Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.andere Rücksichten pflegen mochte, wußte nun, welchen Weg er zu gehen habe. Graf Hohenwart wollte aber nicht den Personen, sondern nur dem Ge¬ ") Wir wollten diesen Artikel, der nach seiner Quelle wohl als ein treuer Ausdruck der
Ansichten der großen Mehrheit der deutsch-nationalen Oestreicher gelten darf, unverändert wie¬ dergeben, müssen aber zu den Ausführungen unsres Herrn Referenten uns doch folgende Be¬ merkung gestatten: Ganz abgesehen von der Frage, ob nach positivem östreichischen Staatsrecht das Recht der Budgctverweigerung dem östreichischen Abgeordnetenhause so ganz unzweifelhaft zusteht, wie der Herr Referent annimmt, sollte niemals eine parlamentarische Versammlung die zweischneidige Waffe dieses Rechtes erheben, ehe sie in doppelter Hinsicht ihres Erfolges sicher ist, einmal nämlich der Zustimmung des Volkes, und zweitens der Macht, ihren Beschluß gegen die Regierung durchzusetzen. Die Steuerverweigerung, die sich mit dem bloßen Beschluß im Parlament begnügt, ist ein sehr unpolitischer Streich. Aber das thörichtste von Allem ist die Steuerverweigerung bei ziemlich sicherer Aussicht, im Parlament selbst damit zu unterliegen. Und zu dieser unpolitischen Handlung haben sich leider die Vorkämpfer des detsch Ge¬ uen D, N. dankens in Oestreich hinreißen lassen. " andere Rücksichten pflegen mochte, wußte nun, welchen Weg er zu gehen habe. Graf Hohenwart wollte aber nicht den Personen, sondern nur dem Ge¬ ") Wir wollten diesen Artikel, der nach seiner Quelle wohl als ein treuer Ausdruck der
Ansichten der großen Mehrheit der deutsch-nationalen Oestreicher gelten darf, unverändert wie¬ dergeben, müssen aber zu den Ausführungen unsres Herrn Referenten uns doch folgende Be¬ merkung gestatten: Ganz abgesehen von der Frage, ob nach positivem östreichischen Staatsrecht das Recht der Budgctverweigerung dem östreichischen Abgeordnetenhause so ganz unzweifelhaft zusteht, wie der Herr Referent annimmt, sollte niemals eine parlamentarische Versammlung die zweischneidige Waffe dieses Rechtes erheben, ehe sie in doppelter Hinsicht ihres Erfolges sicher ist, einmal nämlich der Zustimmung des Volkes, und zweitens der Macht, ihren Beschluß gegen die Regierung durchzusetzen. Die Steuerverweigerung, die sich mit dem bloßen Beschluß im Parlament begnügt, ist ein sehr unpolitischer Streich. Aber das thörichtste von Allem ist die Steuerverweigerung bei ziemlich sicherer Aussicht, im Parlament selbst damit zu unterliegen. Und zu dieser unpolitischen Handlung haben sich leider die Vorkämpfer des detsch Ge¬ uen D, N. dankens in Oestreich hinreißen lassen. " <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0492" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126274"/> <p xml:id="ID_1541" prev="#ID_1540"> andere Rücksichten pflegen mochte, wußte nun, welchen Weg er zu gehen habe.<lb/> Diese Ansicht wurde den dafür Empfänglichen auch unter der Hand vermittelt.<lb/> Die ehemaligen Minister Lasser und Pierer, andere active oder in Ruhestand<lb/> versetzte Beamte und mehrere Vertreter großer Geld- und Handelsinteressen<lb/> glaubten Oestreich am besten dadurch zu stützen, daß sie ihm ihren Einfluß<lb/> zu bewahren suchten. Als es nun zur Berathung des Budgets für 1871<lb/> kam, und zunächst über den vom Abgeordneten Groß im Vereine mit den<lb/> beiden Fractionen der Linken gestellten Antrag auf vorläufige Ablehnung<lb/> desselben verhandelt wurde, bot das Abgeordnetenhaus ein wenig erfreuliches<lb/> Bild. Der allerdings namhaften Zahl der entschieden liberalen Fractions-<lb/> stimmen stand die nahezu gleiche der Klerikalen und Feudalen gegenüber, den<lb/> Ausschlag gab aber die veränderte Abstimmung von siebenzehn Männern,<lb/> wovon fünf, darunter Lasser, mit der Rechten, neun gar nicht stimmten, und<lb/> drei ihr Mandat niederlegten,</p><lb/> <p xml:id="ID_1542"> Graf Hohenwart wollte aber nicht den Personen, sondern nur dem Ge¬<lb/> setze den Sieg verdanken, und gab mit einer kaum zu verkennenden Mißachtung<lb/> des Hauses der Abgeordneten zu verstehen, die Bewilligung des Budgets sei<lb/> nach der Verfassung nicht Sache ihres Vertrauens, sondern lediglich ihrer<lb/> Pflicht, wobei ihm wohl die früheren Postulatenlandtage, das Octoberdiplom<lb/> und die Entstehungsgeschichte des Februarpatents, aber nicht das Deeember-<lb/> statut vorgeschwebt haben mögen. Wer anders dachte, war kein wahrer<lb/> Oestreicher, und nach seiner Anschauung wohl gar ein Hochverräther.*) Un¬<lb/> ter den oben erwähnten Umständen war selbstverständlich, daß der Antrag<lb/> des Abgeordneten Groß abgelehnt wurde, wenn auch nur mit 77 gegen 67<lb/> Stimmen. Das Bielersee bleibt jedenfalls, daß nach den schon vorliegenden<lb/> Beweisen, wie alles nur auf den Umsturz der Verfassung zielt, der Reichs¬<lb/> rath selbst es war. der die Mittel lieferte zur Fortsetzung dieser Wirthschaft.