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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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fach eine vollkommene wissenschaftliche Durchbildung erworben und bewiesen
haben, etwa in dem Umfange, wie dieselbe von dem angehenden Privatdocen¬
ten verlangt wird;" während seiner Mußestunden mag er in diesem Special¬
fach fortarbeiten. Freilich "thut er am besten, wenn er sich als Docent nicht
habilitirt," denn "die Habilitation involvirt stets den Wunsch eine, akademische
Fachprofessur zu erhalten." Dieses Ziel selbst ist zwar nicht geradezu verpönt,
nur der übliche Weg wird gemißbilligt; "hervorragende fachwissenschaftliche
Leistungen ermöglichen den Uebergang in eine Professur auch demjenigen, der
akademische Vorlesungen nicht gehalten hat." Mag der Bibliothekmann
also dieses Mittel anwenden. "Jedenfalls muß eine akademische Docenten¬
thätigkeit durchaus Nebensache bleiben." In erhöhtem Grade gilt dies von
dem "Bibliotheksdirector." Will aber ein solcher "die Nebenthätigkeit des
Privatdocenten oder auch des Extraordinarius beibehalten und kann er dabei
der Aufgabe seines Haupt-Amtes vollständig Genüge leisten, so mag er es
immerhin damit versuchen." Von eigenthümlicher Feinheit ist die Unter¬
scheidung, daß "der Inhaber einer Bibliotheksdirection ein Fachordinariat
unter keinen Umständen annehmen darf, ohne gleichzeitig die erstere niederzu¬
legen," während ein Ordinarius nur "in der Regel aus seine Fachprofessur zu
verzichten haben wird, falls er Director einer Bibliothek werden will." Be¬
sonders interessant ist nach diesen Balancirübungen auf dem Seil das End¬
ergebniß: "Die Direction der Bibliothek verlangt durchaus einen Mann,
der einem zum Professor sich qualificirenden Universitätslehrer an wissen¬
schaftlicher Durchbildung nicht nachsteht. Es ergiebt sich daher aus der
Natur der Sache die Forderung, daß der Mann, welchem die Bibliotheks¬
direction übertragen wird, mit Rücksicht sowohl auf sein Amt, als auf die
innerhalb wie außerhalb desselben nach Maßgabe seiner Antecedentien von
ihm zu erwartenden Leistungen, zum Honorarprofessor ernannt werde."
Ordentlicher Honorar-Professor ist bekanntlich ein ordentlicher Professor, der
nur nicht Sitz und Stimme in der engern Facultät hat. Die Ernennung
von ordentlichen Honorarprofessoren i>.ä lionorös, ohne Recht und Pflicht zur
Lehrthätigkeit, wäre eine sonderbare Zumuthung für unsere Universitäten.
Auch die "gutdotirten" Fachprofessuren machen es zweifelhaft, ob mein Gegner
in die Verhältnisse unserer Universitäten tief eingeweiht sei.

Die Gegenüberstellung von "Fachwissenschaft" und Bibliothekswissenschaft
ist geeignet Irrungen in den Grundlagen und Ansätzen herbeizuführen, mit
der Folge, daß das Ergebniß der Rechnung falsch wird. Die Bibliotheks¬
wissenschaft ist gleichfalls Fachwissenschaft, nur in anderem Sinn als die
Fachwissenschaften, von denen die Brochüre spricht. Die Stellung der Biblio¬
thekswissenschaft zu anderen Wissensgebieten charakterisier sich dadurch, daß die
erstere nichts als Hilfswissenschaft ist; sie verfolgt nicht selbstständige Ziele


Grmzblltm II. 1871. 45

fach eine vollkommene wissenschaftliche Durchbildung erworben und bewiesen
haben, etwa in dem Umfange, wie dieselbe von dem angehenden Privatdocen¬
ten verlangt wird;" während seiner Mußestunden mag er in diesem Special¬
fach fortarbeiten. Freilich „thut er am besten, wenn er sich als Docent nicht
habilitirt," denn „die Habilitation involvirt stets den Wunsch eine, akademische
Fachprofessur zu erhalten." Dieses Ziel selbst ist zwar nicht geradezu verpönt,
nur der übliche Weg wird gemißbilligt; „hervorragende fachwissenschaftliche
Leistungen ermöglichen den Uebergang in eine Professur auch demjenigen, der
akademische Vorlesungen nicht gehalten hat." Mag der Bibliothekmann
also dieses Mittel anwenden. „Jedenfalls muß eine akademische Docenten¬
thätigkeit durchaus Nebensache bleiben." In erhöhtem Grade gilt dies von
dem „Bibliotheksdirector." Will aber ein solcher „die Nebenthätigkeit des
Privatdocenten oder auch des Extraordinarius beibehalten und kann er dabei
der Aufgabe seines Haupt-Amtes vollständig Genüge leisten, so mag er es
immerhin damit versuchen." Von eigenthümlicher Feinheit ist die Unter¬
scheidung, daß „der Inhaber einer Bibliotheksdirection ein Fachordinariat
unter keinen Umständen annehmen darf, ohne gleichzeitig die erstere niederzu¬
legen," während ein Ordinarius nur „in der Regel aus seine Fachprofessur zu
verzichten haben wird, falls er Director einer Bibliothek werden will." Be¬
sonders interessant ist nach diesen Balancirübungen auf dem Seil das End¬
ergebniß: „Die Direction der Bibliothek verlangt durchaus einen Mann,
der einem zum Professor sich qualificirenden Universitätslehrer an wissen¬
schaftlicher Durchbildung nicht nachsteht. Es ergiebt sich daher aus der
Natur der Sache die Forderung, daß der Mann, welchem die Bibliotheks¬
direction übertragen wird, mit Rücksicht sowohl auf sein Amt, als auf die
innerhalb wie außerhalb desselben nach Maßgabe seiner Antecedentien von
ihm zu erwartenden Leistungen, zum Honorarprofessor ernannt werde."
Ordentlicher Honorar-Professor ist bekanntlich ein ordentlicher Professor, der
nur nicht Sitz und Stimme in der engern Facultät hat. Die Ernennung
von ordentlichen Honorarprofessoren i>.ä lionorös, ohne Recht und Pflicht zur
Lehrthätigkeit, wäre eine sonderbare Zumuthung für unsere Universitäten.
Auch die „gutdotirten" Fachprofessuren machen es zweifelhaft, ob mein Gegner
in die Verhältnisse unserer Universitäten tief eingeweiht sei.

Die Gegenüberstellung von „Fachwissenschaft" und Bibliothekswissenschaft
ist geeignet Irrungen in den Grundlagen und Ansätzen herbeizuführen, mit
der Folge, daß das Ergebniß der Rechnung falsch wird. Die Bibliotheks¬
wissenschaft ist gleichfalls Fachwissenschaft, nur in anderem Sinn als die
Fachwissenschaften, von denen die Brochüre spricht. Die Stellung der Biblio¬
thekswissenschaft zu anderen Wissensgebieten charakterisier sich dadurch, daß die
erstere nichts als Hilfswissenschaft ist; sie verfolgt nicht selbstständige Ziele


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/361>, abgerufen am 25.07.2024.