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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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ration fand ziemlich in derselben Weise statt, wie am Abend vorher, nur daß
wir jetzt unsere Kochtöpfe und Kochkessel schon hatten.

In der Zwischenzeit gab es Gelegenheit sich umzusehen, und von da,
wo wir, standen, überschaute man weithin eine der schönsten Gegenden Eng¬
lands. Unser Regiment war am Ende der Hügelkette aufgestellt, die sich von
Guildford noch Dorking hin zieht. Dies ist in Wirklichkeit nur ein Theil der
großen Kreidekette, welche sich von Aldershot östlich nach dem Medway hin¬
zieht. Aber hier ist eine Schlucht in der Kette gerade da, wo der an Dor¬
king vorbeifließende Bach sich plötzlich nordwärts wendet, um der Themse zu¬
zuströmen. Wir standen am Abhang des Hügels, wo er sich östlich nach
dieser Schlucht hinsenkt, und hatten unser Bivouak an einem Orte gehabt,
der ein herrschaftlicher Park zu sein schien. Etwas weiter hinauf zur Rech¬
ten war ein schöner Landsitz, zu dem der Park gehörte, jetzt vom Hauptquar¬
tier unserer Division in Beschlag genommen. Von diesem Hause fiel der
Berg nach Süden hin steil nach dem Thale zu ab, welches fast genau von
Osten nach Westen parallel mit der Hügelkette läuft und die Eisenbahn so¬
wie die Straße von Guildford nach Reigate enthält, und in welchem Thale
unmittelbar vor dem Schlosse und vielleicht anderthalb Meilen entfernt von
demselben, in Bäume geschmiegt und sich auf der anderen Seite der Thal¬
wände erhebend, das Städtchen Dorking liegt. So befand sich der Haupt¬
theil dieses Ortes auf unserer rechten Flanke, aber die Vorstadt streckte sich
östlich bis fast zu unserer Front hin, wo sie in einem kleinen Bahnhof gip¬
felte, von welcher sich die grasbewachsenen Abhänge des Parks mit Sträucher¬
und Baumgruppen bis zu unserm Standorte hinzogen. Rund um diesen
Bahnhof lagen Villen und ein paar Mühlen, in deren Gärten wir aus der
Vogelperspective hinabblickten. Die kleinen Teiche derselben glänzten in der
Morgensonne wie Spiegel. Unmittelbar zu unserer Linken senkte sich der
Park steil nach der vorerwähnten Schlucht hinab, durch welche der kleine Bach
sich schlängelte und die Eisenbahn von Epsom nach Brighton fast genau von
Norden nach Süden gehend die Linie von Guildford und Reigate im rechten
Winkel schnitt. Dicht bei dem Jnterseetionspunkte und dem ebengedachten
kleinen Bahnhof war die Station der ersteren Linie, wo wir Tags zuvor
gehalten hatten. Jenseit der Schlucht zur Linken setzten sich die Kreideketten
weiter fort. Der von der Schlucht aufsteigende erste Hügel derselben heißt
Boxhill, von dem Buchsbaum, mit dem er bewachsen ist. Seine Seiten sind
sehr steil, und sein Gipfel war mit Truppen bedeckt.

Die natürliche Stärke unserer Stellung war auf den ersten Blick zu
sehen, eine hohe grasbewachsene Hügelkette, die schroff nach Süden sich senkte,
einen Bach vor sich hatte und an den Seiten hinauf nur wenig Deckung
bot. Sie schien wie zu einem Schlachtfeld geschaffen. Die schwache Stelle


ration fand ziemlich in derselben Weise statt, wie am Abend vorher, nur daß
wir jetzt unsere Kochtöpfe und Kochkessel schon hatten.

In der Zwischenzeit gab es Gelegenheit sich umzusehen, und von da,
wo wir, standen, überschaute man weithin eine der schönsten Gegenden Eng¬
lands. Unser Regiment war am Ende der Hügelkette aufgestellt, die sich von
Guildford noch Dorking hin zieht. Dies ist in Wirklichkeit nur ein Theil der
großen Kreidekette, welche sich von Aldershot östlich nach dem Medway hin¬
zieht. Aber hier ist eine Schlucht in der Kette gerade da, wo der an Dor¬
king vorbeifließende Bach sich plötzlich nordwärts wendet, um der Themse zu¬
zuströmen. Wir standen am Abhang des Hügels, wo er sich östlich nach
dieser Schlucht hinsenkt, und hatten unser Bivouak an einem Orte gehabt,
der ein herrschaftlicher Park zu sein schien. Etwas weiter hinauf zur Rech¬
ten war ein schöner Landsitz, zu dem der Park gehörte, jetzt vom Hauptquar¬
tier unserer Division in Beschlag genommen. Von diesem Hause fiel der
Berg nach Süden hin steil nach dem Thale zu ab, welches fast genau von
Osten nach Westen parallel mit der Hügelkette läuft und die Eisenbahn so¬
wie die Straße von Guildford nach Reigate enthält, und in welchem Thale
unmittelbar vor dem Schlosse und vielleicht anderthalb Meilen entfernt von
demselben, in Bäume geschmiegt und sich auf der anderen Seite der Thal¬
wände erhebend, das Städtchen Dorking liegt. So befand sich der Haupt¬
theil dieses Ortes auf unserer rechten Flanke, aber die Vorstadt streckte sich
östlich bis fast zu unserer Front hin, wo sie in einem kleinen Bahnhof gip¬
felte, von welcher sich die grasbewachsenen Abhänge des Parks mit Sträucher¬
und Baumgruppen bis zu unserm Standorte hinzogen. Rund um diesen
Bahnhof lagen Villen und ein paar Mühlen, in deren Gärten wir aus der
Vogelperspective hinabblickten. Die kleinen Teiche derselben glänzten in der
Morgensonne wie Spiegel. Unmittelbar zu unserer Linken senkte sich der
Park steil nach der vorerwähnten Schlucht hinab, durch welche der kleine Bach
sich schlängelte und die Eisenbahn von Epsom nach Brighton fast genau von
Norden nach Süden gehend die Linie von Guildford und Reigate im rechten
Winkel schnitt. Dicht bei dem Jnterseetionspunkte und dem ebengedachten
kleinen Bahnhof war die Station der ersteren Linie, wo wir Tags zuvor
gehalten hatten. Jenseit der Schlucht zur Linken setzten sich die Kreideketten
weiter fort. Der von der Schlucht aufsteigende erste Hügel derselben heißt
Boxhill, von dem Buchsbaum, mit dem er bewachsen ist. Seine Seiten sind
sehr steil, und sein Gipfel war mit Truppen bedeckt.

Die natürliche Stärke unserer Stellung war auf den ersten Blick zu
sehen, eine hohe grasbewachsene Hügelkette, die schroff nach Süden sich senkte,
einen Bach vor sich hatte und an den Seiten hinauf nur wenig Deckung
bot. Sie schien wie zu einem Schlachtfeld geschaffen. Die schwache Stelle


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/405>, abgerufen am 29.09.2024.