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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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wie in den Ländern des hohen Nordens, oder einigen Aequatorialländern, eine
irgend erhebliche Entwickelung der Baumwollenindustrie aus natürlichen Grün¬
den zwar unmöglich ist, würden baumwollene Gewebe doch einen sehr schlech¬
ten Finanzzoll-Artikel abgeben, weil das andere Moment, die Möglichkeit
eines ausgedehnten Verbrauches, fehlt.

Anlangend die inländische Aufwandbesteuerung, so muß ein Artikel, wenn
ihm auf diesem Wege wirksam beizukommen sein und das Besteuerungs-Sy-
stem nicht zu beträchtlichen und empfindlichen Beschränkungen im Betreff der
Wahl des Bezugsmarktes führen soll, -- anderer Erfordernisse zu geschweige"
-- zugleich ein specifisches inländisches Product und ein Gegenstand des all¬
gemeinsten inländischen Bedarfes sein.

Man kann auch sagen: das gemeinschaftliche Kriterium für Ertrags¬
fähigkeit bei Eingangs- wie bei inländischer Besteuerung ist: Massenverbrauch
und Constanz in der Verbrauchs-Entwickelung; das besondere Kriterium für
Ertragsfähigkeit bei Eingangs-Besteuerung: Unmöglichkeit oder Unwirthschaft-
lichkeit der inländischen Erzeugung des Artikels, dagegen bei inländischer Be¬
steuerung: Unmöglichkeit der Zufuhr von Außen, oder Unbedenklichkeit des
Verbotes der Einfuhr. Halten wir dies fest, so werden uns die Sorgen der¬
jenigen deutschen Finanzpolitiker und Finanzpraktiker, welche den Aufschlag¬
steuern mit besonderer Vorliebe zugethan sind, sofort verständlich.

Wein, für Großbritannien, Scandinavien, für alle Länder, die jenseit
der Weinzone liegen, ein vorzüglicher Eingangszvll-Artikel -- in Großbritan¬
nien erzielt man davon eine Einnahme von 9 Sgr. auf den Kopf, und die¬
selbe dürfte sich leicht verdoppeln lassen -- erweiset sich bei uns als beinahe
indifferent gegen jede Tarifveränderung und als unergiebig. An dem Mo¬
mente des Massenverbrauches und der Möglichkeit seiner Steigerung fehlt es
nicht; aber die inländische Erzeugung ist nicht nur nicht unmöglich, oder un¬
wirtschaftlich, sondern sogar sehr möglich, sehr verbreitet, sehr wirthschaftlich.
Bei dieser Sachlage könnte man verleitet sein, von einer inländischen Ver¬
brauchssteuer viel zu erwarten. Aber dazu wäre die Unmöglichkeit billiger
Einfuhr von Außen, oder die Unbedenklichkeit eines Einfuhr-Verbotes uner¬
läßlich. Unsere Combination von Weinzoll und Weinsteuer, wie sie bis 186S
bestand, brachte uns nur wenig über 1V2 Sgr. pro Kopf der Bevölkerung
und der Eingangszoll von heute wird diesen Ertrag schwerlich erreichen.

Colonial-Zucker wäre für uns ein trefflicher Zollartikel. Der Zucker-
Verbrauch ist ausgedehnt und steigt constant; das Zuckerrohr wäre in unseren
Breiten auch mit den größten Opfern nicht zu acclimcitisiren. Da man aber
jenen Vorzug zu verwerthen begann, wuchs die inländische Erzeugung eines
Surrogates mächtig empor. Eine starke Belastung des Colonialzuckers führte
zu einer Verminderung der Einnahmen und zur Begünstigung der Surrogat-


wie in den Ländern des hohen Nordens, oder einigen Aequatorialländern, eine
irgend erhebliche Entwickelung der Baumwollenindustrie aus natürlichen Grün¬
den zwar unmöglich ist, würden baumwollene Gewebe doch einen sehr schlech¬
ten Finanzzoll-Artikel abgeben, weil das andere Moment, die Möglichkeit
eines ausgedehnten Verbrauches, fehlt.

Anlangend die inländische Aufwandbesteuerung, so muß ein Artikel, wenn
ihm auf diesem Wege wirksam beizukommen sein und das Besteuerungs-Sy-
stem nicht zu beträchtlichen und empfindlichen Beschränkungen im Betreff der
Wahl des Bezugsmarktes führen soll, — anderer Erfordernisse zu geschweige»
— zugleich ein specifisches inländisches Product und ein Gegenstand des all¬
gemeinsten inländischen Bedarfes sein.

Man kann auch sagen: das gemeinschaftliche Kriterium für Ertrags¬
fähigkeit bei Eingangs- wie bei inländischer Besteuerung ist: Massenverbrauch
und Constanz in der Verbrauchs-Entwickelung; das besondere Kriterium für
Ertragsfähigkeit bei Eingangs-Besteuerung: Unmöglichkeit oder Unwirthschaft-
lichkeit der inländischen Erzeugung des Artikels, dagegen bei inländischer Be¬
steuerung: Unmöglichkeit der Zufuhr von Außen, oder Unbedenklichkeit des
Verbotes der Einfuhr. Halten wir dies fest, so werden uns die Sorgen der¬
jenigen deutschen Finanzpolitiker und Finanzpraktiker, welche den Aufschlag¬
steuern mit besonderer Vorliebe zugethan sind, sofort verständlich.

