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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Ornate. Es werden ihm eben die Pläne des Palastes vorgelegt, mit denen
er sich, wie es scheint im Allgemeinen einverstanden erklärt, während seine
ausgestreckte Rechte auf den Ort hindeutet, wo sich noch einige kleine Ver¬
besserungen anbringen ließen. Er ist von seinem Hofstaat umgeben, von
Baumeistern und von mehreren Handwerkern, welche die am Bau thätigen
Gewerbe vertreten. Auf den höher liegenden Terrassen der gemalten Archi¬
tektur aber und im blauen Himmel, der darüber liegt, werden die Gestalten,
je ferner sie liegen desto duftiger, nackter und heidnischer. Ganz oben, glaube
ich, lenkt Helios den Sonnenwagen. -- Im Gewölbe des großen Festsaals
sieht man den Maler selbst, Johannes Zick, mitten unter Satyrn und Fau¬
nen, am Rande einer Marmorterrasse sitzen. Die Beine läßt er herunter
baumeln und betrachtet wohlgefällig sein Werk. Ein Zug wie von leichter
Berauschtheit geht durch diese ganze Gesellschaft. -- Manche der Gestalten
blicken mit schelmisch-lächelnder Miene herunter in den Saal. Durch ihren
constanten selbstzufriedenen Ausdruck scheinen sie gewissermaßen den Cha¬
rakter des Lebens im Palaste zu bedingen. Es ist als wäre ein Publicum
von Göttern und Heroen geladen, nach deren Stimmung sich das Repertoir
der unten auf dem glatten Parquet auftretenden Gesellschaft richten mußte.
Alle diese Bilder, deren Schöpfer der Münchner Johannes Zick ist, der
Kunstgeschichte fast unbekannt, sind nun in der flotten, manchmal etwas nach¬
lässigen Zeichnung und in den saftigen leuchtenden Farben der späten Vene-
tianer ausgeführt, namentlich sollen sie an die Fresken des Giovanbatt. Tie-
polo erinnern.

Aber nicht nur in den eigentlichen Gemälden, auch in der Farbengebung
der structiven Architecturtheile müssen wir das feine Gefühl des Decorateurs
bewundern. Von den Deckengemälden fallen gleichsam Farbenreflexe auf die
Wände, oder von den farbenreichen Gobelins und Täfelungen der Wände auf die
stuckirten Decken, ein allmähliges Ausklingen reichentwickelter Farbenmelodien.
So sind z. B. die Wände eines Boudoirs mit purpurrothen Getäfel bekleidet,
in dessen Füllungen auf weißem Grund die reizendsten Schäfer- und Jagd¬
idyllen im Style Watteau's angebracht sind, der Rand der alabasterweißen
Decke aber ist purpurn angehaucht wie eine erröthende Wange. Es ist dieser
farbige Schmuck, dessen Verlust vom Standpunkt des mehr praktischen Stu¬
diums am meisten zu beklagen wäre.

Die räumlichen Verhältnisse, die ornamentalen Motive, die klug berech¬
neten Licht- und Schatten-Effecte des Reliefs, können durch Zeichnungen
wiedergegeben werden; sie werden vortrefflich veranschaulicht durch die schönen
Photographien des Herrn G. M. Eckert in Heidelberg, der eine vollständige
Sammlung der "schönen Stellen" veranstaltet.


Ornate. Es werden ihm eben die Pläne des Palastes vorgelegt, mit denen
er sich, wie es scheint im Allgemeinen einverstanden erklärt, während seine
ausgestreckte Rechte auf den Ort hindeutet, wo sich noch einige kleine Ver¬
besserungen anbringen ließen. Er ist von seinem Hofstaat umgeben, von
Baumeistern und von mehreren Handwerkern, welche die am Bau thätigen
Gewerbe vertreten. Auf den höher liegenden Terrassen der gemalten Archi¬
tektur aber und im blauen Himmel, der darüber liegt, werden die Gestalten,
je ferner sie liegen desto duftiger, nackter und heidnischer. Ganz oben, glaube
ich, lenkt Helios den Sonnenwagen. — Im Gewölbe des großen Festsaals
sieht man den Maler selbst, Johannes Zick, mitten unter Satyrn und Fau¬
nen, am Rande einer Marmorterrasse sitzen. Die Beine läßt er herunter
baumeln und betrachtet wohlgefällig sein Werk. Ein Zug wie von leichter
Berauschtheit geht durch diese ganze Gesellschaft. — Manche der Gestalten
blicken mit schelmisch-lächelnder Miene herunter in den Saal. Durch ihren
constanten selbstzufriedenen Ausdruck scheinen sie gewissermaßen den Cha¬
rakter des Lebens im Palaste zu bedingen. Es ist als wäre ein Publicum
von Göttern und Heroen geladen, nach deren Stimmung sich das Repertoir
der unten auf dem glatten Parquet auftretenden Gesellschaft richten mußte.
Alle diese Bilder, deren Schöpfer der Münchner Johannes Zick ist, der
Kunstgeschichte fast unbekannt, sind nun in der flotten, manchmal etwas nach¬
lässigen Zeichnung und in den saftigen leuchtenden Farben der späten Vene-
tianer ausgeführt, namentlich sollen sie an die Fresken des Giovanbatt. Tie-
polo erinnern.

Aber nicht nur in den eigentlichen Gemälden, auch in der Farbengebung
der structiven Architecturtheile müssen wir das feine Gefühl des Decorateurs
bewundern. Von den Deckengemälden fallen gleichsam Farbenreflexe auf die
Wände, oder von den farbenreichen Gobelins und Täfelungen der Wände auf die
stuckirten Decken, ein allmähliges Ausklingen reichentwickelter Farbenmelodien.
So sind z. B. die Wände eines Boudoirs mit purpurrothen Getäfel bekleidet,
in dessen Füllungen auf weißem Grund die reizendsten Schäfer- und Jagd¬
idyllen im Style Watteau's angebracht sind, der Rand der alabasterweißen
Decke aber ist purpurn angehaucht wie eine erröthende Wange. Es ist dieser
farbige Schmuck, dessen Verlust vom Standpunkt des mehr praktischen Stu¬
diums am meisten zu beklagen wäre.

Die räumlichen Verhältnisse, die ornamentalen Motive, die klug berech¬
neten Licht- und Schatten-Effecte des Reliefs, können durch Zeichnungen
wiedergegeben werden; sie werden vortrefflich veranschaulicht durch die schönen
Photographien des Herrn G. M. Eckert in Heidelberg, der eine vollständige
Sammlung der „schönen Stellen" veranstaltet.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/230>, abgerufen am 21.10.2024.