Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

das Feuer zu schüren. Im Gegentheil. Nicht Wenige von jenen, die von
Asiens entlegener Küste stammen und denen Richard Wagner einst in so bur¬
lesker Weise den anatomischen, physiologischen und geruchsnervösen Fehde¬
handschuh hingeworfen, nicht Wenige von ihnen standen seit Langem an der
Spitze seiner hiesigen eben so freien, als kleinen und stillen Gemeinde. --
Aber romantische und klassische Musikgeister gab es auch ohne diese Herren in
Hülle und Fülle, die nicht dulden wollten, daß ein anderer Gott, neben dem
ihren, verehrt und angebetet werde und gar manche persönliche Empfindung
wie Mißstimmung trug wesentlich mit dazu bei, die feindseligen musikalischen
Gefühle individuell zuzuspitzen.

Sie erinnern sich ohne Zweifel der seiner Zeit so plötzlich erfolgten Ent¬
fernung der bisherigen Operndirigenten von ihren Aemtern, der Kapellmeister
Dorn und Taubert, die bis dahin noch keine Lust verspürt zu haben glaub¬
ten, procul negotiis über die Genüsse eines Ruhegehaltes nachzudenken. Es
war das der erste Sieg unserer Wagnerfreunde, denen das Repertoire der
königlichen Oper zu kärglich mit den Meisterwerken ihres Lieblings-Propheten
ausgestattet erschien. Es gelang ihnen, die sich höhern und höchsten Schutzes
erfreuten, mit Hülfe einiger "Feenhände", sich in Kapellmeister Eckett aus
Karlsruhe eine frische Kraft zu verschreiben, die nun in gewünschter Fülle
tannhäuserte, lohengrinte und Meistersang. Nachdem so die erste Etappe ge¬
wonnen, galt es, einen großen Schlag zu thun, um nach dem Jünger den
Messias selbst in Scene zu setzen.

Was man hier Alles für Wagner gethan, übergehe ich füglich, da die
Tagesblätter hinlänglich darüber berichtet haben. Was aber hervorgehoben
zu werden verdient, ist, daß es wiederum hauptsächlich " das Judenthum"
gewesen, dem doch der Componist selbst alles tiefere Verständniß für seine
Musik absprechen zu müssen geglaubt hat, welches ihm die Triumphe bereitete,
in deren Genuß er hier schwelgen durste. Diese herb verleumdeten Kinder
Abrahams schienen sich vorgenommen zu haben, den Meister unter Rosen zu
ersticken oder durch Ansammlung feuriger Kohlen auf seinem Haupte zu ver¬
brennen oder sonstwie eine fein ausgedachte, raffinirte Rache an ihm zu
üben -- jedenfalls aber haben sie dargethan, daß an wirklich humanitärer
Gesittung und Gesinnung, daß an vorurtheilsfreien Blick und gerechter An¬
erkennungsfülle diese seine angeblichen Gegner, Neider und Lästerer dem
Rheingold-Sänger unendlich überlegen sind. "Unsere Leut" standen mit an der
Spitze des geheimen musikalischen Revolutions-Comite, das seine Entrees bis
hinauf in die höchsten Cirkel hatte und das Herrn von Hülsen, den klassisch¬
fühlenden General-Intendanten unserer Hoftheater, sogar veranlaßte, eine
kleine Lustreise nach Leipzig an dem Tage zu unternehmen, an welchem er
den Schimpf über sich ergehen lassen sollte, den Mai-Insurgenten und Hoch-


das Feuer zu schüren. Im Gegentheil. Nicht Wenige von jenen, die von
Asiens entlegener Küste stammen und denen Richard Wagner einst in so bur¬
lesker Weise den anatomischen, physiologischen und geruchsnervösen Fehde¬
handschuh hingeworfen, nicht Wenige von ihnen standen seit Langem an der
Spitze seiner hiesigen eben so freien, als kleinen und stillen Gemeinde. —
Aber romantische und klassische Musikgeister gab es auch ohne diese Herren in
Hülle und Fülle, die nicht dulden wollten, daß ein anderer Gott, neben dem
ihren, verehrt und angebetet werde und gar manche persönliche Empfindung
wie Mißstimmung trug wesentlich mit dazu bei, die feindseligen musikalischen
Gefühle individuell zuzuspitzen.

Sie erinnern sich ohne Zweifel der seiner Zeit so plötzlich erfolgten Ent¬
fernung der bisherigen Operndirigenten von ihren Aemtern, der Kapellmeister
Dorn und Taubert, die bis dahin noch keine Lust verspürt zu haben glaub¬
ten, procul negotiis über die Genüsse eines Ruhegehaltes nachzudenken. Es
war das der erste Sieg unserer Wagnerfreunde, denen das Repertoire der
königlichen Oper zu kärglich mit den Meisterwerken ihres Lieblings-Propheten
ausgestattet erschien. Es gelang ihnen, die sich höhern und höchsten Schutzes
erfreuten, mit Hülfe einiger „Feenhände", sich in Kapellmeister Eckett aus
Karlsruhe eine frische Kraft zu verschreiben, die nun in gewünschter Fülle
tannhäuserte, lohengrinte und Meistersang. Nachdem so die erste Etappe ge¬
wonnen, galt es, einen großen Schlag zu thun, um nach dem Jünger den
Messias selbst in Scene zu setzen.

