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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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bestimmt werden, daß in irgend einem später ausbrechenden Kriege die fol¬
gende Klasse von Menschen unbehelligt bleiben, ja den Schutz beider Theile
genießen und ihren Beruf in Ruhe und Sicherheit ausüben soll? nämlich:
1. Bebauer des Bodens, weil sie für den Unterhalt der Menschheit arbeiten;
2. Fischer, aus demselben Grunde; 3. Kauf- und Handelsleute in unbewaff¬
neten Schiffen, da sie den verschiedenen Nationen durch die Vermittelung und
den Austausch der Bedürfnisse und Annehmlichkeiten des Lebens dienen;
4. Künstler und Handwerker, die in offenen Städten wohnen und arbeiten. --
Es ist kaum nöthig hinzuzufügen, daß die Hospitäler des Feindes unbelästigt
bleiben, daß sie im Gegentheil beschützt werden sollten. Das Interesse der
Menschheit gebietet überhaupt, daß die Gelegenheiten des Krieges und die Ver¬
anlassung dazu möglichst vermindert werden. Wenn Raub aufhört, so ist
auch ein Hauptreiz zum Kriege aufgehoben; und der Friede wird dann länger,
ja vielleicht immer dauern. Die Praxis. welche Kaufleute auf hoher See
beraubt, ist ein Ueberbleibsel des alten Seeraubes, und obgleich sie hie und
da für einzelne Personen einträglich sein mag, so ist sie doch weit entfernt,
für die dabei Betheiligten oder das Volk, welches sie gestattet, vortheilhaft
zu sein. Am Anfang eines Krieges werden ein paar reich beladene und un¬
vorsichtige Schiffe überrascht und genommen. Das veranlaßt die ersten Aben¬
teurer, mehr bewaffnete Schiffe auszurüsten, Andere thun dasselbe; indessen
wird der Feind zu gleicher Zeit vorsichtiger und bewaffnet seine Kauffahrer
besser, so daß sie nicht leicht genommen werden können, oder er läßt sie unter
dem Schutze von Kriegsschiffen fahren. Während sich auf diese Weise die
Anzahl der Kaper vermehrt, vermindern sich die Schiffe, welche genommen
werden können, folglich auch die Aussichten auf Gewinn, so daß, wie es
überhaupt bei jeder Lotterie der Fall ist, viele Fahrten gemacht werden, bei
denen die Kosten den Gewinn übersteigen. Wenn auch immerhin Einzelne
die eine oder andere Prise machen, so verliert doch die große Masse der Aben¬
teurer , und so sind die Kosten der Ausrüstung während eines Krieges größer
als der Gesammtbetrag der zusammen gestohlenen Waaren. Dann aber ver¬
liert eine Nation die ganze Arbeit so vieler auf Raubzügen begriffenen Men¬
schen, die außerdem, was sie einnehmen, in Ausschweifungen, Trunk und
Lastern wieder vergeuden, die nüchternen Gewohnheiten ihres früheren Lebens
verlernen und nach dem Frieden selten noch für ein Geschäft taugen, sondern
nur die Zahl der Räuber und Diebe vermehren. Selbst die Unternehmer,
welche so glücklich gewesen sind, ein plötzliches Vermögen zu erwerben, ver¬
schwenden dieses meistens wieder in sinnlosem Luxus, dessen Gewohnheiten
selbst noch andauern, wenn die Mittel dazu erschöpft sind, und endlich zum
Ruin führen: eine gerechte Strafe für den Untergang, den sie ruchlos und
fühllos genug so vielen unschuldigen und ehrbaren Handelsleuten und ihren


bestimmt werden, daß in irgend einem später ausbrechenden Kriege die fol¬
gende Klasse von Menschen unbehelligt bleiben, ja den Schutz beider Theile
genießen und ihren Beruf in Ruhe und Sicherheit ausüben soll? nämlich:
1. Bebauer des Bodens, weil sie für den Unterhalt der Menschheit arbeiten;
2. Fischer, aus demselben Grunde; 3. Kauf- und Handelsleute in unbewaff¬
neten Schiffen, da sie den verschiedenen Nationen durch die Vermittelung und
den Austausch der Bedürfnisse und Annehmlichkeiten des Lebens dienen;
4. Künstler und Handwerker, die in offenen Städten wohnen und arbeiten. —
Es ist kaum nöthig hinzuzufügen, daß die Hospitäler des Feindes unbelästigt
bleiben, daß sie im Gegentheil beschützt werden sollten. Das Interesse der
Menschheit gebietet überhaupt, daß die Gelegenheiten des Krieges und die Ver¬
anlassung dazu möglichst vermindert werden. Wenn Raub aufhört, so ist
auch ein Hauptreiz zum Kriege aufgehoben; und der Friede wird dann länger,
ja vielleicht immer dauern. Die Praxis. welche Kaufleute auf hoher See
beraubt, ist ein Ueberbleibsel des alten Seeraubes, und obgleich sie hie und
da für einzelne Personen einträglich sein mag, so ist sie doch weit entfernt,
für die dabei Betheiligten oder das Volk, welches sie gestattet, vortheilhaft
zu sein. Am Anfang eines Krieges werden ein paar reich beladene und un¬
vorsichtige Schiffe überrascht und genommen. Das veranlaßt die ersten Aben¬
teurer, mehr bewaffnete Schiffe auszurüsten, Andere thun dasselbe; indessen