Wein, für Großbritannien, Scandinavien, für alle Länder, die jenseit
der Weinzone liegen, ein vorzüglicher Eingangszvll-Artikel — in Großbritan¬
nien erzielt man davon eine Einnahme von 9 Sgr. auf den Kopf, und die¬
selbe dürfte sich leicht verdoppeln lassen — erweiset sich bei uns als beinahe
indifferent gegen jede Tarifveränderung und als unergiebig. An dem Mo¬
mente des Massenverbrauches und der Möglichkeit seiner Steigerung fehlt es
nicht; aber die inländische Erzeugung ist nicht nur nicht unmöglich, oder un¬
wirtschaftlich, sondern sogar sehr möglich, sehr verbreitet, sehr wirthschaftlich.
Bei dieser Sachlage könnte man verleitet sein, von einer inländischen Ver¬
brauchssteuer viel zu erwarten. Aber dazu wäre die Unmöglichkeit billiger
Einfuhr von Außen, oder die Unbedenklichkeit eines Einfuhr-Verbotes uner¬
läßlich. Unsere Combination von Weinzoll und Weinsteuer, wie sie bis 186S
bestand, brachte uns nur wenig über 1V2 Sgr. pro Kopf der Bevölkerung
und der Eingangszoll von heute wird diesen Ertrag schwerlich erreichen.

Colonial-Zucker wäre für uns ein trefflicher Zollartikel. Der Zucker-
Verbrauch ist ausgedehnt und steigt constant; das Zuckerrohr wäre in unseren
Breiten auch mit den größten Opfern nicht zu acclimcitisiren. Da man aber
jenen Vorzug zu verwerthen begann, wuchs die inländische Erzeugung eines
Surrogates mächtig empor. Eine starke Belastung des Colonialzuckers führte
zu einer Verminderung der Einnahmen und zur Begünstigung der Surrogat-


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[0330] wie in den Ländern des hohen Nordens, oder einigen Aequatorialländern, eine irgend erhebliche Entwickelung der Baumwollenindustrie aus natürlichen Grün¬ den zwar unmöglich ist, würden baumwollene Gewebe doch einen sehr schlech¬ ten Finanzzoll-Artikel abgeben, weil das andere Moment, die Möglichkeit eines ausgedehnten Verbrauches, fehlt. Anlangend die inländische Aufwandbesteuerung, so muß ein Artikel, wenn ihm auf diesem Wege wirksam beizukommen sein und das Besteuerungs-Sy- stem nicht zu beträchtlichen und empfindlichen Beschränkungen im Betreff der Wahl des Bezugsmarktes führen soll, — anderer Erfordernisse zu geschweige» — zugleich ein specifisches inländisches Product und ein Gegenstand des all¬ gemeinsten inländischen Bedarfes sein. Man kann auch sagen: das gemeinschaftliche Kriterium für Ertrags¬ fähigkeit bei Eingangs- wie bei inländischer Besteuerung ist: Massenverbrauch und Constanz in der Verbrauchs-Entwickelung; das besondere Kriterium für Ertragsfähigkeit bei Eingangs-Besteuerung: Unmöglichkeit oder Unwirthschaft- lichkeit der inländischen Erzeugung des Artikels, dagegen bei inländischer Be¬ steuerung: Unmöglichkeit der Zufuhr von Außen, oder Unbedenklichkeit des Verbotes der Einfuhr. Halten wir dies fest, so werden uns die Sorgen der¬ jenigen deutschen Finanzpolitiker und Finanzpraktiker, welche den Aufschlag¬ steuern mit besonderer Vorliebe zugethan sind, sofort verständlich. Wein, für Großbritannien, Scandinavien, für alle Länder, die jenseit der Weinzone liegen, ein vorzüglicher Eingangszvll-Artikel — in Großbritan¬ nien erzielt man davon eine Einnahme von 9 Sgr. auf den Kopf, und die¬ selbe dürfte sich leicht verdoppeln lassen — erweiset sich bei uns als beinahe indifferent gegen jede Tarifveränderung und als unergiebig. An dem Mo¬ mente des Massenverbrauches und der Möglichkeit seiner Steigerung fehlt es nicht; aber die inländische Erzeugung ist nicht nur nicht unmöglich, oder un¬ wirtschaftlich, sondern sogar sehr möglich, sehr verbreitet, sehr wirthschaftlich. Bei dieser Sachlage könnte man verleitet sein, von einer inländischen Ver¬ brauchssteuer viel zu erwarten. Aber dazu wäre die Unmöglichkeit billiger Einfuhr von Außen, oder die Unbedenklichkeit eines Einfuhr-Verbotes uner¬ läßlich. Unsere Combination von Weinzoll und Weinsteuer, wie sie bis 186S bestand, brachte uns nur wenig über 1V2 Sgr. pro Kopf der Bevölkerung und der Eingangszoll von heute wird diesen Ertrag schwerlich erreichen. Colonial-Zucker wäre für uns ein trefflicher Zollartikel. Der Zucker- Verbrauch ist ausgedehnt und steigt constant; das Zuckerrohr wäre in unseren Breiten auch mit den größten Opfern nicht zu acclimcitisiren. Da man aber jenen Vorzug zu verwerthen begann, wuchs die inländische Erzeugung eines Surrogates mächtig empor. Eine starke Belastung des Colonialzuckers führte zu einer Verminderung der Einnahmen und zur Begünstigung der Surrogat-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/330>, abgerufen am 28.09.2024.