Was man hier Alles für Wagner gethan, übergehe ich füglich, da die
Tagesblätter hinlänglich darüber berichtet haben. Was aber hervorgehoben
zu werden verdient, ist, daß es wiederum hauptsächlich „ das Judenthum"
gewesen, dem doch der Componist selbst alles tiefere Verständniß für seine
Musik absprechen zu müssen geglaubt hat, welches ihm die Triumphe bereitete,
in deren Genuß er hier schwelgen durste. Diese herb verleumdeten Kinder
Abrahams schienen sich vorgenommen zu haben, den Meister unter Rosen zu
ersticken oder durch Ansammlung feuriger Kohlen auf seinem Haupte zu ver¬
brennen oder sonstwie eine fein ausgedachte, raffinirte Rache an ihm zu
üben — jedenfalls aber haben sie dargethan, daß an wirklich humanitärer
Gesittung und Gesinnung, daß an vorurtheilsfreien Blick und gerechter An¬
erkennungsfülle diese seine angeblichen Gegner, Neider und Lästerer dem
Rheingold-Sänger unendlich überlegen sind. „Unsere Leut" standen mit an der
Spitze des geheimen musikalischen Revolutions-Comite, das seine Entrees bis
hinauf in die höchsten Cirkel hatte und das Herrn von Hülsen, den klassisch¬
fühlenden General-Intendanten unserer Hoftheater, sogar veranlaßte, eine
kleine Lustreise nach Leipzig an dem Tage zu unternehmen, an welchem er
den Schimpf über sich ergehen lassen sollte, den Mai-Insurgenten und Hoch-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0317" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126099"/>
          <p xml:id="ID_1007" prev="#ID_1006"> das Feuer zu schüren. Im Gegentheil. Nicht Wenige von jenen, die von<lb/>
Asiens entlegener Küste stammen und denen Richard Wagner einst in so bur¬<lb/>
lesker Weise den anatomischen, physiologischen und geruchsnervösen Fehde¬<lb/>
handschuh hingeworfen, nicht Wenige von ihnen standen seit Langem an der<lb/>
Spitze seiner hiesigen eben so freien, als kleinen und stillen Gemeinde. &#x2014;<lb/>
Aber romantische und klassische Musikgeister gab es auch ohne diese Herren in<lb/>
Hülle und Fülle, die nicht dulden wollten, daß ein anderer Gott, neben dem<lb/>
ihren, verehrt und angebetet werde und gar manche persönliche Empfindung<lb/>
wie Mißstimmung trug wesentlich mit dazu bei, die feindseligen musikalischen<lb/>
Gefühle individuell zuzuspitzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1008"> Sie erinnern sich ohne Zweifel der seiner Zeit so plötzlich erfolgten Ent¬<lb/>
fernung der bisherigen Operndirigenten von ihren Aemtern, der Kapellmeister<lb/>
Dorn und Taubert, die bis dahin noch keine Lust verspürt zu haben glaub¬<lb/>
ten, procul negotiis über die Genüsse eines Ruhegehaltes nachzudenken. Es<lb/>
war das der erste Sieg unserer Wagnerfreunde, denen das Repertoire der<lb/>
königlichen Oper zu kärglich mit den Meisterwerken ihres Lieblings-Propheten<lb/>
ausgestattet erschien. Es gelang ihnen, die sich höhern und höchsten Schutzes<lb/>
erfreuten, mit Hülfe einiger &#x201E;Feenhände", sich in Kapellmeister Eckett aus<lb/>
Karlsruhe eine frische Kraft zu verschreiben, die nun in gewünschter Fülle<lb/>
tannhäuserte, lohengrinte und Meistersang. Nachdem so die erste Etappe ge¬<lb/>
wonnen, galt es, einen großen Schlag zu thun, um nach dem Jünger den<lb/>
Messias selbst in Scene zu setzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1009" next="#ID_1010"> Was man hier Alles für Wagner gethan, übergehe ich füglich, da die<lb/>
Tagesblätter hinlänglich darüber berichtet haben. Was aber hervorgehoben<lb/>
zu werden verdient, ist, daß es wiederum hauptsächlich &#x201E; das Judenthum"<lb/>
gewesen, dem doch der Componist selbst alles tiefere Verständniß für seine<lb/>
Musik absprechen zu müssen geglaubt hat, welches ihm die Triumphe bereitete,<lb/>
in deren Genuß er hier schwelgen durste. Diese herb verleumdeten Kinder<lb/>
Abrahams schienen sich vorgenommen zu haben, den Meister unter Rosen zu<lb/>
ersticken oder durch Ansammlung feuriger Kohlen auf seinem Haupte zu ver¬<lb/>
