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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Gasthauses, des Convents. des Marien-Magdalenen-Klosters und des Se.
Johannis-Klosters aufzuhören und das Vermögen dieser Stiftungen mit dem
allgemeinen Staatsvermögen als dessen integrirender Bestandtheil zu vereinigen
sei, vorbehaltlich der Frage, ob und wieweit die von den bezeichneten Anstalten
erstrebten Zwecke nach der Verschmelzung mit dem allgemeinen Staatsvermögen
etwa noch fernerhin staatsseitig zu approbiren und zu erfüllen seien, und
unter Feststellung des Grundsatzes, daß die Staatskasse den Fortbezug aller
den derzeitigen Benefiziaten gewährten Vortheile und Ansprüche, nicht minder
aller einmal begründeten rechtlichen, namentlich aller bis zur Vertheilung
dieses Berichtes durch ein Einkaufsgeld erworbenen Erspectanzen zu gewähr¬
leisten habe."

Der Bericht zieht also sieben im Antrage selbst namhaft gemachte Stif¬
tungen in Betracht. Die historische Untersuchung ergibt, daß diese Stiftungen
ursprünglich bestimmungsgemäß sehr verschiedenartigen Zwecken dienten, daß
sie aber zur Zeit, zum Theil der ursprünglichen Bestimmung völlig entgegen,
der Unterstützung mehr oder weniger mittelloser Personen gewidmet worden
sind. So war das Se. Georgs-Hospital ursprünglich nur für Aussätzige be¬
stimmt. Die ni<zpdlmtig.sis verschwand im Laufe der Zeit. Das Spital,
anstatt nun einer ähnlichen Bestimmung sich zu öffnen, wurde lediglich ein
Haus für Pfründnerinnen. Das Heilige-Geist-Spital war ursprünglich nur
Krankenhaus für durchreisende Pilger. Schon im 17. Jahrhundert wurde
es lediglich Armenhaus. Das Se. Hiobs-Spital war ursprünglich nur für
venerische Kranke bestimmt. Auch dieses Spital ist jetzt überhaupt nicht mehr
Kranken-, sondern Pfründnerhaus. Der ursprüngliche Zweck des Armen-,
Gast- und Krankenhauses, nämlich als Asyl für arme Durchreisende zu die¬
nen, ist gänzlich vergessen; das Haus ist jetzt ein Versorgungshaus für alte
Männer und Frauen. Natürlich sind die drei im Antrage genannten Klöster
in Folge der Annahme der Reformation ihrer ursprünglichen Bestimmung --
die übrigens bei dem "Convent" nicht gerade religiöser Natur war -- völlig
entfremdet worden. Sie sind eigentlich jetzt Häuser, in denen, keineswegs nur
dürftige, Personen billig erkaufte hohe Leibrenten verzehren.

Diese sieben Anstalten zusammen besitzen jetzt ein Geldcapitalvermögen
von beinahe 8V2 Millionen Bco. Mark und ein Grundcapitalvermögen, wel¬
ches auf mindestens Bco. Mark 3,000.000 angeschlagen werden muß. Sie
gewähren S99 Personen freie Wohnung und diesen, sowie weiteren etwa ISO
Personen für Cre. Mark 136,914 Geld- und Natural-Unterstützung. "Die
etwa 7S0 in den verschiedenen Stiftungen unterstützten Personen" -- heißt
es in dem Berichte -- "kosten aus öffentlichen Mitteln (wenn man für das
Capital nur eine Verwerthung von 5°/g Cre. von Bco. zu Grunde legt)
550,000 Mark, gerade etwa so viel, wie unsere ganze Armenpflege, und etwa


Gasthauses, des Convents. des Marien-Magdalenen-Klosters und des Se.
Johannis-Klosters aufzuhören und das Vermögen dieser Stiftungen mit dem
allgemeinen Staatsvermögen als dessen integrirender Bestandtheil zu vereinigen
sei, vorbehaltlich der Frage, ob und wieweit die von den bezeichneten Anstalten
erstrebten Zwecke nach der Verschmelzung mit dem allgemeinen Staatsvermögen
etwa noch fernerhin staatsseitig zu approbiren und zu erfüllen seien, und
unter Feststellung des Grundsatzes, daß die Staatskasse den Fortbezug aller
den derzeitigen Benefiziaten gewährten Vortheile und Ansprüche, nicht minder
aller einmal begründeten rechtlichen, namentlich aller bis zur Vertheilung
dieses Berichtes durch ein Einkaufsgeld erworbenen Erspectanzen zu gewähr¬
leisten habe."

