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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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gewesen ist, schrieb viele Originalbeiträge ab, theils um sie vielleicht Auswär¬
tigen mitzutheilen, theils für ihre Sammlung zu behalten. Vielleicht hat sie
eine viel größere Thätigkeit bei der Abfassung der einzelnen Producte entfal¬
tet, als wir ihr nach der Journal-Uebersicht zugestanden haben. Da aber
nur wirklich zu Erweisendes aufgestellt werden sollte, sind manche Lücken ge¬
blieben, die sich vielleicht später mit sichern literarischen Hülfsmitteln ausfüllen
lassen.

Wie in allen derartigen Fragen läßt sich zunächst durch die Geschichte
des Journals, über dessen Anfang und Ende man auch noch in Zweifeln be¬
fangen ist. etwas Entscheidendes erreichen. Wir gehen zunächst auf dieselbe
um so lieber ein, weil in den bisher veröffentlichten Briefen sehr wenig oder
doch nicht hinreichend förderndes Material vorhanden ist. Nach bekannten
Documenten zu urtheilen, fällt die Gründung des Journals mit dem ge¬
druckten Avertissement vom Is. August 1781 zusammen. Wenn man behaup¬
tet,*) daß das Journal schon 1780 im Gange gewesen sei und dies aus be¬
reits 1780 entstandenen Arbeiten schließt, so ist diese Ansicht unhaltbar. Eben
so wenig läßt die Stelle**) eines Briefes der Frau von Stein an Knebel auf
die Existenz des Journals im Jahre 1780 schließen, da ein anderes Jour¬
nal gemeint ist. Der Plan zu demselben dürfte dem Tiefurter Erndtefeste
vom 11. August 1781 zu verdanken sein, das man in dem Hofkreise mit
Schauspiel und Illumination beging. In allen vor diesem Zeitpunct abge¬
faßten Briefen gedenkt Niemand des Unternehmens und auffällig genug läßt
auch Wieland an Merck nach Gründung der Gesellschaft in seinem Briefe
vom 29. August nicht ein Wort über diese fallen. Das auf einem Octav-
blatte gedruckte, jetzt selten gewordene Avertissement***) sagt: "Es ist eine Ge¬
sellschaft von Gelehrten, Künstlern, Poeten und Staatslenker beiderlei Ge¬
schlechtes zusammengetreten, und hat sich vorgenommen, alles was Politik,
Witz, Talent und Verstand in unsern dermalen so merkwürdigen Zeiten her¬
vorbringen, in einer periodischen Schrift den Augen eines sich selbst gewählten
Publikums vorzulegen.

Sie hat beliebt gedachter Schrift den allgemeinen Titel: Journal oder
Tagebuch von Tiefurt zu geben und selbige in ihrer Einrichtung dem bekann¬
ten und beliebten Journal de Paris vollkommen ähnlich zu machen; nur mit
dem Unterschied, daß davon nicht von Tag zu Tag, sondern nur wöchentlich
ein Bogen ausgegeben, auch darauf nach Willkühr, entweder mit baarem
Geld -- das auf das mindeste ein Goldstück sein muß -- oder mit beschrie-





") Gruber's Leben Wielands (Lpz. 1816, II, 13K.)
-) v. !!1. Juli 1780: Nun sind schon wieder dem Journal ein paar Tage entwischt.
'
Auszugsweise in Goethes Briefen an Frau v. Stein, II, 102. Im Gesellschafter von
1845 ganz. ,

gewesen ist, schrieb viele Originalbeiträge ab, theils um sie vielleicht Auswär¬
tigen mitzutheilen, theils für ihre Sammlung zu behalten. Vielleicht hat sie
eine viel größere Thätigkeit bei der Abfassung der einzelnen Producte entfal¬
tet, als wir ihr nach der Journal-Uebersicht zugestanden haben. Da aber
nur wirklich zu Erweisendes aufgestellt werden sollte, sind manche Lücken ge¬
blieben, die sich vielleicht später mit sichern literarischen Hülfsmitteln ausfüllen
lassen.

Wie in allen derartigen Fragen läßt sich zunächst durch die Geschichte
des Journals, über dessen Anfang und Ende man auch noch in Zweifeln be¬
fangen ist. etwas Entscheidendes erreichen. Wir gehen zunächst auf dieselbe
um so lieber ein, weil in den bisher veröffentlichten Briefen sehr wenig oder
doch nicht hinreichend förderndes Material vorhanden ist. Nach bekannten
Documenten zu urtheilen, fällt die Gründung des Journals mit dem ge¬
druckten Avertissement vom Is. August 1781 zusammen. Wenn man behaup¬
tet,*) daß das Journal schon 1780 im Gange gewesen sei und dies aus be¬
reits 1780 entstandenen Arbeiten schließt, so ist diese Ansicht unhaltbar. Eben
so wenig läßt die Stelle**) eines Briefes der Frau von Stein an Knebel auf
die Existenz des Journals im Jahre 1780 schließen, da ein anderes Jour¬
nal gemeint ist. Der Plan zu demselben dürfte dem Tiefurter Erndtefeste
vom 11. August 1781 zu verdanken sein, das man in dem Hofkreise mit
Schauspiel und Illumination beging. In allen vor diesem Zeitpunct abge¬
faßten Briefen gedenkt Niemand des Unternehmens und auffällig genug läßt
auch Wieland an Merck nach Gründung der Gesellschaft in seinem Briefe
vom 29. August nicht ein Wort über diese fallen. Das auf einem Octav-
blatte gedruckte, jetzt selten gewordene Avertissement***) sagt: „Es ist eine Ge¬
sellschaft von Gelehrten, Künstlern, Poeten und Staatslenker beiderlei Ge¬
schlechtes zusammengetreten, und hat sich vorgenommen, alles was Politik,
Witz, Talent und Verstand in unsern dermalen so merkwürdigen Zeiten her¬
vorbringen, in einer periodischen Schrift den Augen eines sich selbst gewählten
Publikums vorzulegen.

Sie hat beliebt gedachter Schrift den allgemeinen Titel: Journal oder
Tagebuch von Tiefurt zu geben und selbige in ihrer Einrichtung dem bekann¬
ten und beliebten Journal de Paris vollkommen ähnlich zu machen; nur mit
dem Unterschied, daß davon nicht von Tag zu Tag, sondern nur wöchentlich
ein Bogen ausgegeben, auch darauf nach Willkühr, entweder mit baarem
Geld — das auf das mindeste ein Goldstück sein muß — oder mit beschrie-





") Gruber's Leben Wielands (Lpz. 1816, II, 13K.)
-) v. !!1. Juli 1780: Nun sind schon wieder dem Journal ein paar Tage entwischt.
'
Auszugsweise in Goethes Briefen an Frau v. Stein, II, 102. Im Gesellschafter von
1845 ganz. ,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/291>, abgerufen am 24.07.2024.