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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Mord und Brand der Commune nicht vertheidigen, als "Verräther an der
Sache der Arbeiter" aus der Mitgliederliste der Internationale gestrichen
wurde.

Wir bemerken schließlich noch zweierlei. Die Finanzen der Gesellschaft
scheinen bis auf die letzten Ereignisse in Paris, die sie einigermaßen in Mit¬
leidenschaft gezogen und gestört haben werden, günstig gewesen zu fein, we¬
nigstens hatte sie immer Geld zur Unterhaltung von Strikes, zur Bestreitung
der Reisekosten sür Agitatoren und zur Gründung und Unterstützung von
Preßorganen, wenn auch die Angabe, daß ihr allein aus den Beiträgen ihrer
Mitglieder jährlich circa 6V2 Millionen Gulden zuflössen, zu bezweifeln sein
wird. Sodann scheint sicher, daß der Bund Beziehungen zu andern revolu¬
tionären Gesellschaften unterhält und gelegentlich im Einvernehmen mit den¬
selben handelt, und selbst die Vermuthung ist nicht ausgeschlossen, daß er
bei all seinem Atheismus mit den Ultramontanen in sofern unter einer Decke
spielt, als beiden die Beseitigung der gegenwärtigen Weltordnung erstes und
oberstes Bedürfniß ist. Beide sind nicht wählerisch in Betreff von zeitweiligen
Bundesgenossen, die man hoffen darf, beseitigen zu können, wenn sie ihre
Schuldigkeit gethan haben. Als bestimmt darf angenommen werden, daß die
obersten Leiter des Bundes sich mit der I^ne rexublielünv universelle, die
zu Anfang Juni d. I. durch eine Deputation im Centralbureau des Bundes
mit dem Generalrats verhandelte, mit den Feniern und mit den von Herzen
und Bakunin geleiteten russischen Nihilisten bis zu einem gewissen Grade im
Einklang wußten. Jedenfalls ist in Rußland ein wohlvorbcreiteter Boden
für den Samen der internationalen Communisten. Die Tschinowniks sind
großentheils von destructiven Ideen in socialer Beziehung erfüllt. Der Sammt¬
besitz der Landgemeinden entspricht der communistischen Weltverbesserungslehre.
Die Voruntersuchung des Prozesses Netschajeff, der in diesen Tagen zu Pe¬
tersburg spielen wird, hat, wie man hört, ergeben, wie tief die socialistischen
Grundsätze in die untersten Schichten des Volkes eingedrungen sind. Ein
großer Theil der russischen Presse besprach die Pariser Commune in entschul¬
digender Weise, und manche Blätter verbargen kaum, daß sie mit ihr sym-
pathifirten.

Wie dem allem aber auch sei, die Internationale hat bei der Revolution,
die am 18. März in Paris das Haupt erhob, eine wesentliche Rolle gespielt;
sie hat eine Anzahl ihrer Führer in die Jnsurgentenregierung gesandt, sie
hat erheblich dazu beigetragen, daß der Aufstand Contingente von Kämpfern
aus dem Auslande erhielt, sie trägt einen Theil der Schuld, daß er einen so
greuelvollen Charakter annahm, und sie hat die von der Commune begange¬
nen Unthaten offen und ungescheut in Schriftstücken vertheidigt. Die Inter¬
nationale ist ferner mit ihrer Organisation ein Staat im Staate, welcher die


Mord und Brand der Commune nicht vertheidigen, als „Verräther an der
Sache der Arbeiter" aus der Mitgliederliste der Internationale gestrichen
wurde.

Wir bemerken schließlich noch zweierlei. Die Finanzen der Gesellschaft
scheinen bis auf die letzten Ereignisse in Paris, die sie einigermaßen in Mit¬
leidenschaft gezogen und gestört haben werden, günstig gewesen zu fein, we¬
nigstens hatte sie immer Geld zur Unterhaltung von Strikes, zur Bestreitung
der Reisekosten sür Agitatoren und zur Gründung und Unterstützung von
Preßorganen, wenn auch die Angabe, daß ihr allein aus den Beiträgen ihrer
Mitglieder jährlich circa 6V2 Millionen Gulden zuflössen, zu bezweifeln sein
wird. Sodann scheint sicher, daß der Bund Beziehungen zu andern revolu¬
tionären Gesellschaften unterhält und gelegentlich im Einvernehmen mit den¬
selben handelt, und selbst die Vermuthung ist nicht ausgeschlossen, daß er
bei all seinem Atheismus mit den Ultramontanen in sofern unter einer Decke
spielt, als beiden die Beseitigung der gegenwärtigen Weltordnung erstes und
oberstes Bedürfniß ist. Beide sind nicht wählerisch in Betreff von zeitweiligen
Bundesgenossen, die man hoffen darf, beseitigen zu können, wenn sie ihre
Schuldigkeit gethan haben. Als bestimmt darf angenommen werden, daß die
obersten Leiter des Bundes sich mit der I^ne rexublielünv universelle, die
zu Anfang Juni d. I. durch eine Deputation im Centralbureau des Bundes
mit dem Generalrats verhandelte, mit den Feniern und mit den von Herzen
und Bakunin geleiteten russischen Nihilisten bis zu einem gewissen Grade im
Einklang wußten. Jedenfalls ist in Rußland ein wohlvorbcreiteter Boden
für den Samen der internationalen Communisten. Die Tschinowniks sind
großentheils von destructiven Ideen in socialer Beziehung erfüllt. Der Sammt¬
besitz der Landgemeinden entspricht der communistischen Weltverbesserungslehre.
Die Voruntersuchung des Prozesses Netschajeff, der in diesen Tagen zu Pe¬
tersburg spielen wird, hat, wie man hört, ergeben, wie tief die socialistischen
Grundsätze in die untersten Schichten des Volkes eingedrungen sind. Ein
großer Theil der russischen Presse besprach die Pariser Commune in entschul¬
digender Weise, und manche Blätter verbargen kaum, daß sie mit ihr sym-
pathifirten.

Wie dem allem aber auch sei, die Internationale hat bei der Revolution,
die am 18. März in Paris das Haupt erhob, eine wesentliche Rolle gespielt;
sie hat eine Anzahl ihrer Führer in die Jnsurgentenregierung gesandt, sie
hat erheblich dazu beigetragen, daß der Aufstand Contingente von Kämpfern
aus dem Auslande erhielt, sie trägt einen Theil der Schuld, daß er einen so
greuelvollen Charakter annahm, und sie hat die von der Commune begange¬
nen Unthaten offen und ungescheut in Schriftstücken vertheidigt. Die Inter¬
nationale ist ferner mit ihrer Organisation ein Staat im Staate, welcher die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/120>, abgerufen am 24.07.2024.