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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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dello copirt hat. das dieser im Jahre 1427 für den Taufstein im Baptisterium
zu Siena herstellte. Nicht nur daß die Gruppirung und Bewegung der Fi¬
guren hier wie dort dieselbe ist, auch der architektonisch-perspectivische
Hintergrund ist beiden gemein. Und dieser letztere Umstand besonders besei¬
tigt jede Vermuthung, als hätten etwa Donatello wie Domenico ti Bartolo
blos zufällig sich gemeinsam an ein älteres Motiv angeschlossen. --

Benedetto Bonfigli, der angebliche Lehrer Peruginos, scheint da¬
gegen sich wiederum sienesischen Einflüssen, besonders des Tadeo ti Bartolo hinge¬
geben zu haben. Besonders haben seine Werke mit denen Tadeo's mit die schwar¬
zen schwärmerischen Augen gemein, die eine Eigenthümlichkeit der sienesischen Schule
find. Im übrigen aber erinnern die blonden, liebenswürdigen Köpfchen seiner Ma¬
donnen und Engel mehr etwa an Benozzo Gozzoli, oder die sienesischen
Realisten des 13. Jahrhunderts. Seine Bewegungen sind wenig dramatisch,
dafür aber voll von der süßesten Naivetät. Seine Hauptwerke in der Galerie
sind: Ein großes Bild, mit der Verkündigung in der Mitte und reichem
architektonischen Hintergrund. Links oben heben sich auf goldnem Himmel
Cypressen ab, und Gott, von Engeln umgeben, haucht aus den Lüften Maria
an. Sodann eine Anbetung des Kindes, sowie zwei Madonnenbilder
mit Heiligen und Engeln.

Ihm verwandt in liebenswürdiger Naivetät ist Boccati ti Camerino,
von dem sich drei Madonnenbilder aus der Mitte des 15. Jahrhunderts in
der Galerie befinden. Auch Fiorenzo ti Lorenzo, durch eine sehr schöne
Madonna in reich ornamentirter Nische vertreten, gehört dieser Richtung an.

Von Niccolo Misanni, der schon einen entschieden umbrischen, d. h.
ekstatischen Ton anschlägt, befindet sich ein schönes Bild der Verkündigung
in der Akademie, das trotz einiger Trockenheit der Formen doch eine hohe
Gefühlsinnigkeit besitzt.

Von Pietro Perugino selbst endlich ist das große Bild der Anbetung
des Kindes, das unter einem hohen Bogen am Boden liegt, während in der
Perspective die Hirten niederknieen, vielleicht sowohl in Bezug auf die milde
Harmonie des Colorits, wie auf die Aechtheit der heiligen Empfindung, die
darin waltet, eines der bedeutendsten Werke dieses Meisters. Manirirt da¬
gegen erscheint eine Taufe Christi von ihm. Von den Werken seiner
Schüler sind daselbst hervorzuheben: eine Madonna mit Heiligen und fliegen¬
den Engeln von Giovanni Spagna, ein großes Altarbild des Pintu-
ricchio, sowie die Gemälde des Giannicola Mauri, Bernardino ti
Perugia und Eusebio ti Se. Giorgio. Von Raphael ist ein noch
sehr befangenes, aber liebliches Jugendwerk, eine Madonna mit schwarzen
Augen, sowie von Domeni co Alsani eine heilige Familie nach einer Zeich¬
nung Raphaels zu nennen. Doch sticht die kalte und farblose Ausführung


dello copirt hat. das dieser im Jahre 1427 für den Taufstein im Baptisterium
zu Siena herstellte. Nicht nur daß die Gruppirung und Bewegung der Fi¬
guren hier wie dort dieselbe ist, auch der architektonisch-perspectivische
Hintergrund ist beiden gemein. Und dieser letztere Umstand besonders besei¬
tigt jede Vermuthung, als hätten etwa Donatello wie Domenico ti Bartolo
blos zufällig sich gemeinsam an ein älteres Motiv angeschlossen. —

Benedetto Bonfigli, der angebliche Lehrer Peruginos, scheint da¬
gegen sich wiederum sienesischen Einflüssen, besonders des Tadeo ti Bartolo hinge¬
geben zu haben. Besonders haben seine Werke mit denen Tadeo's mit die schwar¬
zen schwärmerischen Augen gemein, die eine Eigenthümlichkeit der sienesischen Schule
find. Im übrigen aber erinnern die blonden, liebenswürdigen Köpfchen seiner Ma¬
donnen und Engel mehr etwa an Benozzo Gozzoli, oder die sienesischen
Realisten des 13. Jahrhunderts. Seine Bewegungen sind wenig dramatisch,
dafür aber voll von der süßesten Naivetät. Seine Hauptwerke in der Galerie
sind: Ein großes Bild, mit der Verkündigung in der Mitte und reichem
architektonischen Hintergrund. Links oben heben sich auf goldnem Himmel
Cypressen ab, und Gott, von Engeln umgeben, haucht aus den Lüften Maria
an. Sodann eine Anbetung des Kindes, sowie zwei Madonnenbilder
mit Heiligen und Engeln.