wird der Feind zu gleicher Zeit vorsichtiger und bewaffnet seine Kauffahrer
besser, so daß sie nicht leicht genommen werden können, oder er läßt sie unter
dem Schutze von Kriegsschiffen fahren. Während sich auf diese Weise die
Anzahl der Kaper vermehrt, vermindern sich die Schiffe, welche genommen
werden können, folglich auch die Aussichten auf Gewinn, so daß, wie es
überhaupt bei jeder Lotterie der Fall ist, viele Fahrten gemacht werden, bei
denen die Kosten den Gewinn übersteigen. Wenn auch immerhin Einzelne
die eine oder andere Prise machen, so verliert doch die große Masse der Aben¬
teurer , und so sind die Kosten der Ausrüstung während eines Krieges größer
als der Gesammtbetrag der zusammen gestohlenen Waaren. Dann aber ver¬
liert eine Nation die ganze Arbeit so vieler auf Raubzügen begriffenen Men¬
schen, die außerdem, was sie einnehmen, in Ausschweifungen, Trunk und
Lastern wieder vergeuden, die nüchternen Gewohnheiten ihres früheren Lebens
verlernen und nach dem Frieden selten noch für ein Geschäft taugen, sondern
nur die Zahl der Räuber und Diebe vermehren. Selbst die Unternehmer,
welche so glücklich gewesen sind, ein plötzliches Vermögen zu erwerben, ver¬
schwenden dieses meistens wieder in sinnlosem Luxus, dessen Gewohnheiten
selbst noch andauern, wenn die Mittel dazu erschöpft sind, und endlich zum
Ruin führen: eine gerechte Strafe für den Untergang, den sie ruchlos und
fühllos genug so vielen unschuldigen und ehrbaren Handelsleuten und ihren


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[0386] bestimmt werden, daß in irgend einem später ausbrechenden Kriege die fol¬ gende Klasse von Menschen unbehelligt bleiben, ja den Schutz beider Theile genießen und ihren Beruf in Ruhe und Sicherheit ausüben soll? nämlich: 1. Bebauer des Bodens, weil sie für den Unterhalt der Menschheit arbeiten; 2. Fischer, aus demselben Grunde; 3. Kauf- und Handelsleute in unbewaff¬ neten Schiffen, da sie den verschiedenen Nationen durch die Vermittelung und den Austausch der Bedürfnisse und Annehmlichkeiten des Lebens dienen; 4. Künstler und Handwerker, die in offenen Städten wohnen und arbeiten. — Es ist kaum nöthig hinzuzufügen, daß die Hospitäler des Feindes unbelästigt bleiben, daß sie im Gegentheil beschützt werden sollten. Das Interesse der Menschheit gebietet überhaupt, daß die Gelegenheiten des Krieges und die Ver¬ anlassung dazu möglichst vermindert werden. Wenn Raub aufhört, so ist auch ein Hauptreiz zum Kriege aufgehoben; und der Friede wird dann länger, ja vielleicht immer dauern. Die Praxis. welche Kaufleute auf hoher See beraubt, ist ein Ueberbleibsel des alten Seeraubes, und obgleich sie hie und da für einzelne Personen einträglich sein mag, so ist sie doch weit entfernt, für die dabei Betheiligten oder das Volk, welches sie gestattet, vortheilhaft zu sein. Am Anfang eines Krieges werden ein paar reich beladene und un¬ vorsichtige Schiffe überrascht und genommen. Das veranlaßt die ersten Aben¬ teurer, mehr bewaffnete Schiffe auszurüsten, Andere thun dasselbe; indessen wird der Feind zu gleicher Zeit vorsichtiger und bewaffnet seine Kauffahrer besser, so daß sie nicht leicht genommen werden können, oder er läßt sie unter dem Schutze von Kriegsschiffen fahren. Während sich auf diese Weise die Anzahl der Kaper vermehrt, vermindern sich die Schiffe, welche genommen werden können, folglich auch die Aussichten auf Gewinn, so daß, wie es überhaupt bei jeder Lotterie der Fall ist, viele Fahrten gemacht werden, bei denen die Kosten den Gewinn übersteigen. Wenn auch immerhin Einzelne die eine oder andere Prise machen, so verliert doch die große Masse der Aben¬ teurer , und so sind die Kosten der Ausrüstung während eines Krieges größer als der Gesammtbetrag der zusammen gestohlenen Waaren. Dann aber ver¬ liert eine Nation die ganze Arbeit so vieler auf Raubzügen begriffenen Men¬ schen, die außerdem, was sie einnehmen, in Ausschweifungen, Trunk und Lastern wieder vergeuden, die nüchternen Gewohnheiten ihres früheren Lebens verlernen und nach dem Frieden selten noch für ein Geschäft taugen, sondern nur die Zahl der Räuber und Diebe vermehren. Selbst die Unternehmer, welche so glücklich gewesen sind, ein plötzliches Vermögen zu erwerben, ver¬ schwenden dieses meistens wieder in sinnlosem Luxus, dessen Gewohnheiten selbst noch andauern, wenn die Mittel dazu erschöpft sind, und endlich zum Ruin führen: eine gerechte Strafe für den Untergang, den sie ruchlos und fühllos genug so vielen unschuldigen und ehrbaren Handelsleuten und ihren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/386>, abgerufen am 29.09.2024.