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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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in welcher Eigenschaft er Hülflose deutsche Auswanderer gegen deutschen und
amerikanischen Schwindel geschützt, manche bedrohete und gebrochene Existenz
wieder aufgerichtet und manche verlorene wiederhergestellt hat. Aber als
Deutschland seine Wiedergeburt begann, da hielt es ihn nicht mehr länger
jenseit des Oceans. Er opferte seine dortige Stellung, um nach Deutsch¬
land zurückzukehren, um dem Vaterlande, das er als Jüngling verlassen
mußte, die ganze Kraft und Fülle des gereiften Mannes zur Verfügung zu
stellen. Aber auch während seines zwanzigjährigen Aufenthaltes in Amerika
hatte er uns nicht vergessen, namentlich war seine sehr erhebliche literarische
Thätigkeit ausschließlich darauf gerichtet, die Geschichte der deutsch-amerikani¬
schen Wahlverwandtschaften zu erforschen und den günstigen Einfluß, welchen
Deutschland und Deutsche auf die große transatlantische Republik geübt, in
das gebührende Licht zu setzen; und diese Aufgabe ist ihm trefflich gelungen.

Es ist Friedrich Kapp, von dem ich rede. Seine Bücher über die
deutsch-amerikanischen Generale Kalb und Stender, seine "Ge¬
schichte der Sclaverei in Amerika," seine "Geschichte des Sol¬
datenhandels deutscher Fürsten" und endlich vor Allem seine "Ge¬
schichte der deutschen Einwanderung in Amerika" sind glänzende
Denkmale deutschen Fleißes und deutscher Forschung, angewandt auf ameri¬
kanische Gegenstände, welche die volle Aufmerksamkeit der deutschen Nation
verdienen. Sowohl der "Soldatenhandel" als die "Auswanderung" sind
deutsche Krankheiten, welche ihre Entstehung in der Zerstückelung hatten;
aber trotz der Bilder des Elends und der Verkommenheit, welche ihre Ge¬
schichte uns aufrollt, vermissen wir nirgends die Spuren deutscher Tüchtigkeit,
-- die Spuren jener unverwüstlichen Kraft und Ausdauer, die selbst während
der trübsten Zeiten der jüngsten Vergangenheit, wie 1850'--1838, die Hoff¬
nungen aufrecht erhielten, Hoffnungen, welche 1870 ihre glorreiche Verwirk¬
lichung fanden.

Kapp schließt seine deutsch-amerikanischen Studien ab mit einer Darstel¬
lung der Beziehungen, welche vor beinahe hundert Jahren, während der letzten
Zeit Friedrichs des Großen von Preußen, zwischen dem Krystallisations-Kern
des zukünftigen Deutschlands, d. i. Preußen einerseits, und Nordamerika
andererseits stattgehabt haben.

Die Geschichte ist aufgebaut aus dem Material, welches die amerikanische
Literatur, namentlich die an dem Congresse veröffentlichten diplomatischen
Correspondenzen aus der Zeit von 1776 bis 1789 und die inzwischen edirten
Papiere der Staatsmänner Washington, Benjamin Franklin, Jefferson, John
Adams, Arthur Lee:c. liefern, ferner aus englischen Archiven, aus welchen der
hochverdiente amerikanische Historiker George Bancroft Abschriften genommen
und dem Verfasser zur Verfügung gestellt hat, und endlich aus dem geheimen


in welcher Eigenschaft er Hülflose deutsche Auswanderer gegen deutschen und
amerikanischen Schwindel geschützt, manche bedrohete und gebrochene Existenz
wieder aufgerichtet und manche verlorene wiederhergestellt hat. Aber als
Deutschland seine Wiedergeburt begann, da hielt es ihn nicht mehr länger
jenseit des Oceans. Er opferte seine dortige Stellung, um nach Deutsch¬
land zurückzukehren, um dem Vaterlande, das er als Jüngling verlassen
mußte, die ganze Kraft und Fülle des gereiften Mannes zur Verfügung zu
stellen. Aber auch während seines zwanzigjährigen Aufenthaltes in Amerika
hatte er uns nicht vergessen, namentlich war seine sehr erhebliche literarische
Thätigkeit ausschließlich darauf gerichtet, die Geschichte der deutsch-amerikani¬
schen Wahlverwandtschaften zu erforschen und den günstigen Einfluß, welchen
Deutschland und Deutsche auf die große transatlantische Republik geübt, in
das gebührende Licht zu setzen; und diese Aufgabe ist ihm trefflich gelungen.