Der Bericht zieht also sieben im Antrage selbst namhaft gemachte Stif¬
tungen in Betracht. Die historische Untersuchung ergibt, daß diese Stiftungen
ursprünglich bestimmungsgemäß sehr verschiedenartigen Zwecken dienten, daß
sie aber zur Zeit, zum Theil der ursprünglichen Bestimmung völlig entgegen,
der Unterstützung mehr oder weniger mittelloser Personen gewidmet worden
sind. So war das Se. Georgs-Hospital ursprünglich nur für Aussätzige be¬
stimmt. Die ni<zpdlmtig.sis verschwand im Laufe der Zeit. Das Spital,
anstatt nun einer ähnlichen Bestimmung sich zu öffnen, wurde lediglich ein
Haus für Pfründnerinnen. Das Heilige-Geist-Spital war ursprünglich nur
Krankenhaus für durchreisende Pilger. Schon im 17. Jahrhundert wurde
es lediglich Armenhaus. Das Se. Hiobs-Spital war ursprünglich nur für
venerische Kranke bestimmt. Auch dieses Spital ist jetzt überhaupt nicht mehr
Kranken-, sondern Pfründnerhaus. Der ursprüngliche Zweck des Armen-,
Gast- und Krankenhauses, nämlich als Asyl für arme Durchreisende zu die¬
nen, ist gänzlich vergessen; das Haus ist jetzt ein Versorgungshaus für alte
Männer und Frauen. Natürlich sind die drei im Antrage genannten Klöster
in Folge der Annahme der Reformation ihrer ursprünglichen Bestimmung —
die übrigens bei dem „Convent" nicht gerade religiöser Natur war — völlig
entfremdet worden. Sie sind eigentlich jetzt Häuser, in denen, keineswegs nur
dürftige, Personen billig erkaufte hohe Leibrenten verzehren.

Diese sieben Anstalten zusammen besitzen jetzt ein Geldcapitalvermögen
von beinahe 8V2 Millionen Bco. Mark und ein Grundcapitalvermögen, wel¬
ches auf mindestens Bco. Mark 3,000.000 angeschlagen werden muß. Sie
gewähren S99 Personen freie Wohnung und diesen, sowie weiteren etwa ISO
Personen für Cre. Mark 136,914 Geld- und Natural-Unterstützung. „Die
etwa 7S0 in den verschiedenen Stiftungen unterstützten Personen" — heißt
es in dem Berichte — „kosten aus öffentlichen Mitteln (wenn man für das
Capital nur eine Verwerthung von 5°/g Cre. von Bco. zu Grunde legt)
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[0074] Gasthauses, des Convents. des Marien-Magdalenen-Klosters und des Se. Johannis-Klosters aufzuhören und das Vermögen dieser Stiftungen mit dem allgemeinen Staatsvermögen als dessen integrirender Bestandtheil zu vereinigen sei, vorbehaltlich der Frage, ob und wieweit die von den bezeichneten Anstalten erstrebten Zwecke nach der Verschmelzung mit dem allgemeinen Staatsvermögen etwa noch fernerhin staatsseitig zu approbiren und zu erfüllen seien, und unter Feststellung des Grundsatzes, daß die Staatskasse den Fortbezug aller den derzeitigen Benefiziaten gewährten Vortheile und Ansprüche, nicht minder aller einmal begründeten rechtlichen, namentlich aller bis zur Vertheilung dieses Berichtes durch ein Einkaufsgeld erworbenen Erspectanzen zu gewähr¬ leisten habe." Der Bericht zieht also sieben im Antrage selbst namhaft gemachte Stif¬ tungen in Betracht. Die historische Untersuchung ergibt, daß diese Stiftungen ursprünglich bestimmungsgemäß sehr verschiedenartigen Zwecken dienten, daß sie aber zur Zeit, zum Theil der ursprünglichen Bestimmung völlig entgegen, der Unterstützung mehr oder weniger mittelloser Personen gewidmet worden sind. So war das Se. Georgs-Hospital ursprünglich nur für Aussätzige be¬ stimmt. Die ni<zpdlmtig.sis verschwand im Laufe der Zeit. Das Spital, anstatt nun einer ähnlichen Bestimmung sich zu öffnen, wurde lediglich ein Haus für Pfründnerinnen. Das Heilige-Geist-Spital war ursprünglich nur Krankenhaus für durchreisende Pilger. Schon im 17. Jahrhundert wurde es lediglich Armenhaus. Das Se. Hiobs-Spital war ursprünglich nur für venerische Kranke bestimmt. Auch dieses Spital ist jetzt überhaupt nicht mehr Kranken-, sondern Pfründnerhaus. Der ursprüngliche Zweck des Armen-, Gast- und Krankenhauses, nämlich als Asyl für arme Durchreisende zu die¬ nen, ist gänzlich vergessen; das Haus ist jetzt ein Versorgungshaus für alte Männer und Frauen. Natürlich sind die drei im Antrage genannten Klöster in Folge der Annahme der Reformation ihrer ursprünglichen Bestimmung — die übrigens bei dem „Convent" nicht gerade religiöser Natur war — völlig entfremdet worden. Sie sind eigentlich jetzt Häuser, in denen, keineswegs nur dürftige, Personen billig erkaufte hohe Leibrenten verzehren. Diese sieben Anstalten zusammen besitzen jetzt ein Geldcapitalvermögen von beinahe 8V2 Millionen Bco. Mark und ein Grundcapitalvermögen, wel¬ ches auf mindestens Bco. Mark 3,000.000 angeschlagen werden muß. Sie gewähren S99 Personen freie Wohnung und diesen, sowie weiteren etwa ISO Personen für Cre. Mark 136,914 Geld- und Natural-Unterstützung. „Die etwa 7S0 in den verschiedenen Stiftungen unterstützten Personen" — heißt es in dem Berichte — „kosten aus öffentlichen Mitteln (wenn man für das Capital nur eine Verwerthung von 5°/g Cre. von Bco. zu Grunde legt) 550,000 Mark, gerade etwa so viel, wie unsere ganze Armenpflege, und etwa

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/74>, abgerufen am 28.09.2024.