<lb/> Da bleibt nur der eine Trost, daß es anders kommen muß und wird, trotz<lb/> der Weisheit des Polizeimannes, der jetzt an der Spitze steht.</p><lb/> <note xml:id="FID_141" place="foot"> ") Wir wollten diesen Artikel, der nach seiner Quelle wohl als ein treuer Ausdruck der<lb/> Ansichten der großen Mehrheit der deutsch-nationalen Oestreicher gelten darf, unverändert wie¬<lb/> dergeben, müssen aber zu den Ausführungen unsres Herrn Referenten uns doch folgende Be¬<lb/> merkung gestatten: Ganz abgesehen von der Frage, ob nach positivem östreichischen Staatsrecht<lb/> das Recht der Budgctverweigerung dem östreichischen Abgeordnetenhause so ganz unzweifelhaft<lb/> zusteht, wie der Herr Referent annimmt, sollte niemals eine parlamentarische Versammlung<lb/> die zweischneidige Waffe dieses Rechtes erheben, ehe sie in doppelter Hinsicht ihres Erfolges<lb/> sicher ist, einmal nämlich der Zustimmung des Volkes, und zweitens der Macht, ihren Beschluß<lb/> gegen die Regierung durchzusetzen. Die Steuerverweigerung, die sich mit dem bloßen Beschluß<lb/> im Parlament begnügt, ist ein sehr unpolitischer Streich. Aber das thörichtste von Allem ist<lb/> die Steuerverweigerung bei ziemlich sicherer Aussicht, im Parlament selbst damit zu unterliegen.<lb/> Und zu dieser unpolitischen Handlung haben sich leider die Vorkämpfer des detsch Ge¬<lb/><note type="byline"> uen<lb/> D, N.</note> dankens in Oestreich hinreißen lassen. " </note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0492]
andere Rücksichten pflegen mochte, wußte nun, welchen Weg er zu gehen habe.
Diese Ansicht wurde den dafür Empfänglichen auch unter der Hand vermittelt.
Die ehemaligen Minister Lasser und Pierer, andere active oder in Ruhestand
versetzte Beamte und mehrere Vertreter großer Geld- und Handelsinteressen
glaubten Oestreich am besten dadurch zu stützen, daß sie ihm ihren Einfluß
zu bewahren suchten. Als es nun zur Berathung des Budgets für 1871
kam, und zunächst über den vom Abgeordneten Groß im Vereine mit den
beiden Fractionen der Linken gestellten Antrag auf vorläufige Ablehnung
desselben verhandelt wurde, bot das Abgeordnetenhaus ein wenig erfreuliches
Bild. Der allerdings namhaften Zahl der entschieden liberalen Fractions-
stimmen stand die nahezu gleiche der Klerikalen und Feudalen gegenüber, den
Ausschlag gab aber die veränderte Abstimmung von siebenzehn Männern,
wovon fünf, darunter Lasser, mit der Rechten, neun gar nicht stimmten, und
drei ihr Mandat niederlegten,
Graf Hohenwart wollte aber nicht den Personen, sondern nur dem Ge¬
setze den Sieg verdanken, und gab mit einer kaum zu verkennenden Mißachtung
des Hauses der Abgeordneten zu verstehen, die Bewilligung des Budgets sei
nach der Verfassung nicht Sache ihres Vertrauens, sondern lediglich ihrer
Pflicht, wobei ihm wohl die früheren Postulatenlandtage, das Octoberdiplom
und die Entstehungsgeschichte des Februarpatents, aber nicht das Deeember-
statut vorgeschwebt haben mögen. Wer anders dachte, war kein wahrer
Oestreicher, und nach seiner Anschauung wohl gar ein Hochverräther.*) Un¬
ter den oben erwähnten Umständen war selbstverständlich, daß der Antrag
des Abgeordneten Groß abgelehnt wurde, wenn auch nur mit 77 gegen 67
Stimmen. Das Bielersee bleibt jedenfalls, daß nach den schon vorliegenden
Beweisen, wie alles nur auf den Umsturz der Verfassung zielt, der Reichs¬
rath selbst es war. der die Mittel lieferte zur Fortsetzung dieser Wirthschaft.
Da bleibt nur der eine Trost, daß es anders kommen muß und wird, trotz
der Weisheit des Polizeimannes, der jetzt an der Spitze steht.
") Wir wollten diesen Artikel, der nach seiner Quelle wohl als ein treuer Ausdruck der
Ansichten der großen Mehrheit der deutsch-nationalen Oestreicher gelten darf, unverändert wie¬
dergeben, müssen aber zu den Ausführungen unsres Herrn Referenten uns doch folgende Be¬
merkung gestatten: Ganz abgesehen von der Frage, ob nach positivem östreichischen Staatsrecht
das Recht der Budgctverweigerung dem östreichischen Abgeordnetenhause so ganz unzweifelhaft
zusteht, wie der Herr Referent annimmt, sollte niemals eine parlamentarische Versammlung
die zweischneidige Waffe dieses Rechtes erheben, ehe sie in doppelter Hinsicht ihres Erfolges
sicher ist, einmal nämlich der Zustimmung des Volkes, und zweitens der Macht, ihren Beschluß
gegen die Regierung durchzusetzen. Die Steuerverweigerung, die sich mit dem bloßen Beschluß
im Parlament begnügt, ist ein sehr unpolitischer Streich. Aber das thörichtste von Allem ist
die Steuerverweigerung bei ziemlich sicherer Aussicht, im Parlament selbst damit zu unterliegen.
Und zu dieser unpolitischen Handlung haben sich leider die Vorkämpfer des detsch Ge¬
uen
D, N. dankens in Oestreich hinreißen lassen. "
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