Es ist Friedrich Kapp, von dem ich rede. Seine Bücher über die
deutsch-amerikanischen Generale Kalb und Stender, seine „Ge¬
schichte der Sclaverei in Amerika," seine „Geschichte des Sol¬
datenhandels deutscher Fürsten" und endlich vor Allem seine „Ge¬
schichte der deutschen Einwanderung in Amerika" sind glänzende
Denkmale deutschen Fleißes und deutscher Forschung, angewandt auf ameri¬
kanische Gegenstände, welche die volle Aufmerksamkeit der deutschen Nation
verdienen. Sowohl der „Soldatenhandel" als die „Auswanderung" sind
deutsche Krankheiten, welche ihre Entstehung in der Zerstückelung hatten;
aber trotz der Bilder des Elends und der Verkommenheit, welche ihre Ge¬
schichte uns aufrollt, vermissen wir nirgends die Spuren deutscher Tüchtigkeit,
— die Spuren jener unverwüstlichen Kraft und Ausdauer, die selbst während
der trübsten Zeiten der jüngsten Vergangenheit, wie 1850'—1838, die Hoff¬
nungen aufrecht erhielten, Hoffnungen, welche 1870 ihre glorreiche Verwirk¬
lichung fanden.

Kapp schließt seine deutsch-amerikanischen Studien ab mit einer Darstel¬
lung der Beziehungen, welche vor beinahe hundert Jahren, während der letzten
Zeit Friedrichs des Großen von Preußen, zwischen dem Krystallisations-Kern
des zukünftigen Deutschlands, d. i. Preußen einerseits, und Nordamerika
andererseits stattgehabt haben.

Die Geschichte ist aufgebaut aus dem Material, welches die amerikanische
Literatur, namentlich die an dem Congresse veröffentlichten diplomatischen
Correspondenzen aus der Zeit von 1776 bis 1789 und die inzwischen edirten
Papiere der Staatsmänner Washington, Benjamin Franklin, Jefferson, John
Adams, Arthur Lee:c. liefern, ferner aus englischen Archiven, aus welchen der
hochverdiente amerikanische Historiker George Bancroft Abschriften genommen
und dem Verfasser zur Verfügung gestellt hat, und endlich aus dem geheimen


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[0307] in welcher Eigenschaft er Hülflose deutsche Auswanderer gegen deutschen und amerikanischen Schwindel geschützt, manche bedrohete und gebrochene Existenz wieder aufgerichtet und manche verlorene wiederhergestellt hat. Aber als Deutschland seine Wiedergeburt begann, da hielt es ihn nicht mehr länger jenseit des Oceans. Er opferte seine dortige Stellung, um nach Deutsch¬ land zurückzukehren, um dem Vaterlande, das er als Jüngling verlassen mußte, die ganze Kraft und Fülle des gereiften Mannes zur Verfügung zu stellen. Aber auch während seines zwanzigjährigen Aufenthaltes in Amerika hatte er uns nicht vergessen, namentlich war seine sehr erhebliche literarische Thätigkeit ausschließlich darauf gerichtet, die Geschichte der deutsch-amerikani¬ schen Wahlverwandtschaften zu erforschen und den günstigen Einfluß, welchen Deutschland und Deutsche auf die große transatlantische Republik geübt, in das gebührende Licht zu setzen; und diese Aufgabe ist ihm trefflich gelungen. Es ist Friedrich Kapp, von dem ich rede. Seine Bücher über die deutsch-amerikanischen Generale Kalb und Stender, seine „Ge¬ schichte der Sclaverei in Amerika," seine „Geschichte des Sol¬ datenhandels deutscher Fürsten" und endlich vor Allem seine „Ge¬ schichte der deutschen Einwanderung in Amerika" sind glänzende Denkmale deutschen Fleißes und deutscher Forschung, angewandt auf ameri¬ kanische Gegenstände, welche die volle Aufmerksamkeit der deutschen Nation verdienen. Sowohl der „Soldatenhandel" als die „Auswanderung" sind deutsche Krankheiten, welche ihre Entstehung in der Zerstückelung hatten; aber trotz der Bilder des Elends und der Verkommenheit, welche ihre Ge¬ schichte uns aufrollt, vermissen wir nirgends die Spuren deutscher Tüchtigkeit, — die Spuren jener unverwüstlichen Kraft und Ausdauer, die selbst während der trübsten Zeiten der jüngsten Vergangenheit, wie 1850'—1838, die Hoff¬ nungen aufrecht erhielten, Hoffnungen, welche 1870 ihre glorreiche Verwirk¬ lichung fanden. Kapp schließt seine deutsch-amerikanischen Studien ab mit einer Darstel¬ lung der Beziehungen, welche vor beinahe hundert Jahren, während der letzten Zeit Friedrichs des Großen von Preußen, zwischen dem Krystallisations-Kern des zukünftigen Deutschlands, d. i. Preußen einerseits, und Nordamerika andererseits stattgehabt haben. Die Geschichte ist aufgebaut aus dem Material, welches die amerikanische Literatur, namentlich die an dem Congresse veröffentlichten diplomatischen Correspondenzen aus der Zeit von 1776 bis 1789 und die inzwischen edirten Papiere der Staatsmänner Washington, Benjamin Franklin, Jefferson, John Adams, Arthur Lee:c. liefern, ferner aus englischen Archiven, aus welchen der hochverdiente amerikanische Historiker George Bancroft Abschriften genommen und dem Verfasser zur Verfügung gestellt hat, und endlich aus dem geheimen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/307>, abgerufen am 28.09.2024.