Ihm verwandt in liebenswürdiger Naivetät ist Boccati ti Camerino,
von dem sich drei Madonnenbilder aus der Mitte des 15. Jahrhunderts in
der Galerie befinden. Auch Fiorenzo ti Lorenzo, durch eine sehr schöne
Madonna in reich ornamentirter Nische vertreten, gehört dieser Richtung an.

Von Niccolo Misanni, der schon einen entschieden umbrischen, d. h.
ekstatischen Ton anschlägt, befindet sich ein schönes Bild der Verkündigung
in der Akademie, das trotz einiger Trockenheit der Formen doch eine hohe
Gefühlsinnigkeit besitzt.

Von Pietro Perugino selbst endlich ist das große Bild der Anbetung
des Kindes, das unter einem hohen Bogen am Boden liegt, während in der
Perspective die Hirten niederknieen, vielleicht sowohl in Bezug auf die milde
Harmonie des Colorits, wie auf die Aechtheit der heiligen Empfindung, die
darin waltet, eines der bedeutendsten Werke dieses Meisters. Manirirt da¬
gegen erscheint eine Taufe Christi von ihm. Von den Werken seiner
Schüler sind daselbst hervorzuheben: eine Madonna mit Heiligen und fliegen¬
den Engeln von Giovanni Spagna, ein großes Altarbild des Pintu-
ricchio, sowie die Gemälde des Giannicola Mauri, Bernardino ti
Perugia und Eusebio ti Se. Giorgio. Von Raphael ist ein noch
sehr befangenes, aber liebliches Jugendwerk, eine Madonna mit schwarzen
Augen, sowie von Domeni co Alsani eine heilige Familie nach einer Zeich¬
nung Raphaels zu nennen. Doch sticht die kalte und farblose Ausführung


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[0344] dello copirt hat. das dieser im Jahre 1427 für den Taufstein im Baptisterium zu Siena herstellte. Nicht nur daß die Gruppirung und Bewegung der Fi¬ guren hier wie dort dieselbe ist, auch der architektonisch-perspectivische Hintergrund ist beiden gemein. Und dieser letztere Umstand besonders besei¬ tigt jede Vermuthung, als hätten etwa Donatello wie Domenico ti Bartolo blos zufällig sich gemeinsam an ein älteres Motiv angeschlossen. — Benedetto Bonfigli, der angebliche Lehrer Peruginos, scheint da¬ gegen sich wiederum sienesischen Einflüssen, besonders des Tadeo ti Bartolo hinge¬ geben zu haben. Besonders haben seine Werke mit denen Tadeo's mit die schwar¬ zen schwärmerischen Augen gemein, die eine Eigenthümlichkeit der sienesischen Schule find. Im übrigen aber erinnern die blonden, liebenswürdigen Köpfchen seiner Ma¬ donnen und Engel mehr etwa an Benozzo Gozzoli, oder die sienesischen Realisten des 13. Jahrhunderts. Seine Bewegungen sind wenig dramatisch, dafür aber voll von der süßesten Naivetät. Seine Hauptwerke in der Galerie sind: Ein großes Bild, mit der Verkündigung in der Mitte und reichem architektonischen Hintergrund. Links oben heben sich auf goldnem Himmel Cypressen ab, und Gott, von Engeln umgeben, haucht aus den Lüften Maria an. Sodann eine Anbetung des Kindes, sowie zwei Madonnenbilder mit Heiligen und Engeln. Ihm verwandt in liebenswürdiger Naivetät ist Boccati ti Camerino, von dem sich drei Madonnenbilder aus der Mitte des 15. Jahrhunderts in der Galerie befinden. Auch Fiorenzo ti Lorenzo, durch eine sehr schöne Madonna in reich ornamentirter Nische vertreten, gehört dieser Richtung an. Von Niccolo Misanni, der schon einen entschieden umbrischen, d. h. ekstatischen Ton anschlägt, befindet sich ein schönes Bild der Verkündigung in der Akademie, das trotz einiger Trockenheit der Formen doch eine hohe Gefühlsinnigkeit besitzt. Von Pietro Perugino selbst endlich ist das große Bild der Anbetung des Kindes, das unter einem hohen Bogen am Boden liegt, während in der Perspective die Hirten niederknieen, vielleicht sowohl in Bezug auf die milde Harmonie des Colorits, wie auf die Aechtheit der heiligen Empfindung, die darin waltet, eines der bedeutendsten Werke dieses Meisters. Manirirt da¬ gegen erscheint eine Taufe Christi von ihm. Von den Werken seiner Schüler sind daselbst hervorzuheben: eine Madonna mit Heiligen und fliegen¬ den Engeln von Giovanni Spagna, ein großes Altarbild des Pintu- ricchio, sowie die Gemälde des Giannicola Mauri, Bernardino ti Perugia und Eusebio ti Se. Giorgio. Von Raphael ist ein noch sehr befangenes, aber liebliches Jugendwerk, eine Madonna mit schwarzen Augen, sowie von Domeni co Alsani eine heilige Familie nach einer Zeich¬ nung Raphaels zu nennen. Doch sticht die kalte und farblose Ausführung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/344>, abgerufen am 24.07.2024.