstän¬<lb/>
dig betrachtet werden könne, welcher nicht die Zeitdauer des Chef-Commando's<lb/>
in solcher Weise ändert, um den Staatssecretär für den Krieg in den Stand<lb/>
zu setzen, das jeweilig in der britischen Armee vorhandene beste administra-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0459] Dadurch werden 12.000 Mann bei der Infanterie, 8000 der Artillerie. 2000 der Cavallerie, 1000 den anderen Kategorien der Armee mehr zugeführt. Bei der Infanterie bestehen dann 40 Regimenter aus 850, die übrigen aus 600 Mann. Außer den für diese Einrichtungen bestimmten Kosten werden noch be¬ sondere Ausgaben für Befestigungen der Häfen von Dover, Harwich und Malta, sowie für Vermessungsarbeiten zu Errichtung von Defensivstellungen um London und an der Küste beansprucht. — Es fand sich in und außer¬ halb des Parlaments gegen diese Pläne Widerspruch. Bei einem Meeting der Arbeiter-Friedensgesellschaft waren mehrere Parlamentsmitglieder erschie¬ nen, wie Sir Morley, Sir W. Lawson und Lord Amberley, in deren Gegen¬ wart die Resolutionen, welche gegen die Verstärkung der Kriegsmacht prote- stirten und die Regierung aufforderten, die Initiative zu ergreifen, um einen Appellhof der Nationen zu gründen behufs Erledigung von Streitigkeiten, einstimmig angenommen wurden. Im Oberhause bezeichnete Carnarvon die Borlage des Kriegsministers als übertrieben und unzureichend; für die Dauer der Einrichtungen sei keine Garantie gegeben, da das Parlament die Mög¬ lichkeit habe, in der nächsten Session Abstriche vorzunehmen. Er tadelte, daß man früher die Artillerie vermindert habe; er gab die Nothwendigkeit der Vervollständigung der Fortificationen zu, verlangte aber auch, daß der strate¬ gische Unterricht der Officiere verbessert werde. Die Regierungsvorlage wurde von Northbrook und dem Herzoge von Cambridge (der jetzt Chef-Comman¬ deur ist) vertheidigt; der letztere erklärt, daß die Modification des gegenwär¬ tigen Militärsystems der Einführung eines neuen Systems vorzuziehen sei; durch dieselbe werde die Vertheidigungskraft gehoben werden. Im Allgemei¬ nen aber zeichneten sich die Debatten des Oberhauses überhaupt nicht durch so große Lebhaftigkeit aus, wie in dem andern Hause. Die Conservativen in beiden Häusern wollten die Heeresreformbill nicht, weil die Käuflichkeit der Officiersstellen aufhörte und das Officier - Corps dadurch seines vorwiegend aristokratischen Charakters wenigstens theilweise entkleidet werde. Die Frie¬ densfreunde sahen sich durch die Vermehrung des Heeres ferner von dem Ziele ihrer Bestrebungen. Die Fachleute erklärten, daß die Verstärkung der Wehr¬ kraft keine genügende sein werde; die meisten der übrigen Klassen widerstrebten der Erhöhung des Budgets, und die Radicalen hielten die Bill für durch und durch verfehlt, wie John Mill in einem Meeting geradezu aussprach. Mr. Trevelyan beantragte im Februar im Unterhause die Resolution: „daß nach der Ansicht des Hauses kein Plan der Militär-Reorganisation als vollstän¬ dig betrachtet werden könne, welcher nicht die Zeitdauer des Chef-Commando's in solcher Weise ändert, um den Staatssecretär für den Krieg in den Stand zu setzen, das jeweilig in der britischen Armee vorhandene beste administra-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/459
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/459>, abgerufen am 24.07.2024.