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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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bindung derselben herstellt. Die Wirkung im Ganzen ist leuchtend, wenn
auch etwas hell. Die Kirche selbst, in gothischem Stil, soll gleichfalls von
Giovanni Pisano im Jahre 1304 errichtet worden sein; die Kuppel, welche
im Jahre 1614 einstürzte, wurde von Carlo Maderna, dem unseligen Erfin¬
der der Fassade von S. Peter in Rom, wieder hergestellt.

Der schöne Polygonalbau Se. Angelo mit antiken Säulen aus Cipollin,
Granit und carrarischem Marmor, soll der Sage nach von 8 Gefährten des
Roland, die dort bestattet wären, dem Erzengel Michael errichtet worden sein-
Das Nähere über die Architektur läßt sich bei Burkhardt finden.

Am Erde unsres Aufenthaltes in Perugia begaben wir uns auf maleri¬
schen steilen Wegen durch die Stadt hinab und zum schönen Renaisfancethor
von S. Pietro hinaus, nach der Kirche gleichen Namens, welche, auf freiem
Platze liegend, die prächtige darunterliegende Landschaft beherrscht. Die Fas¬
sade der Kirche ist in glückliche Correspondenz mit dem gegenüberliegenden
Thore gebracht. Im Klosterhof befindet sich eine schöne Renaissancecisterne,
wie sie häufig, so z. B. in der Certosa bei Florenz zu sehen sind. Zu der
achteckigen Brunnenbrüstung führen zwei Stufen hinan. Ein Dach mit Ge¬
bälk ruht auf 4 Säulen, die nur zu weit auseinanderstehen. Im Innern ist
die Kirche eine dreischiffige Basilika, mit zwei Reihen von neun ionischen bo¬
gentragenden Granitsäulen, und einer schönen cassettirten Decke in der Mitte.
Die erhöhten Wände des Mittelschiffs sind mit elf großen Gemälden aus dem
Leben Jesu von Aliense, einem Schüler des Paolo Veronese in den Jah¬
ren 1592 -- 94 geschmückt worden.

Im rechten Seitenschiff soll sich eine Pieta des Sebastians del Piombo
befinden, die uns leider entgangen ist, da wir unsere Schritte gleich nach
dem Chor lenkten, um die berühmten Chor Stuhle zu sehen, die in der That
prachtvoll und vielleicht das schönste Werk dieser Art sind. Wie gewöhnlich
wechselt auch hier die Schnitzerei mit der eingelegten Arbeit ab; alle in Re¬
lief geschnitzten Ornamente waren ursprünglich vergoldet, während die einge¬
legten Theile aus hellgelbem Holze bestehen und sich dadurch von dem dunkel¬
braunen Grunde abheben. Zwei Sitzreihen, eine vordere niedrigere, und eine
Hintere höhere, laufen rings um den Chor herum. Die Armlehnen der Sitze
sind mit elegant geschnitzten Bestien, die Rücklehnen unten mit Intarsien, oben
mit einem geschnitzten Nankenfries geschmückt. Hinter den Wandsitzen erheben
sich außerdem auf Consolen korinthische Säulchen, zwischen denen sich je zwei
Felder geschnitzter Ornamente befinden. Auf den Säulchen ruht ein reich ver¬
ziertes Gesims mit freigeschnitzten Adlern und Fackeln als Bekrönung. Die
Eleganz der Compositionen und der Linien ist unbeschreiblich. Genug, daß
Raphael die Zeichnungen dazu gegeben haben soll, während, nach den Inschriften,
die Chorstühle durch Stefano Lambelli von Bergamo und die intarsirte Thüre


bindung derselben herstellt. Die Wirkung im Ganzen ist leuchtend, wenn
auch etwas hell. Die Kirche selbst, in gothischem Stil, soll gleichfalls von
Giovanni Pisano im Jahre 1304 errichtet worden sein; die Kuppel, welche
im Jahre 1614 einstürzte, wurde von Carlo Maderna, dem unseligen Erfin¬
der der Fassade von S. Peter in Rom, wieder hergestellt.

Der schöne Polygonalbau Se. Angelo mit antiken Säulen aus Cipollin,
Granit und carrarischem Marmor, soll der Sage nach von 8 Gefährten des
Roland, die dort bestattet wären, dem Erzengel Michael errichtet worden sein-
Das Nähere über die Architektur läßt sich bei Burkhardt finden.

Am Erde unsres Aufenthaltes in Perugia begaben wir uns auf maleri¬
schen steilen Wegen durch die Stadt hinab und zum schönen Renaisfancethor
von S. Pietro hinaus, nach der Kirche gleichen Namens, welche, auf freiem
Platze liegend, die prächtige darunterliegende Landschaft beherrscht. Die Fas¬
sade der Kirche ist in glückliche Correspondenz mit dem gegenüberliegenden
Thore gebracht. Im Klosterhof befindet sich eine schöne Renaissancecisterne,
wie sie häufig, so z. B. in der Certosa bei Florenz zu sehen sind. Zu der
achteckigen Brunnenbrüstung führen zwei Stufen hinan. Ein Dach mit Ge¬
bälk ruht auf 4 Säulen, die nur zu weit auseinanderstehen. Im Innern ist
die Kirche eine dreischiffige Basilika, mit zwei Reihen von neun ionischen bo¬
gentragenden Granitsäulen, und einer schönen cassettirten Decke in der Mitte.
Die erhöhten Wände des Mittelschiffs sind mit elf großen Gemälden aus dem
Leben Jesu von Aliense, einem Schüler des Paolo Veronese in den Jah¬
ren 1592 — 94 geschmückt worden.

Im rechten Seitenschiff soll sich eine Pieta des Sebastians del Piombo
befinden, die uns leider entgangen ist, da wir unsere Schritte gleich nach
dem Chor lenkten, um die berühmten Chor Stuhle zu sehen, die in der That
prachtvoll und vielleicht das schönste Werk dieser Art sind. Wie gewöhnlich
wechselt auch hier die Schnitzerei mit der eingelegten Arbeit ab; alle in Re¬
lief geschnitzten Ornamente waren ursprünglich vergoldet, während die einge¬
legten Theile aus hellgelbem Holze bestehen und sich dadurch von dem dunkel¬
braunen Grunde abheben. Zwei Sitzreihen, eine vordere niedrigere, und eine
Hintere höhere, laufen rings um den Chor herum. Die Armlehnen der Sitze
sind mit elegant geschnitzten Bestien, die Rücklehnen unten mit Intarsien, oben
mit einem geschnitzten Nankenfries geschmückt. Hinter den Wandsitzen erheben
sich außerdem auf Consolen korinthische Säulchen, zwischen denen sich je zwei
Felder geschnitzter Ornamente befinden. Auf den Säulchen ruht ein reich ver¬
ziertes Gesims mit freigeschnitzten Adlern und Fackeln als Bekrönung. Die
Eleganz der Compositionen und der Linien ist unbeschreiblich. Genug, daß
Raphael die Zeichnungen dazu gegeben haben soll, während, nach den Inschriften,
die Chorstühle durch Stefano Lambelli von Bergamo und die intarsirte Thüre


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/348>, abgerufen am 24.07.2024.