brennen oder sonstwie eine fein ausgedachte, raffinirte Rache an ihm zu<lb/>
üben &#x2014; jedenfalls aber haben sie dargethan, daß an wirklich humanitärer<lb/>
Gesittung und Gesinnung, daß an vorurtheilsfreien Blick und gerechter An¬<lb/>
erkennungsfülle diese seine angeblichen Gegner, Neider und Lästerer dem<lb/>
Rheingold-Sänger unendlich überlegen sind. &#x201E;Unsere Leut" standen mit an der<lb/>
Spitze des geheimen musikalischen Revolutions-Comite, das seine Entrees bis<lb/>
hinauf in die höchsten Cirkel hatte und das Herrn von Hülsen, den klassisch¬<lb/>
fühlenden General-Intendanten unserer Hoftheater, sogar veranlaßte, eine<lb/>
kleine Lustreise nach Leipzig an dem Tage zu unternehmen, an welchem er<lb/>
den Schimpf über sich ergehen lassen sollte, den Mai-Insurgenten und Hoch-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0317] das Feuer zu schüren. Im Gegentheil. Nicht Wenige von jenen, die von Asiens entlegener Küste stammen und denen Richard Wagner einst in so bur¬ lesker Weise den anatomischen, physiologischen und geruchsnervösen Fehde¬ handschuh hingeworfen, nicht Wenige von ihnen standen seit Langem an der Spitze seiner hiesigen eben so freien, als kleinen und stillen Gemeinde. — Aber romantische und klassische Musikgeister gab es auch ohne diese Herren in Hülle und Fülle, die nicht dulden wollten, daß ein anderer Gott, neben dem ihren, verehrt und angebetet werde und gar manche persönliche Empfindung wie Mißstimmung trug wesentlich mit dazu bei, die feindseligen musikalischen Gefühle individuell zuzuspitzen. Sie erinnern sich ohne Zweifel der seiner Zeit so plötzlich erfolgten Ent¬ fernung der bisherigen Operndirigenten von ihren Aemtern, der Kapellmeister Dorn und Taubert, die bis dahin noch keine Lust verspürt zu haben glaub¬ ten, procul negotiis über die Genüsse eines Ruhegehaltes nachzudenken. Es war das der erste Sieg unserer Wagnerfreunde, denen das Repertoire der königlichen Oper zu kärglich mit den Meisterwerken ihres Lieblings-Propheten ausgestattet erschien. Es gelang ihnen, die sich höhern und höchsten Schutzes erfreuten, mit Hülfe einiger „Feenhände", sich in Kapellmeister Eckett aus Karlsruhe eine frische Kraft zu verschreiben, die nun in gewünschter Fülle tannhäuserte, lohengrinte und Meistersang. Nachdem so die erste Etappe ge¬ wonnen, galt es, einen großen Schlag zu thun, um nach dem Jünger den Messias selbst in Scene zu setzen. Was man hier Alles für Wagner gethan, übergehe ich füglich, da die Tagesblätter hinlänglich darüber berichtet haben. Was aber hervorgehoben zu werden verdient, ist, daß es wiederum hauptsächlich „ das Judenthum" gewesen, dem doch der Componist selbst alles tiefere Verständniß für seine Musik absprechen zu müssen geglaubt hat, welches ihm die Triumphe bereitete, in deren Genuß er hier schwelgen durste. Diese herb verleumdeten Kinder Abrahams schienen sich vorgenommen zu haben, den Meister unter Rosen zu ersticken oder durch Ansammlung feuriger Kohlen auf seinem Haupte zu ver¬ brennen oder sonstwie eine fein ausgedachte, raffinirte Rache an ihm zu üben — jedenfalls aber haben sie dargethan, daß an wirklich humanitärer Gesittung und Gesinnung, daß an vorurtheilsfreien Blick und gerechter An¬ erkennungsfülle diese seine angeblichen Gegner, Neider und Lästerer dem Rheingold-Sänger unendlich überlegen sind. „Unsere Leut" standen mit an der Spitze des geheimen musikalischen Revolutions-Comite, das seine Entrees bis hinauf in die höchsten Cirkel hatte und das Herrn von Hülsen, den klassisch¬ fühlenden General-Intendanten unserer Hoftheater, sogar veranlaßte, eine kleine Lustreise nach Leipzig an dem Tage zu unternehmen, an welchem er den Schimpf über sich ergehen lassen sollte, den Mai-Insurgenten und Hoch-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/317
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/317>, abgerufen am 28.09.2024.