Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.eene Fortschrittler in ziemlicher Anzahl, welche es dem Fürsten nicht verzeihen, Und dennoch, muß man gestehen, fehlt es sonst diesen Herren und ihren eene Fortschrittler in ziemlicher Anzahl, welche es dem Fürsten nicht verzeihen, Und dennoch, muß man gestehen, fehlt es sonst diesen Herren und ihren <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126101"/> <p xml:id="ID_1014" prev="#ID_1013"> eene Fortschrittler in ziemlicher Anzahl, welche es dem Fürsten nicht verzeihen,<lb/> daß er ihnen wiederum eines ihrer Lieblings-Raisonnir-Themas weggenommen<lb/> hat, und unsere guten Freunde vom „schwarzen Centrum" im Reichstage, die<lb/> Jedem erzählen, der nur sein Ohr dazu leihen mag, wie sie von Bismarck in<lb/> Sachen der „Grundrechte" schmählich hintergangen und getäuscht worden seien,<lb/> weil er sie im Stillen zu jenen Anträgen aufgemuntert und dann plötzlich im<lb/> Stich gelassen habe, um sie um so sicherer zu verderben, auch diese Central-<lb/> menschen sind nicht Meister genug im Mienenspiele, um sofort ein freudiges<lb/> Gesicht hervorzukehren, nachdem dem Fürsten das Große in so überraschend<lb/> kurzer Zeit gelungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1015"> Und dennoch, muß man gestehen, fehlt es sonst diesen Herren und ihren<lb/> Organen weder an Scharfsinn, noch Witz, noch an anerkennenswerter ge¬<lb/> legentlicher Selbstpersifflage. So war das kleine, aber ganz gut geschriebene<lb/> Blättchen, die „Germania", welches sie hier als „deutsches Volksblatt" durch<lb/> Kaplan Majunke herausgeben lassen, von der „Berliner Börsenzeitung", die<lb/> ihren Namen mit Recht führt, als „ultramontan, klerikal und jesuitisch" an<lb/> den Pranger gestellt worden. Augenblicklich ergriffen die Gelehrten der „Ger¬<lb/> mania" die Gelegenheit bei der wallenden Stirnlocke und ließen in dieselbe<lb/> Börsenzeitung folgendes Inserat einrücken: „Germania, katholische Zeitung<lb/> für das deutsche Volk, Preis :c. (wir wollen Herrn Majunke hier keine Re¬<lb/> klame machen!), Tendenz: Ultramontan; Haltung: klerikal; Stil: jesui¬<lb/> tisch!" Der Witz hatte keine üblen Folgen, denn unsereblasirten Börsianersan¬<lb/> den die Annonce so pikant, daß sich sofort ein Dutzend bereit hielt, den billi¬<lb/> gen Abonnementspreis zu zahlen, um selbst einmal zu prüfen, wie sich „jesui¬<lb/> tischer Stil" in der Sprache Luthers ausnehme. Auf diese Weise wußte Herr<lb/> Majunke einen Angriff auszunützen, der ihm eigentlich schaden gesollt. Ich<lb/> kann nicht anders, aber ich finde diese Art, von der Gastfreundschaft eines<lb/> Concurrenz-Organs zu profitiren, viel geistreicher und amüsanter, als die un¬<lb/> wirthliche Form, in welcher der Berliner Magistrat dem Reichstage für seine<lb/> geselligen Zusammenkünfte die Benutzung der obern Räumlichkeiten des Rath¬<lb/> hauses abschlug, weil der Baumeister der Ansicht sei, daß durch diese Benutzung<lb/> die Decorationen dieser Säle leiden könnten. Ja, das hätte man gleich sagen<lb/> müssen, daß man die Rathhausräume nur gebaut, damit sie nicht benutzt<lb/> würden, nur um dem Loos alles Schönen aus der Erde zu entgehen. Aber so ist<lb/> es immer — wenn die Herren vom Rathhause kommen, sind sie immer klü¬<lb/><note type="byline"> — o. 'A. —</note> ger, als da sie hingingen. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0319]
eene Fortschrittler in ziemlicher Anzahl, welche es dem Fürsten nicht verzeihen,
daß er ihnen wiederum eines ihrer Lieblings-Raisonnir-Themas weggenommen
hat, und unsere guten Freunde vom „schwarzen Centrum" im Reichstage, die
Jedem erzählen, der nur sein Ohr dazu leihen mag, wie sie von Bismarck in
Sachen der „Grundrechte" schmählich hintergangen und getäuscht worden seien,
weil er sie im Stillen zu jenen Anträgen aufgemuntert und dann plötzlich im
Stich gelassen habe, um sie um so sicherer zu verderben, auch diese Central-
menschen sind nicht Meister genug im Mienenspiele, um sofort ein freudiges
Gesicht hervorzukehren, nachdem dem Fürsten das Große in so überraschend
kurzer Zeit gelungen.
Und dennoch, muß man gestehen, fehlt es sonst diesen Herren und ihren
Organen weder an Scharfsinn, noch Witz, noch an anerkennenswerter ge¬
legentlicher Selbstpersifflage. So war das kleine, aber ganz gut geschriebene
Blättchen, die „Germania", welches sie hier als „deutsches Volksblatt" durch
Kaplan Majunke herausgeben lassen, von der „Berliner Börsenzeitung", die
ihren Namen mit Recht führt, als „ultramontan, klerikal und jesuitisch" an
den Pranger gestellt worden. Augenblicklich ergriffen die Gelehrten der „Ger¬
mania" die Gelegenheit bei der wallenden Stirnlocke und ließen in dieselbe
Börsenzeitung folgendes Inserat einrücken: „Germania, katholische Zeitung
für das deutsche Volk, Preis :c. (wir wollen Herrn Majunke hier keine Re¬
klame machen!), Tendenz: Ultramontan; Haltung: klerikal; Stil: jesui¬
tisch!" Der Witz hatte keine üblen Folgen, denn unsereblasirten Börsianersan¬
den die Annonce so pikant, daß sich sofort ein Dutzend bereit hielt, den billi¬
gen Abonnementspreis zu zahlen, um selbst einmal zu prüfen, wie sich „jesui¬
tischer Stil" in der Sprache Luthers ausnehme. Auf diese Weise wußte Herr
Majunke einen Angriff auszunützen, der ihm eigentlich schaden gesollt. Ich
kann nicht anders, aber ich finde diese Art, von der Gastfreundschaft eines
Concurrenz-Organs zu profitiren, viel geistreicher und amüsanter, als die un¬
wirthliche Form, in welcher der Berliner Magistrat dem Reichstage für seine
geselligen Zusammenkünfte die Benutzung der obern Räumlichkeiten des Rath¬
hauses abschlug, weil der Baumeister der Ansicht sei, daß durch diese Benutzung
die Decorationen dieser Säle leiden könnten. Ja, das hätte man gleich sagen
müssen, daß man die Rathhausräume nur gebaut, damit sie nicht benutzt
würden, nur um dem Loos alles Schönen aus der Erde zu entgehen. Aber so ist
es immer — wenn die Herren vom Rathhause kommen, sind sie immer klü¬
— o. 'A. — ger, als da sie hingingen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |